OGH 3Ob507/94

OGH3Ob507/9425.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S*****, vertreten durch Dr.Anna Jahn, Rechtsanwältin in Feldkirch, wider die beklagte Partei Maria S*****, vertreten durch Dr.Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 9. November 1993, GZ 1a R 470/93-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 29. September 1993, GZ 2 C 57/93v-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß:

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte mit der am 8.7.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage die Scheidung der mit der Beklagten am 9.7.1966 geschlossenen Ehe aus deren Verschulden. Die Ehe sei bereits seit dem Jahr 1986 unheilbar zerrüttet. Die Beklagte habe seit dieser Zeit jeglichen ehelichen Umgang mit ihm abgelehnt. Sie habe dies damit begründet, daß sie von ihm nichts mehr wissen wolle, er solle schauen, daß er verschwinde. Im Oktober 1990 sei er im beiderseitigen Einvernehmen aus der Ehewohnung ausgezogen. Die Beklagte sei im Jahr 1990 übermäßig Schulden eingegangen, weshalb es wiederholt Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen den Ehegatten gegeben habe. Sie habe es jahrelang abgelehnt, mit ihm auch nur ein Wort zu sprechen. Im zweiten Rechtsgang brachte der Kläger noch vor, daß er sich bemüht habe, eine Besserung der ehelichen Verhältnisse herzustellen. Die Ehe sei daher im Jahr 1986 noch nicht unheilbar zerrüttet gewesen. Bis zum Abschluß der Vereinbarung im Oktober 1990 habe er auf die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft gehofft. Die Beklagte habe ihn jedoch aus der Ehewohnung verwiesen, weshalb er zur Erkenntnis gelangen habe müssen, daß ein getrennter Wohnsitz im Interesse beider Teile gelegen sei. Die Beklagte habe auch wiederholt übermäßig dem Alkohol zugesprochen und sei im alkoholisierten Zustand aggressiv gewesen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie gestand zu, daß sie Ende 1989 zum Alkohol gegriffen habe. Es sei aus Verzweiflung und aus Furcht vom Kläger geschehen. Im übrigen bestritt sie die ihr zur Last gelegten Eheverfehlungen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Seit 1986 gestalteten die Streitteile ihre Freizeit nicht mehr gemeinsam. Sie hatten seit dieser Zeit auch keinen ehelichen Umgang mehr, weil die Beklagte dies trotz einiger bis zum Jahr 1987 unternommenen Versuche des Klägers nicht zuließ. Sie schliefen bis zur Trennung zwar in einem Doppelbett. Der Grund dafür lag aber allein darin, daß es in der Ehewohnung keine andere geeignete Schlafmöglichkeit gab. Hätte es darin zwei Schlafzimmer gegeben, hätten die Streitteile in getrennten Zimmern geschlafen. Den letzten gemeinsamen Urlaub verbrachten sie etwa 1987 oder 1988 in Südtirol. Später gingen sie nicht mehr auf Urlaub, weil es ohnedies nur zum Streit gekommen wäre. Sie hatten seit 1988 auch keine gemeinsamen Freunde mehr. Seit 1986 fanden zwischen ihnen nur noch wenige Gespräche statt; anfänglich gab es noch Versuche, die Ehesituation zu klären. Zumindest seit 1989 gab es solche Gespräche nicht mehr, es gab Zeiten, in denen die Eheleute drei bis vier Wochen überhaupt kein Wort miteinander redeten, obwohl sie im selben Bett schliefen.

Die Beklagte kochte zwar immer für den Kläger, wenn er zu Mittag für eine Stunde von seiner Arbeit nach Hause kam. Sie setzte sich aber seit etwa 1986/87 nur noch selten zu ihm. Wenn allerdings der eheliche Sohn mitaß, kam es zum gemeinsamen, aber "wortlosen" Essen. Auch am Abend wurde nicht gemeinsam gegessen, weil die Beklagte nicht zu Abend aß.

