OGH 2Ob37/94

OGH2Ob37/9419.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karlheinz S*****, vertreten durch Dr.Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei ***** Versicherung AG, ***** vertreten durch Dr.Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 200.000,-- S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21.Dezember 1993, GZ 3 R 225/93-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 2.Juli 1993, GZ 7 Cg 107/92-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

Das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 200.000,-- samt 4 % Zinsen seit 7.7.1989 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 45.597,60 (darin enthalten S 7.299,60 an Umsatzsteuer und 1.800,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 23.790,-- (darin enthalten S 2.265,-- an Umsatzsteuer und S 10.200,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 19.471,80 (darin enthalten S 1.245,30 an Umsatzsteuer und S 12.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 7.7.1989 durch einen bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten LKW verletzt.

Er begehrt den Zuspruch eines Schmerzengeldes von S 200.000,-- mit der Begründung, ein beim Halter des gegenständlichen Fahrzeuges als Gelegenheitsarbeiter tätiger, jedoch nicht angemeldeter Mann namens Adam, dessen nähere Daten nicht ermittelt werden konnten, habe das Fahrzeug, einen Sattelschlepper, in Betrieb genommen. Vorher habe dieser Mann mit dem Kläger gemeinsam ein Lokal besucht und dem Kläger vorgeschlagen, von diesem Lokal noch zu einer anderen Gaststätte zu fahren. Der Kläger habe wegen der zu erwartenden Schwierigkeiten den Vorschlag abgelehnt, der Mann namens Adam sei jedoch nach 10 Minuten mit dem LKW zurückgekommen und habe dem Kläger erklärt, daß ihm die Büroschlüssel des Halters des Fahrzeuges von Milotin M***** anvertraut worden und die Wagenschlüssel im Büro verwahrt gewesen seien. Der Kläger habe daraufhin den Mann namens Adam zum Zurückbringen des Fahrzeuges überreden wollen und sei auf der Beifahrerseite eingestiegen; dies in der Absicht, das Fahrzeug zurückzubringen. Adam sei jedoch nicht in das Betriebsgelände des Halters des Fahrzeuges zurückgefahren, sondern sei nach H***** gefahren. Dort habe er auf dem Parkplatz eines Gasthauses versucht, im Rückwärtsgang auf die Bundesstraße zurückzustoßen; dabei habe er sich vom Kläger einweisen lassen. Bei diesem Manöver sei ein Gartenzaun beschädigt worden. Der Kläger habe sich zur Schadensbegutachtung zwischen das Fahrzeug und den Zaun begeben. In diesem Moment habe der Lenker das Sattelfahrzeug noch etwas weiter zurückversetzt, wodurch der Kläger mit dem linken Bein unter die rechten hinteren Zwillingsräder der Sattelzugmaschine geraten und schwer verletzt worden sei. Der Fahrzeuglenker habe die Unfallsstelle fluchtartig verlassen. Der Umstand, daß dem Lenker die Schlüssel zum Büro des Fahrzeughalters übergeben wurden und die Fahrzeugschlüssel offensichtlich sorglos in diesem Büro aufbewahrt worden waren, sei dem Halter als Verschulden anzurechnen und begründe die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer dieses Fahrzeuges.

Die beklagte Partei wendete ein, der Lenker habe das Fahrzeug unbefugt und ohne den Willen des Halters in Betrieb genommen; dies sei auch dem Kläger bekannt gewesen. Es verstoße gegen Treu und Glauben und gegen die guten Sitten, wenn der Kläger nunmehr Ersatzansprüche wegen Ermöglichung einer Schwarzfahrt erhebe, obwohl ihm dies bekannt war.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von S 165.000,-- samt Zinsen statt, das Mehrbegehren auf Zahlung von S 35.000,-- sA wurde abgewiesen.

Dabei wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen.

