OGH 15Os51/94

OGH15Os51/9426.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hubert G* und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146147 Abs 2 und § 15 StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten G* sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. September 1993, GZ 9 d Vr 2726/92‑68, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, des Angeklagten G* und des Verteidigers Dr. Grün, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00051.9400000.0526.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil (das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Gerhard H* sowie einen unbekämpft gebliebenen Freispruch beider Angeklagten enthält) wurde Hubert G* des Vergehens des (zu ergänzen: teils vollendeten, teils versuchten) schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 (zu ergänzen: und § 15) StGB als Beteiligter nach § 12 (zu ergänzen: zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des (hier zusammengefaßt wiedergegebenen) Schuldspruchs hat der Angeklagte in Perchtoldsdorf als Filialinspektor der B* Warenhandelsgesellschaft mbH (richtig B* Warenhandels AG; im folgenden kurz: B* AG) in der Zeit von April 1991 bis 31.August 1991 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten die B* AG unrechtmäßig zu bereichern, (den Filialleiter) Gerhard H* und (die Angestellte) Michaela R* jeweils in drei Fällen durch die Aufforderung, nach den am 18.April, 15. und 25.Juni, 14. und 22.Juli sowie am 31.August 1991 erfolgten Einbruchsdiebstählen in die B*‑Filiale P* tatsachenwidrig größere Warenmengen und höhere Geldbeträge, als tatsächlich gestohlen worden waren, in die Schadensmeldungen an die * Versicherungs AG aufzunehmen, dazu bestimmt, mit Betrugsvorsatz Angestellte der * Versicherungs AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über die wirklichen Schadenshöhen nach Einbruchsdiebstählen in die bezeichnete B*‑Filiale, zur Auszahlung überhöhter, den Betrag von 25.000 S jedenfalls übersteigender Schadensbeträge zu verleiten, wobei es in einem Fall (Einbruchsdiebstahl vom 25.Juni 1991) beim Versuch geblieben ist.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

In der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer einen "nach den Denkgesetzen unlösbaren Widerspruch" in den Entscheidungsgründen, indem er lediglich einen einzigen (in der Beschwerdeschrift zitierten) Halbsatz aus den Urteilsfeststellungen zum Einbruchsdiebstahl am 18.April 1991 (US 8 letzter Absatz), zum anderen einen Nebensatz aus der im Rahmen der Beweiswürdigung (teilweise) wiedergegebenen Verantwortung des Mitangeklagten H* (US 14 zweiter Absatz) herausgreift und ‑ unter isolierter Betrachtung eines weiteren Satzes aus dem Vernehmungsprotokoll des Zeugen Gottfried D* vor dem Untersuchungsrichter (S 244 letzter Absatz/I) ‑ aus all dem folgert, es sei "überhaupt unmöglich, einen genauen Fehlbestand zu ermitteln"; es könne deshalb die "Qualifikation nach § 147 Abs 2 StGB" nicht angenommen werden.

Solcherart wird jedoch kein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes dargetan. Übergeht der Rechtsmittelwerber dabei doch glattweg alle entscheidenden Urteilsfeststellungen (US 9 ff), denenzufolge auf Grund der Vielzahl der (tatsachenwidrig) als gestohlen gemeldeten Waren und der Höhe der (von den Einbrechern allein am 22.Juli und 31.August 1991) nachweislich nicht erbeuteten Geldbeträge von insgesamt 32.000 S (US 11 f) die Zusammenrechnung (§ 29 StGB) der auf die einzelnen Falschmeldungen entfallenden Summen einen die Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 2 StGB mit Sicherheit übersteigenden Betrugsschaden von 25.000 S ergibt (US 12 und 23). Von einem inneren Widerspruch entscheidender Tatsachenfeststellungen kann demnach keine Rede sein.

Unzutreffend ist der Einwand in der Beweisrüge (Z 5 a), das Schöffengericht habe aus den festgestellten Motiven für seine Handlungsweise, einerseits die Filiale P* wieder ins ordentliche Licht zu rücken, andererseits in den Genuß der Inventurprämie zu kommen, zu Unrecht auf den "Betrugsvorsatz" geschlossen, weshalb es am "subjektiven Tatbild des Bereicherungsvorsatzes und somit an dem Ausspruch über die Schuld" fehle.

Dieses Vorbringen orientiert sich erneut nicht am maßgeblichen Tatsachensubstrat, wonach der Vorsatz (auch) des Beschwerdeführers ‑ ungeachtet des Zieles, seine Position im Unternehmen seines Dienstgebers zu stärken ‑ darauf gerichtet war, die B* AG, also einen Dritten ‑ eine der Alternativen des Betrugstatbestandes ‑, unrechtmäßig zu bereichern (US 2 f, 13 f und 22 f). Es zeigt sich somit, daß der Beschwerdeführer insoweit gar keine entscheidende Tatsache iS des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO releviert.