1989 entzog der Kläger der Beklagten die Berechtigungskarte für sein Konto, weil dieses mit S 43.000,-- überzogen war und er die Beklagte dafür verantwortlich machte. Zumindest einmal hat er sie geschlagen. In ihrer Verzweiflung griff auch sie etwa 1989 zum Alkohol, nachdem auch der Kläger schon früher Probleme mit Alkohol gehabt hatte. Zumindest seit 1989 halten die Streitteile nicht mehr an der Ehe fest. Seither besteht auch keine Aussicht auf Wiederherstellung einer intakten Ehegemeinschaft. Trotzdem ging der Kläger erst im Sommer 1990 zu seiner Rechtsanwältin und es kam erst im Herbst 1990 zur Trennung, weil er die Angelegenheit immer vor sich her schob.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Ehe der Streitteile jedenfalls seit 1989 unheilbar zerrüttet gewesen sei. Die nach diesem Zeitpunkt gesetzten Eheverfehlungen seien kein Grund mehr für die Scheidung der Ehe, die vorher gesetzten Eheverfehlungen seien gemäß § 57 Abs 1 EheG verfristet.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Klägers dieses Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Ehe der Streitteile bereits im Jahr 1989 unheilbar zerrüttet war, und wiederholte seine schon im ersten Rechtsgang ausgesprochene Rechtsansicht, daß eine nach der absoluten Zerrüttung der Ehe gesetzte Eheverfehlung nicht mehr als Scheidungsgrund geltend gemacht werden dürfe. Dies gelte ebenso für ein fortgesetztes ehewidriges Verhalten, auch wenn dieses als Einheit aufzufassen sei, weil es nicht mehr ehezerstörend wirken könne, wenn es nach dem Zeitpunkt der Zerrüttung der Ehe andauere. Mangels Kausalität sei daher auch ein solches Fehlverhalten als Scheidungsgrund auszuschließen. Die Revision sei zulässig, weil zu dieser Frage eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle und die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Berücksichtigung von Eheverfehlungen, die nach unheilbarer Zerrüttung der Ehe begangen wurden, uneinheitlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, unzulässig.

Die Aktenwidrigkeit macht der Kläger im Zusammenhang mit den Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Frage geltend, aus welchen Gründen er die Ehewohnung verließ. Hierauf kommt es aber nicht an, weil die der Beklagten in diesem Zusammenhang zur Last gelegte Eheverfehlung im Hinblick daran, daß der Kläger erst im Herbst 1990 aus der Ehewohnung auszog, nach dem Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe liegen muß und deshalb, wie noch auszuführen sein wird, keinen Scheidungsgrund bilden kann. Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit ist daher nicht wesentlich und vermag schon aus diesem Grund die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen.

Es ist nunmehr herrschende und zumindest in der jüngeren Rechtsprechung einheitliche Auffassung, daß ein Ehegatte die Scheidung nicht gemäß § 49 EheG wegen Eheverfehlungen begehren kann, die erst nach der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen wurden, weil die Eheverfehlungen für die Zerrüttung der Ehe kausal gewesen sein müssen (8 Ob 597/92 = EF 69.222; EF 63.392, 60.189, 57.138;

Pichler in Rummel2, Rz 3 zu § 49 EheG; Schwind in Klang2 I/1, 766;

Aicher in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 87).

Der Kläger beruft sich in der Revision zu Unrecht auf eine seiner Meinung nach abweichende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die offensichtlich auch das Berufungsgericht im Auge hatte. Die in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Entscheidungen (zB EF 69.223, 60.191, 54.394, 43.637) betrafen aber Fälle, in denen die Ehe zwar tiefgreifend, aber noch nicht unheilbar zerrüttet war und in denen vor allem ein Teil die Zerrüttung noch nicht als unheilbar empfand, weshalb er die Eheverfehlungen noch als ehezerstörend ansehen mußte. Dies war hier aber nicht der Fall.