Dem Kläger war bekannt, daß der Gelegenheitsarbeiter des Halters des Sattelschleppers nicht befugt war, diesen in Betrieb zu nehmen, und daß er zu den Fahrzeugschlüsseln nur dadurch Zugang erhalten hat, daß ihm die Büroschlüssel von einem gewissen Milotin M***** anvertraut wurden und die Fahrzeugschlüssel im Büro des Halters verwahrt waren. Als der Kläger auf dem Beifahrersitz des Fahrzeuges Platz nahm, war ihm bewußt, an einer Schwarzfahrt teilzunehmen. Vor Antritt der Fahrt hat der Kläger jedoch den ihm nur dem Vornamen Adam nach bekannten Lenker des LKW darauf hingewiesen, daß sie mit dem LKW nunmehr in das Firmengelände des Halters zurückfahren würden und er nicht daran interessiert sei, anderswo hinzufahren. Adam erklärte sich auch bereit, in das Firmengelände zurückzufahren, schlug jedoch dann den Weg dorthin nicht ein, sondern fuhr Richtung Autobahn. Der Kläger verlangte, daß ihn Adam aussteigen lasse, dieser blieb jedoch nicht stehen. Adam fuhr auf den Parkplatz des Gasthauses K***** in H*****, wo er aufgrund eines Protestes eines Hausbewohners den LKW wieder zurückstoßen wollte. Dabei stieß er gegen einen Gartenzaun. Der Kläger und Adam stiegen aus, um den Schaden zu besichtigen, wobei sich der Kläger noch zwischen LKW und Gartenzaun befand, als Adam wieder in den LKW einstieg, mit diesem wegfuhr und dabei über den Fuß des Klägers fuhr. Der Kläger wurde dadurch verletzt.

In rechtlicher Hinsicht qualifizierte das Erstgericht die Mitfahrt des Klägers nicht als Teilnahme an einer Schwarzfahrt, weil der Kläger nur deshalb in das Fahrzeug einstieg, um es gemeinsam mit dem Fahrer zum Halter zurückzubringen; diese Vorgangsweise sei vor Antritt der Fahrt vereinbart worden. Es könne dem Kläger die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung als Teilnehmer einer Schwarzfahrt nicht entgegengehalten werden, sodaß die beklagte Partei als Haftpflichtversicherer des LKW gemäß § 63 KFG schadenersatzpflichtig sei. Ein Mitverschulden des Klägers wurde verneint.

Der Höhe nach erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld in der Höhe von S 165.000,-- als angemessen.

Das von der beklagten Partei hinsichtlich des klagsstattgebenden Teiles dieser Entscheidung angerufene Berufungsgericht bestätigte das Urteil und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Das Berufungsgericht verwies in rechtlicher Hinsicht darauf, daß die nunmehr vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht der vom Gericht zweiter Instanz im Aufhebungsbeschluß vom 28.4.1992 dargelegten Meinung entspreche, so daß die Berufung nicht berechtigt sei.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil es zur Frage, ob Rechtsmißbrauch auch dann vorliegt, wenn zwischen Verletztem und Fahrer vereinbart wurde, das Fahrzeug zum Halter zurückzubringen, an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt, so daß die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO gegeben sind. Die Revision ist auch berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, dem Kläger sei unzulässige Rechtsausübung vorzuwerfen, so daß schon allein aus diesem Grunde das Klagebegehren abzuweisen sei.

Diese Ansicht ist grundsätzlich zutreffend:

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ZVR 1962/22; ZVR 1983/201; SZ 53/151; zuletzt ZVR 1992/69) ist das gegen den Halter gerichtete Begehren eines bei einer Schwarzfahrt verletzten Fahrzeuginsassen rechtsmißbräuchlich, wenn dem Verletzten die Tatsache der unberechtigten Inbetriebnahme durch den Lenker bekannt war. Diese Rechtsprechung entspricht im Ergebnis auch der Lehre (Koziol, Haftpflichtrecht II2 538 FN 162; Reischauer in Rummel2, RZ 59 zu § 1295), wobei es dahingestellt bleiben kann, ob der Ersatz mit der Begründung verweigert wird, es liege unzulässige Rechtsausübung vor (so die Rechtsprechung) oder man den Anspruch deshalb verneint, weil echtes Handeln auf eigene Gefahr vorliegt (so die zitierte Lehre, weiters auch Hans Stoll, Handeln auf eigene Gefahr, 53 f).

Im vorliegenden Fall war sich nun der Kläger dessen bewußt, daß der Lenker das Fahrzeug unberechtigt in Betrieb genommen hatte; wenn er sich dessen ungeachtet auf die Schwarzfahrt eingelassen hat, so handelte er auf eigene Gefahr. Daß er mit dem Lenker vereinbart hatte, das Fahrzeug zum Halter zurückzubringen, ändert nichts daran, daß er das Bewußtsein hatte, an einer Schwarzfahrt teilzunehmen. Die zwischen dem Schwarzfahrer und dem in Kenntnis dieses Umstandes mitfahrenden Kläger getroffene Vereinbarung, den Wagen zum Halter zurückzubringen, vermag nicht eine Haftung des Halters bzw der Haftpflichtversicherung zu begründen, diese Vereinbarung ändert nichts daran, daß dem Verletzten die Tatsache der unberechtigten Inbetriebnahme durch den Lenker bekannt war.

Es war sohin in Stattgebung der Revision der beklagten Partei das Klagebegehren abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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