OGH 2Ob69/93

OGH2Ob69/9326.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria G*****, vertreten durch Dr.Johann Mayerhofer und Dr.Herbert Handl, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Norbert Kosch und andere Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen S 32.250 und Bezahlung einer monatlichen Rente von S 1.500 (Gesamtstreitwert S 97.050) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. September 1993, GZ 14 R 109/93-21, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 22.Februar 1993, GZ 1 Cg 1302/91-16, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die *****1937 geborene Klägerin war mit Franz G***** verheiratet. Sie wurde bei einem Verkehrsunfall *****1982 so schwer verletzt, daß sie die bis dahin verrichteten Arbeiten im Haus nicht mehr leisten konnte. Für den Ausfall ihrer Arbeitskraft wurde ihr damals aufgrund einer Generalabfindungserklärung ein Pauschalbetrag von S 400.000 bezahlt. *****1989 verschuldete die bei der Beklagten haftpflichtversicherte Angelika B***** mit ihrem PKW in T***** einen Verkehrsunfall, bei dem der ein Moped lenkende Gatte der Klägerin so schwer verletzt wurde, daß er *****1989 verstarb. Seine statistische Lebenserwartung betrug damals noch 17 Jahre. Er hat bis zuletzt sämtliche Arbeiten im Haus und Garten verrichtet. Die Klägerin erhält von der AUVA aufgrund des Unfalls eine Witwenrente von monatlich S 5.034,20 (ab 1.1.1991 S 5.160,10).

Die Klägerin begehrt eine monatliche Rente von S 1,500 ab 1.9.1991 bis längstens 31.12.2006 sowie für die bis zum 1.9.1991 fällig gewordenen Rentenbeträge S 32.250 mit der Begründung, ihr Gatte habe bis zuletzt im Haus und Garten sehr umfangreiche Arbeiten verrichtet. Für den Ausfall seiner Arbeitskraft stehe ihr eine monatliche Rente von S 1.500 zu. Die Leistungen der Sozialversicherungsträger seien sachlich nicht kongurent, sodaß sie die von ihr geforderten Beträge nicht schmälern könnten. Der Anspruch aus dem Entfall der Arbeitsleistung ihres Mannes sei von dem mit der Beklagten abgeschlossenen Vergleich nicht umfaßt.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Mit Vergleich vom *****1990 seien die Ansprüche der Klägerin mit Ausnahme von Kreditkosten und Pflegegebühren verglichen worden. Unter Pflegegebühren seien nur Pflegeleistungen des Getöteten gegenüber der Klägerin persönlich zu verstehen. Der "Dienstleistungsschaden" sei im Wege der Legalzession auf den Unfallversicherer übergegangen. Dieser habe diesen Schaden bereits der beklagten Partei gegenüber geltend gemacht. Am *****1991 sei diesbezüglich ein Vergleich über S 1,400.000 abgeschlossen worden. Die Klägerin sei durch die Rente bereichert, weil ihr der Entfall der Arbeitskraft des Mannes bereits durch die Bezüge von den Sozialversicherungsanstalten abgegolten werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es ging dabei im wesentlichen davon aus, daß die Parteien am *****1990 einen alle Ansprüche der Klägerin erledigenden Vergleich geschlossen haben, wovon nur "Kreditkosten und Pflegekosten" ausgenommen waren. Unter Pflegekosten haben die Streitteile bzw deren Vertreter bei den Vergleichsverhandlungen jene Kosten für allgemeine Arbeiten des Gatten der Klägerin verstanden, die dieser im Haus und außerhalb des Hauses für die Klägerin geleistet habe. Die persönlichen Pflegeleistungen wurden von der Beklagten mit dem Hinweis auf den Vorunfall abgelehnt, weil dort dieser Leistungsbereich bereits mit Vergleich abgegolten worden sei. Die beklagte Partei wurde auch von der AUVA auf den Ersatz des Dienstleistungsschadens (monatlich S 6.300) geklagt, dieser Anspruch wurde unter Annahme eines monatlichen Dienstleistungsentfalles in der Höhe von S 6.000 verglichen.