Zu Unrecht nimmt der Kläger in der Revision auch auf die Rechtsprechung bezug, wonach bei einem fortgesetzten ehewidrigen Verhalten für die Einhaltung der Frist des § 57 Abs 1 EheG auf die letzte Eheverfehlung abzustellen ist (EF 63.436, 51.639, 48.812 ua). Sie gilt nur für Eheverfehlungen, die eine Einheit bilden. Dies ist der Fall, wenn die Eheverfehlungen gleichartig sind oder zwar nicht einzeln, aber in ihrer Gesamtheit eine schwere Eheverfehlung im Sinn des § 49 EheG darstellen.

Von den Eheverfehlungen, die vor dem von den Vorinstanzen angenommenen Zeitpunkt des Eintritts der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen wurden, trifft die angeführte Voraussetzung aber nur auf die Verweigerung des ehelichen Verkehrs zu. Dies geschah jedoch das letzte Mal schon im Jahr 1987, weshalb die Frist des § 57 Abs 1 EheG zur Zeit der Einbringung der Klage bereits längst abgelaufen war. Zu dem ebenfalls noch die Zeit vor Eintritt der unheilbaren Zerrüttung betreffenden Vorwurf, daß die Beklagte nicht mit dem Kläger gesprochen habe, wurde nicht festgestellt, daß der Kläger dies in den letzten Jahren gewünscht hat, weshalb es der Beklagten auch nicht als Verschulden angelastet werden kann, daß vor der Zerrüttung der Ehe zu keinem Gespräch mehr zwischen den Ehegatten kam. Das gleiche gilt auch für das vom Erstgericht festgestellte Verhalten der Streitteile, wonach sie zuletzt keinen gemeinsamen Urlaub mehr und auch sonst die Freizeit nicht mehr gemeinsam verbrachten. Auch in diesem Punkt wurde nicht festgestellt, daß der Kläger Wert darauf gelegt hat, den Urlaub oder sonst die Freizeit gemeinsam mit der Klägerin zu verbringen. Das Verhalten der Beklagten, das vor dem Zeitpunkt liegt, für den die Vorinstanzen den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe angenommen haben, bildet somit entweder keine von der Beklagten verschuldete Eheverfehlung oder kann auch nach der bezogenen Rechtsprechung wegen Fristablaufes nicht mehr als Scheidungsgrund geltend gemacht werden. Die vom Berufungsgericht als für die Zulässigkeit der Revision maßgebend angesehene Frage, ob bei fortgesetzten Eheverfehlungen die Frist spätestens mit dem Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe zu laufen beginnt, ist hier daher nicht zu entscheiden.

Auch sonst sind Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen. Die Annahme einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe setzt in erster Linie voraus, daß die seelisch-körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten subjektiv zu bestehen aufgehört hat (RZ 1990/78 mwN). Das Erstgericht stellte fest, daß die Streitteile zumindest seit 1989 nicht mehr an der Ehe festhalten wollten, woraus sich ergibt, daß sie beide seit diesem Zeitpunkt die Ehe als unheilbar zerrüttet ansahen. Im Hinblick darauf, daß schon seit Jahren keine Geschlechtsgemeinschaft mehr bestand, daß die Streitteile seit Jahren fast nicht mehr miteinander sprachen, ihre Freizeit nicht mehr gemeinsam verbrachten und daß sich die Wohngemeinschaft nur auf das Notwendigste beschränkte, kann ausgeschlossen werden, daß dem Berufungsgericht ein grober Fehler bei der Lösung der auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen nach objektiven Maßstäben zu beurteilenden Rechtsfrage (RZ 1990/78) unterlief, seit wann die Ehe auch objektiv unheilbar zerrüttet war. Da die Lösung dieser Rechtsfrage in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausgeht, wäre aber nur in einem solchen Fall die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision erfüllt (EvBl 1993/59; JUS 1993/1258; RZ 1992/50 ua). Daß der Kläger in der Revision nunmehr darzutun versucht, die Ehe sei erst nach dem Jahr 1989 unheilbar zerrüttet gewesen, ist im übrigen umso verwunderlicher, als er noch in der Klage vorbrachte, die Ehe sei bereits im Jahr 1986 unheilbar zerrüttet gewesen.

Die somit mangels der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO unzulässige Revision war deshalb gemäß § 508 a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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