Sich aus den Akten ergebende Bedenken, geschweige denn solche erheblicher Natur, gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen werden mit den ‑ nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung vorgebrachten ‑ weiteren Angriffen auf die im Rahmen der Beweiswürdigung des Erstgerichtes plausibel und überzeugend begründete Glaubwürdigkeit der "einzigen Belastungszeugen H* und R*" nicht erweckt.

Soweit der Rechtsmittelwerber aus der Tatsache, daß der Staatsanwalt das Verfahren gegen Michaela R* eingestellt hat (vgl S 157/II), den (rechtlich verfehlten) Schluß zieht, daß "damit eine Bestimmungstäterschaft unmöglich sei", behauptet er der Sache nach einen Rechtsirrtum des Erstgerichtes und macht demnach den materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO geltend.

Dem sowie den im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobenen Einwänden ist zu erwidern:

Die vom Beschwerdeführer geäußerte Rechtsansicht, Beitragstäterschaft setze auf der subjektiven Tatseite voraus, "daß der Täter einen vorsätzlichen Befugnismißbrauch durch den Mitwirkenden für gewiß hält", ist schon vom Ansatz her verfehlt, weil es sich vorliegend um Bestimmungstäterschaft im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB handelt; sie findet im übrigen auch im Gesetz schon deshalb keine Deckung, weil Betrug eine Täuschungshandlung und keineswegs einen Befugnismißbrauch (wie etwa bei der Untreue nach § 153 StGB) voraussetzt. Nach § 12 zweiter Fall StGB reicht aus, daß der Bestimmungstäter einen anderen zu einer Straftat auffordert, das heißt dafür ursächlich wird, daß sich dieser andere zu ihrer Ausführung entschließt. Dabei muß der Bestimmende bloß mit dem für das angesonnene Delikt geforderten Tatvorsatz handeln, fallbezogen sohin mit (wenigstens bedingtem) Bereicherungs‑ und Schädigungsvorsatz (§ 5 Abs 1 StGB), nicht aber mit der besonderen Vorsatzform der Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB), die nur dann vorliegen müßte, wenn das Delikt, zu dem ein anderer bestimmt werden soll, einen spezifizierten Vorsatz erfordert (Leukauf‑Steininger Komm3 § 12 RN 36).

In dem hier aktuellen Fall ist demnach dem Erstgericht bei Beurteilung des inkriminierten Verhaltens des Angeklagten als Bestimmung zum Vergehen des schweren Betruges kein Rechtsirrtum unterlaufen, zumal der Beschwerdeführer in den genannten Personen den Tatentschluß zu falschen Schadensmeldungen erweckte (§ 5 Abs 1 StGB) und sie solcherart zur Tatbegehung veranlaßte. Dabei ist weder erforderlich, daß er im einzelnen wußte, was gestohlen wurde oder was von den unmittelbaren Tätern als gestohlen fingiert wurde, noch daß er auf die Versicherungsmeldung darüber hinaus "Einfluß" nahm oder diese "überprüfte".

Die Beschwerdeargumentation, der Angeklagte habe "daher" nicht annehmen können, "daß H* bewußt falsche Versicherungsmeldungen legt", steht im übrigen mit den Urteilsfeststellungen in Widerspruch; insoweit wird daher die Rechtsrüge gar nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Daß die vom Nichtigkeitswerber zum Betrug Bestimmten (unmittelbaren Täter) "im eigenen Verantwortungsbereich" handelten und daher jeder von ihnen nach seiner Schuld zu bestrafen ist, ergibt sich schon aus § 13 StGB, vermag aber den Angeklagten nicht zu exculpieren. Im Sinn der vom Obersten Gerichtshof in ständiger Judikatur in Übereinstimmung mit einem Teil der Lehre vertretenen Auffassung, daß der Regelung des § 12 das funktionale Einheitstätersystem zugrunde liegt, haftet nämlich jeder der im § 12 genannten Beteiligten (grundsätzlich) unabhängig davon, ob und in welcher Weise ein anderer Beteiligter an der Tat haftet, somit seinerseits die Haftungskriterien erfüllt; es genügt vielmehr, daß er in seiner Person alle konstituierenden Merkmale des betreffenden Deliktstyps erfüllt (Grundsatz der autonomen Verantwortlichkeit aller Beteiligten). Demnach ist keine der drei Täterformen als solche von einer anderen Täterform abhängig (akzessorisch); es wird in keinem Fall eine qualitative Akzessorietät und nur ausnahmsweise (Beitragstäterschaft im Hinblick auf § 15 Abs 2 StGB) eine quantitative Akzessorietät gefordert (vgl Leukauf‑Steininger aaO § 12 RN 4, 8, 10 und 12 mit Zitatnachweisen; Fabrizy im WK § 12 Rz 85; sowie jüngst 15 Os 165/93). Der Umstand, daß Michaela R* - aus welchen Gründen immer ‑ außer Verfolgung gesetzt wurde, ist somit rechtlich unerheblich.

Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 147 Abs 1 (gemeint: Abs 2) StGB und (verfehlt) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres, auf die es gemäß § 38 Abs 1 StGB die Vorhaft vom 5.März 1992, 21.45 Uhr, bis 25.März 1992, 14.35 Uhr, anrechnete. Dabei wertete es als erschwerend die mehrfache Tatbegehung (gemeint: daß der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen derselben Art begangen hat ‑ vgl § 33 Z 1 StGB) und daß die Initiative zur Begehung der strafbaren Handlungen von ihm ausgegangen ist, hingegen als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel und die Tatsache, daß es einmal beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung beantragt der Angeklagte, "die verhängte Strafe schuldangemessen herabzusetzen", die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung den Ausspruch einer "tatschuldangemessenen teilbedingten Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 43 a StGB" an.

Keine der Berufungen ist begründet.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig erfaßt und ihnen auch das entsprechende Gewicht beigemessen. Die vom Berufungswerber zu seinen Gunsten zusätzlich ins Treffen geführten Umstände, daß "er sich durch die Tat nicht selbst bereichert hat" und "die Tat schon vor längerer Zeit begangen wurde", liegen in Wahrheit nicht vor. Wenngleich nach dem Urteilsspruch die Bereicherung der B* AG angestrebt wurde, handelte der Angeklagte G* sehr wohl (auch) mittelbar zu seinem Vorteil, weil er durch eine "Mankominimierung" eine bessere Position in der Unternehmenshierarchie und jedenfalls eine zusätzliche Basis für die Erlangung einer "Inventurprämie" zu erzielen trachtete. Zum anderen sind seit dem letzten betrügerischen Angriff (31.August 1991) noch nicht einmal drei Jahre, geschweige denn die in der Rückfallsverjährungsfrist des § 39 Abs 2 StGB normierten fünf Jahre vergangen (vgl Leukauf‑Steininger aaO § 34 RN 27). Im übrigen ist mangels einer im § 147 Abs 1 und Abs 2 StGB normierten Untergrenze der Einwand, das Erstgericht hätte "vom § 41 StGB" Gebrauch machen können, schon an sich verfehlt. Die ins Treffen geführte günstige Zukunftsprognose wiederum ist nicht für die Strafhöhe bedeutsam, sondern für eine ‑ ohnedies gewährte ‑ bedingte Strafnachsicht.

Unter Abwägung der Zahl und des Gewichtes der erschwerenden und mildernden Tatsachen sowie unter Berücksichtigung des (von der Anklagebehörde zutreffend hervorgehobenen) Umstandes, daß der Berufungswerber seine verantwortungsvolle Vertrauensstellung als Filialinspektor dazu mißbrauchte (vgl § 32 Abs 3 StGB), zwei (untergeordnete) Angestellte seiner Arbeitgeberfirma zu wiederholten betrügerischen Malversationen zu verleiten, erscheint auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die vom Erstgericht gefundene (ohnehin bedingt nachgesehene) Sanktion von einem Jahr Freiheitsstrafe sowohl der gravierenden Schuld des Angeklagten wie auch dem beträchtlichen Unrechtsgehalt der von ihm (mit‑)zuverantwortenden Straftaten adäquat (§ 32 StGB). Sie ist nicht nur an sich tatschuldangemessen, sondern steht auch in ausgewogener Relation zu der über den reumütig geständigen und unter dem Einfluß des Rechtsmittelwerbers (in nur drei Fällen) straffällig gewordenen Mitangeklagten H* verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe, sodaß sie auch unter diesem Aspekt nicht reduktionsbedürftig ist.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft ist zwar darin zuzustimmen, daß der Angeklagte im Verlauf des Verfahrens keinerlei Schuldeinsicht gezeigt hat und Tathandlungen der gegenständlichen Art auch aus generalpräventiver Sicht keinesfalls als "Kavaliersdelikte" zu behandeln sind, was im Hinblick auf die ausgesprochene Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres ohnehin nicht geschehen ist. Andererseits darf nicht außer Betracht bleiben, daß der bisher unbescholtene, nunmehr als kaufmännischer Angestellter beschäftigte Angeklagte die Zeit vom 5. bis 25.März 1992 in Untersuchungshaft zugebracht und somit das Haftübel zwanzig Tage lang verspürt hat. Diese Tatsache in Verbindung mit dem drohenden Vollzug einer einjährigen Freiheitsstrafe wird ausreichen, um den Angeklagten künftighin von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten (§ 43 Abs 1), ohne daß es bei ihm des Vollzuges einer Geldstrafe an Stelle eines Teiles der Freiheitsstrafe (§ 43 a Abs 2) oder des teilweisen Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe (§ 43 a Abs 3) bedarf.

Sohin war insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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