Das Erstgericht erörterte rechtlich, daß der dem Rentenbegehren zugrunde liegende Dienstleistungsentfall nach dem tatsächlichen Inhalt der Vereinbarung von der vergleichsweisen Bereinigung ausdrücklich ausgenommen worden sei. Zwischen diesem Anspruch und der von der Klägerin bezogenen Witwenpension bestehe keine sachliche Kongruenz, sodaß er auch nicht im Wege der Legalzession nach § 332 Abs 1 ASVG auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei. Er könne auch nicht durch die aus dem Vorunfall resultierenden Leistungen verkürzt werden, weil durch die Abgeltung anläßlich dieses Vorunfalles die Klägerin in ihrem Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Mann nicht verkürzt worden sei. Wenn die beklagte Partei aus der vergleichsweisen Bereinigung mit der AUVA bzw PVA eine freiwillige Leistung erbringe, habe dies keinen Einfluß auf den hier geltend gemachten Anspruch der Klägerin.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge. Es hob mit Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, wonach der Entgang der Arbeitsleistungen des Ehegatten der Klägerin von dem Vergleich zwischen den Streitteilen nicht umfaßt sei. Es bestehe aber zwischen der von der Klägerin bezogenen Witwenpension und ihren Schadenersatzansprüchen auf Ersatz ihres Unterhaltsentganges nach § 1327 ABGB sachliche Kongruenz, weil zum Unterhaltsentgang auch der Entgang der im Rahmen der Unterhaltspflicht ihres Ehegatten erbrachten Beistandsleistungen gehöre. Diese Ersatzansprüche seien gemäß § 332 ASVG im Umfang der erbrachten Leistungen auf den oder die Sozialversicherungsträger übergegangen. Die Klägerin könne von der beklagten Partei nur den die Witwenpension (und sonstige kongruenten Leistungen der Sozialversicherungsträger) übersteigenden Unterhaltsentgang geltend machen. Dem Ersturteil seien Feststellungen über die vom getöteten Ehemann tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen einschließlich aller Beistandsleistungen nicht zu entnehmen, weshalb nicht abschließend beurteilt werden könne, ob der Klägerin trotz der Legalzession nach § 332 ASVG Beistandsleistungen entgangen sind, die durch die sachlich und zeitlich kongruenten Leistungen der Sozialversicherungsträger noch unberührt geblieben sind. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zur Überprüfung zu, ob es bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der Klägerin ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß der Anspruch des hinterbliebenen Ehemannes auf Beistand durch seine Gattin in der Haushaltsführung dem Unterhaltsanspruch im Sinne des § 1327 gleichzustellen ist und daß dem Ehemann für infolge des Todes seiner Frau entgangene Beistandsleistungen grundsätzlich nach dieser Gesetzesstelle Schadenersatz gebührt (ZVR 1990/86, ZVR 1993/64) und daß Gleiches auch dann gilt, wenn der Ehefrau infolge des Todes ihres Mannes derartige Beistandsleistungen entgehen (JBl 1990, 723 mwN). Es kommt dabei darauf an, den Überlebenden so zu stellen, wie er gestellt wäre, wenn der getötete Ehegatte seinen Unterhaltsbeitrag bzw seine Beistandsleistungen im bisherigen Ausmaß weiter erbringen würde. Der Geschädigte ist in die Lage zu versetzen, sich in der im Leben üblichen Weise, ohne sich Einschränkungen auferlegen zu müssen, wirtschaftlich gleichwertige Dienste zu verschaffen.

Die von der Rekurswerberin im Hinblick auf die Entscheidung JBl 1989, 645 vertretene Rechtsmeinung, der geltend gemachte Dienstleistungsschaden (auf Ersatz der Beistandsleistungen durch den getöteten Ehemann) sei mit den von der Klägerin gewährten Sozialversicherungsleistungen (Witwenrente bzw Witwenpension) sachlich nicht kongruent, und daher nicht auf die Sozialversicherungsträger übergegangen, trifft nicht zu. Die in § 332 Abs 1 ASVG angeordnete Legalzession erfaßt solche Haftpflichtansprüche des Verletzten, die der Deckung eines Schadens dienen, den auch die Sozialversicherungsleistung liquidieren soll (Kongruenzprinzip; Krejci in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes 444 ff; SZ 56/137). Der Zweck dieser Regelung liegt darin, daß einerseits der Schädiger nicht im Ausmaß der Sozialversicherungsleistung im Wege der Vorteilsausgleichung von seiner Ersatzpflicht befreit werden soll; andererseits soll im Fall der Vorteilsnichtanrechnung der Geschädigte nicht doppelt Ersatz erhalten. Sachliche Kongruenz liegt dann vor, wenn der Ausgleichszweck des Sozialversicherungsanspruches und des Schadenersatzanspruches identisch sind; die sachliche Kongruenz dieser beiden Ansprüche ist dann zu bejahen, wenn sie darauf abzielen, denselben Schaden zu decken. Der Oberste Gerichtshof hat zwar ausgesprochen, daß zwischen einer Unfallrente und Berufsunfähigkeitspension einerseits und den Schadenersatzansprüchen für den Ausfall der eigenen Arbeitskraft des Versicherten in dessen eigenem Haus und Garten andererseits keine sachliche Kongruenz bestehe, weil die Unfallrente und die Berufsunfähigkeitspension nur als Ausgleich für die unfallsbedingten Schäden, u.a. für den im beruflichen Bereich eingetretenen Erwerbsausfall gewährt werde. Tätigkeiten, die außerhalb des beruflichen Bereichs lägen, seien vom Ausgleichszweck der Unfallrente und der Berufsunfähigkeitspension nicht umfaßt, sodaß bezüglich dieser Ansprüche eine Legalzession auf die Sozialversicherungsträger nicht erfolge.

Dieser Sachverhalt liegt aber hier nicht vor.

Die Klägerin erhält nach ihrem verstorbenen Ehemann eine Witwenrente und (wie sich aus dem Akteninhalt ergibt) auch eine Witwenpension. Ausgleichszweck dieser Sozialversicherungsleistungen ist aber der Ersatz des entgangenen Unterhaltes bzw der entgangenen Beistandsleistungen. Der Oberste Gerichtshof hat daher auch bereits ausgesprochen, daß zwischen Witwenpensionen und Schadenersatzansprüchen der Witwe auf Ersatz ihres Unterhaltsentganges nach § 1327 ABGB (wozu auch der Entgang im Rahmen

der Unterhaltspflicht des getöteten Ehegatten erbrachter Beistandsleistungen gehört) sachliche Kongruenz bestehe (JBl 1990, 723; vgl Krejci in Tomandl System, 449), sodaß derartige Ersatzansprüche im Sinne des § 332 ASVG im Umfang der erbrachten Leistungen auf den oder die Sozialversicherungsträger übergehen.

Das Berufungsgericht hat daher zu Recht dem Erstgericht weitere Feststellungen über den tatsächlichen Unterhaltsentgang der Witwe aufgetragen, um beurteilen zu können, ob der Klägerin unter Bedachtnahme auf die in § 332 ASVG normierte Legalzession überhaupt Schadenersatzansprüche nach § 1327 ABGB verblieben sind, die sie mit Erfolg geltend machen kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte