OGH 15Os46/94

OGH15Os46/945.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Czedik‑Eysenberg als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hermann B* wegen Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB (Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 10.Dezember 1993, GZ 32 Vr 1044/93‑49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Jerabek und des Verteidigers Dr.Dirnberger, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00046.940000.0505.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen ergangenen Urteil wurde Hermann B* in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil er am 3.Mai 1993 in Linz unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit (von höherem Grad) beruht, dadurch daß er ein geöffnetes Klappmesser mit einer Klingenlänge von 7 cm gegen den Oberkörper der Herta W* richtete und dabei sagte: "Gib mir sofort 20 S", somit durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, der Herta W* fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abzunötigen versuchte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Tat unter Verwendung einer Waffe verübte, und sohin eine Tat beging, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB zuzurechnen gewesen wäre.

Die Geschworenen haben die in Richtung des Verbrechens des versuchten schweren Raubes gestellte Hauptfrage ebenso wie die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) des Täters zur Tatzeit bejaht und die Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) verneint. Die Eventualfrage nach dem Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs 1 und Abs 2 StGB) blieb demnach unbeantwortet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, in welcher er eine Unvollständigkeit der den Geschworenen erteilten Rechtsbelehrung behauptet, weil darin die Rechtsfigur des sogenannten unbeendeten Versuches unerörtert geblieben sei; wären die Geschworenen aber (auch) darüber belehrt worden, daß bereits die freiwillige Aufgabe einer weiteren ihm möglichen Ausführungshandlung strafbefreiend wirke, hätte dies zur Bejahung der Zusatzfrage (nach Rücktritt vom Versuch) geführt.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu, weil dem Beschwerdeführer nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung keineswegs ein bloß unbeendeter Versuch zur Last liegt: ein Versuch ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung nämlich bereits beendet, wenn es tatplangemäß keiner weiteren Handlung des Täters zur Herbeiführung des angestrebten Erfolges mehr bedarf (EvBl 1981/77; RZ 1980/66); dies war hier der Fall, hat doch der Beschwerdeführer das Nötigungsmittel der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (durch Vorhalten eines geöffneten Klappmessers) bereits zum Einsatz gebracht und somit alles unternommen, was seiner Vorstellung entsprechend unter dem Gesichtspunkt dieser Begehungsform des Raubes zur Tatvollendung notwendig war, sodaß es der von ihm geforderten "möglichen weiteren Ausführungshandlungen, nämlich etwa nachdrücklicher Drohungen" nicht mehr bedurfte. Ein Verzicht des Täters auf weitere ihm zur Verfügung stehende Mittel zur Herbeiführung des Erfolges ändert daran nichts. Für die Annahme eines bloß unbeendeten Versuches, der dann gegeben wäre, wenn es zur Erfolgsherbeiführung noch weiterer Tathandlungen bedarf, bleibt sohin kein Raum, sodaß sich auch eine Belehrung der Geschworenen über diese hier gar nicht aktuelle Form des Versuches erübrigte. Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, daß die den Geschworenen gestellte Zusatzfrage (Zahl 2 des Fragenschemas) nach ihrem Wortlaut ("Hat Hermann B* die Ausführung der zur Hauptfrage 1 angeführten Tat freiwillig aufgegeben?") auf den ‑ wie bereits dargelegt, hier gar nicht in Betracht kommenden ‑ Fall eines unbeendeten Versuchs abstellt. Eine solche Fragestellung war aber nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung überhaupt nicht indiziert, sodaß sich die vom Beschwerdeführer gerügte Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung mangels Aktualität eines (bloß) unbeendeten Versuchs keinesfalls zu seinem Nachteil auswirken konnte. Denn eine unrichtige (oder, wie hier in der Nichtigkeitsbeschwerde behauptet, infolge Unvollständigkeit einer unrichtigen gleichkommenden) Rechtsbelehrung zu einer gar nicht indizierten und von den Geschworenen verneinten Zusatzfrage ist letztlich für die Entscheidung unerheblich, weil in einem solchen Fall von vornherein eine ‑ auch nur in abstracto denkbare ‑ Benachteiligung des Beschwerdeführers ausscheidet (vgl Mayerhofer‑Rieder, StPO3, II/2, Nr 7 und 8 zu § 345 Abs 1 Z 8 StPO). In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, daß im übrigen nach den Verfahrensergebnissen der Hauptverhandlung auch jegliches Tatsachensubstrat für die Aufnahme einer Zusatzfrage nach (freiwilligem) Rücktritt vom beendeten Versuch (§ 16 Abs 1 letzter Fall StGB) in das Fragenschema fehlt, weil sich nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer um eine (freiwillige) Erfolgsabwendung bemüht war, finden. Nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung kam somit keiner der in § 16 Abs 1 StGB angeführten Fälle eines Rücktritts vom Versuch in Betracht, sodaß eine Fragestellung in diese Richtung (vgl § 313 StPO) überhaupt verfehlt war.

Soweit der Betroffene in seiner Rechtsmittelschrift ‑ wenngleich im Rahmen der Berufung ‑ wegen seines mangelnden Verschuldens (seiner Zurechnungsunfähigkeit) einen Freispruch und ein Absehen von der Einweisung fordert und damit der Sache nach einen Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 11 lit a StPO reklamiert, genügt es darauf hinzuweisen, daß gerade die mangelnde Zurechnungsfähigkeit eine der Voraussetzungen der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ist (Leukauf‑Steininger Komm3 § 21 RN 4, 5; Pallin im WK § 21 Rz 1 bis 3).

Die Berufung des Betroffenen war zurückzuweisen.

Nach Urteilsverkündung erklärten er und seine Sachwalterin, Bedenkzeit zu nehmen (S 236). In der rechtzeitigen Rechtsmittelanmeldung des Betroffenen wurde ausschließlich die Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet (S 293, 295); die zur Erhebung von Rechtsmitteln legitimierte Sachwalterin (15 Os 16/90, 15 Os 62/90) brachte keine Rechsmittelanmeldung ein. In der Rechtsmittelschrift des Betroffenen vom 7.März 1994 wurde sodann auch eine die angenommene Befürchtung seiner weiteren Gefährlichkeit (mit der oben bezeichneten Ausnahme) bekämpfende Berufung ausgeführt. Diese Berufung ist verspätet und war deshalb zurückzuweisen (§ 294 Abs 4 StPO).

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