OGH 15Os16/90

OGH15Os16/9013.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.März 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl C*** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Sachwalterin des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.November 1989, GZ 8 d Vr 8247/89-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der (voll geständige) Angeklagte Karl C*** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Nach Urteilsverkündung hat er auf Rechtsmittel verzichtet und um Übernahme in den Strafvollzug ersucht (S 213). Demgegenüber hat die für ihn mit der Besorgung aller Angelegenheiten gemäß § 273 Abs. 3 Z 3 ABGB (ON 60) bestellte Sachwalterin binnen drei Tagen nach Verkündung des Urteils Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet und später diese Rechtsmittel auch fristgerecht ausgeführt.

Gemäß § 282 ABGB sind unter anderem, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Bestimmungen für den Vormund auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters maßgebend. Dem Vormund stehen gemäß § 282 Abs. 1 StPO die Nichtigkeitsbeschwerde und gemäß § 283 Abs. 2 StPO auch die Berufung zugunsten des Angeklagten zu; gegen seinen Willen aber nur im Falle der Minderjährigkeit. Ein Behinderter steht bei Bestellung eines Sachwalters nach § 273 Abs. 3 Z 3 ABGB einem unmündigen Minderjährigen gleich (siehe Koziol-Welser, Bürgerliches Recht I8 S 55).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Sachwalterin ist daher zulässig, die von ihr geltend gemachten Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 5 a StPO sind jedoch nicht gegeben.

Zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten wurde das Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie eingeholt. Der weitere Antrag, hiezu zusätzlich auch ein psychologisches Gutachten einzuholen, wurde abgewiesen. Die Verfahrensrüge, in welcher dieser Umstand erneut aufgegriffen wird, ist nicht zielführend. Gemäß § 134 Abs. 1 StPO hat eine derartige Untersuchung durch einen Arzt zu erfolgen; ein zweiter Arzt wäre nur bei Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung erforderlich gewesen (§ 118 Abs. 2 StPO), hiefür bietet jedoch der vorliegende Fall nicht den geringsten Anlaß. Durch die Abweisung des Antrages auf Beiziehung eines Psychologen ist der Angeklagte in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt worden, zumal eine solche - zur Frage der Zurechnungsfähigkeit - im Gesetz gar nicht vorgesehen ist. Eine etwaige Notlage des Angeklagten ist angesichts der Herausnahme des Einbruchsdiebstahls (§ 129 StGB) aus der Entwendungsbestimmung des § 141 StGB schon deshalb unbeachtlich und - entgegen der Mängelrüge - daher auch nicht erörterungsbedürftig gewesen. Einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil, zu dessen Abwendung der gegenständliche Diebstahl (von 20 Billiguhren) durch Einbruch gedient hätte, hat der Angeklagte im Verfahren nie behauptet, insbesondere hat er - entgegen dem Wortlaut der Beschwerde - auch nicht um sein "nacktes Überleben" bei Begehung der Tat "gekämpft". Daß er zur Tatzeit "großen Hunger" gehabt hätte, "hilflos" gewesen sei, "er in unserer Wohlstandsgesellschaft verhungert wäre" und daß er auf Grund "seiner Verstandesschwäche und Hilflosigkeit keinen anderen Ausweg" als die Begehung seiner Straftat gesehen hätte, hat der Angeklagte in dieser Form nie behauptet (S 21, 171, 209 f). Eine Erörterung und Berücksichtigung dieser Umstände unterblieb daher zu Recht im Urteil (siehe § 258 Abs. 1 StPO); als unzulässige Neuerungen im Rechtsmittelverfahren sind sie aber auch jetzt einer sachbezogenen Antwort entzogen.

Sieht man demgemäß von diesen Ausführungen in der Beschwerde ab, erweist sich auch der Vorwurf eines diesbezüglichen Begründungsmangels (Z 5) als gegenstandslos. Die ärztliche Befundung und Begutachtung hat aus medizinischer Sicht keinen Anhaltspunkt zur Annahme, daß der Angeklagte zur Zeit der Tat zurechnungsunfähig gewesen wäre, ergeben. Wenn die Tatrichter daher unter Berücksichtigung des Gutachtens sowie des vollen Geständnisses des Angeklagten und seiner zahlreichen Vorstrafen dessen Zurechnungsunfähigkeit verneint haben, handelt es sich dabei um einen Akt pflichtgemäßer Beweiswürdigung im Rahmen des § 258 Abs. 2 StPO. Wenn in der Beschwerde unter Bezugnahme auf weitgehend dieselben Beweismittel erneut Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten releviert werden, stellt dies demnach nur eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar; daraus aber sowie aus den gesamten Akten ergeben sich auch sonst keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5 a). Die Nichtigkeitsbeschwerde war demgemäß als unbegründet in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO). Damit hat gemäß § 285 i StPO über die Berufung das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat gemäß § 390 a Abs. 1 StPO der nach § 389 StPO zum Kostenersatz Verpflichtete, im vorliegenden Fall somit der Angeklagte zu ersetzen, auch wenn nicht dieser selbst, sondern sein Sachwalter das Rechtsmittel ergriffen hat (vgl ÖJZ-LSK 1978/178).

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