OGH 13Os61/94

OGH13Os61/9411.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Czedik-Eysenberg als Schriftführer in der bei dem Landesgericht Wiener Neustadt zum AZ 12 b Vr 271/93, Hv 113/93 anhängigen Strafsache gegen Johann A***** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG, § 15 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 14.Februar 1994, AZ 23 Bs 62/94 (12 b Vr 271/93-68 des Landesgerichtes Wiener Neustadt) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Johann A***** wurde mit dem - zufolge Anfechtung durch den Angeklagten und die Staatsanwaltschaft - noch nicht rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wr.Neustadt vom 11.Jänner 1994 (ON 52) wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und § 15 StGB zu einer (nach der Vorhaftanrechnung bereits verbüßten) zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig widerrief der Schöffensenat die bedingte Nachsicht der dreimonatigen Freiheitsstrafe aus einer Vorverurteilung.

Mit Beschluß vom 20.Jänner (ON 57; Ausfertigung datiert mit 24. Jänner, ON 59) 1994 gab der Vorsitzende des Schöffengerichtes dem mit der Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß verbundenen Enthaftungsantrag des Angeklagten nach Durchführung einer Haftverhandlung nicht Folge und erachtete den (nicht näher spezifizierten) Haftgrund der Tatbegehungsgefahr weiterhin als gegeben.

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten wies der Oberste Gerichtshof - mangels Erschöpfung des Instanzenzuges - am 10. Februar 1994 (12 Os 14/94, ON 64) zurück.

Am 11.Februar 1994 wurde der Angeklagte über Antrag des Staatsanwaltes durch den Vorsitzenden des Schöffengerichtes enthaftet. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den vorgenannten Beschluß des Vorsitzenden vom 20.Jänner 1994 wies das Oberlandesgericht am 14.Februar 1994 im Hinblick auf die zwischenzeitige Enthaftung zurück (ON 68).

Die neuerliche Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten (Postaufgabe am 8. März 1994) richtet sich gegen diese Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes, in eventu gegen den schon in der ersten Grundrechtsbeschwerde bekämpften Beschluß des Vorsitzenden des Schöffensenates vom 20.Jänner 1994. Der Beschwerdeführer meint, daß die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Untersuchungshaft bereits zur Zeit der Urteilsfällung am 11.Jänner 1994 nicht mehr vorgelegen seien und er schon damals zu enthaften gewesen wäre. Das Oberlandesgericht hätte daher sofort nach der Aktenvorlage (Eingangsdatum 10.Februar 1994, ON 63) den Beschwerdeführer enthaften und die durch die Haftfortsetzung über die Urteilsfällung hinaus begründete Gesetzesverletzung in analoger Anwendung des § 113 Abs 2 StPO feststellen müssen. Den angefochtenen Beschluß habe das Oberlandesgericht verspätet getroffen (§ 2 Abs 2 GRBG).

Die Grundrechtsbeschwerde erweist sich als unzulässig.

Gemäß § 1 GRBG steht dem Betroffenen dann eine Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu, wenn er durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung nach Erschöpfung des Instanzenzuges in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt ist. Nach § 2 dieses Gesetzes liegt eine Grundrechtsverletzung dann vor, wenn in den (demonstrativ) aufgezählten Fällen oder auch sonst bei einer Festnahme oder Anhaltung das Gesetz unrichtig angewendet (Abs 1) oder wenn die eine Freiheitsbeschränkung beendende gerichtliche Entscheidung oder Verfügung zu spät getroffen wurde (Abs 2).

Daraus folgt, daß Beschwerdegegenstand nur ein richterlicher Akt sein kann, der für eine Freiheitsbeschränkung oder Anhaltung ursächlich war (13 Os 129/93 mit weiteren Judikaturhinweisen), und sei es auch nur in der Weise, daß er als die Freiheitsentziehung beendender solcher Akt zu spät getroffen wurde.

Der angefochtene Beschluß des Oberlandesgerichtes, womit weder über die Einleitung oder Fortsetzung einer Freiheitsentziehung erkannt noch eine solche beendet wurde, vielmehr zu diesem Zeitpunkt der Beschwerdeführer bereits enthaftet war, ist keine solche Entscheidung. Mit seiner Zurückweisung der gegenstandslos gewordenen Beschwerde war das Oberlandesgericht aber auch im Recht, weil infolge der zwischenzeitigen Enthaftung das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers weggefallen war. Der für die Ratskammer bei gegenstandslos gewordenen Beschwerden gebotene Ausspruch nach § 113 Abs 2 StPO nämlich, daß durch den angefochtenen Beschluß oder Vorgang das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet worden sei, ist im Beschwerdeverfahren in Haftsachen vor dem Oberlandesgericht nicht vorgesehen; abgesehen davon könnte das Fehlen eines solchen Ausspruchs allein das Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzen.

Gegenstand einer auf § 2 Abs 2 GRBG gestützten Grundrechtsbeschwerde hätte im vorliegenden Fall allenfalls die Enthaftungsverfügung des Vorsitzenden des Schöffengerichtes sein können, mit der Behauptung, daß sie zu spät getroffen worden sei. Denn mit dieser war für den Beschwerdeführer, der damit die angestrebte Enthaftung erreicht hatte, infolge Wegfalls des Rechtsschutzinteresses der Instanzenzug ausgeschöpft (vgl dazu 852 BlgNR 18.GP, 4). Die Enthaftungsverfügung wird aber nach dem Inhalt der vorliegenden Grundrechtsbeschwerde, die im übrigen diesbezüglich auch verspätet wäre, vom Beschwerdeführer gar nicht bekämpft.

Was die vom Beschwerdeführer noch angefochtene Entscheidung des Vorsitzenden des Schöffengerichtes vom 20.Jänner 1994 betrifft, hat darüber bereits früher der Oberste Gerichtshof (zu 12 Os 14/94) befunden.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der nicht näher ausgeführten Stellungnahme der Generalprokuratur als unzulässig zurückzuweisen.

Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG der Ausspruch über den beantragten Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.

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