OGH 15Os11/94

OGH15Os11/9421.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag.Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gründl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hasan Basri K* wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 3 Z 3 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. August 1993, GZ 6 b Vr 7608/92‑101, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß, des Angeklagten K* und der Verteidigerin Dr. Kolbitsch zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00011.9400000.0421.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem bekämpften Urteil wurde Hasan Basri K* des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift, nämlich Heroin, durch Veräußerung an nachgenannte Personen in einer Menge, welche die im § 12 Abs 1 SGG genannte "bei weitem um das 25‑fache übersteigt", in Verkehr gesetzt, und zwar

1./ in der Zeit zwischen Sommer 1990 und Ende Sommer 1991 durch Verkauf von insgesamt 400 Gramm an den abgesondert verfolgten Johannes M*

2./ im Zeitraum zwischen Frühjahr 1991 und September 1991 durch Verkauf von insgesamt 260 Gramm an den abgesondert verfolgten Gerald R*

3./ im Herbst 1991 (richtig: 1990 laut S 441/II, 92/III) durch wiederholten Verkauf von insgesamt 30 Gramm an den abgesondert verfolgten Helmut F* sowie

4./ im Sommer 1991 durch Verkauf von insgesamt 150 Gramm an den abgesondert verfolgten Siegfried K*.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5, 8 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) das Urteil als undeutlich und unvollständig begründet erachtet, weil das Erstgericht den belastenden Angaben der Zeugen R* und K* Glauben schenkte (US 7, 8), nicht jedoch jenen der den leugnenden Angeklagten (in der Hauptverhandlung) entlastenden weiteren Zeugen und letztere als "offenbar beeinflußt" bezeichnet (US 10), übergeht sie die ausführliche tatrichterliche Würdigung der Aussagen der (sich letztlich auch selbst belastenden) Zeugen R* und K* und jene Argumente des Erstgerichtes, mit welchen das Unvermögen einzelner Zeugen hervorgehoben wird, Widersprüche ihrer Aussagen in der Hauptverhandlung zu früheren ‑ belastenden ‑ Angaben auf nachvollziehbare Weise aufzuklären (US 8 letzter Absatz bis 10 2.Absatz). Die Rüge zeigt mit ihrer Argumentation keinen formalen Begründungsmangel im Sinn des angerufenen Nichtigkeitsgrundes auf; ihr Vorbringen läuft vielmehr im Ergebnis auf eine unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung hinaus.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen bedurfte es keiner näheren Erörterung des Umstandes, ob und in welcher Weise auf jeden einzelnen Zeugen eingewirkt worden sei, weil Kern der erstgerichtlichen Argumentation die Würdigung der Aussagen der zuletzt bezeichneten Zeugen als unter psychischem Druck unternommene Versuche wahrheitswidriger Entlastung ist, deren Wertung nicht nur in der Aussage des Zeugen R* über eine gegen ihn geäußerte Drohung (S 206/III), sondern auch in den Bekundungen des Zeugen K* in der Hauptverhandlung eine hinreichende aktenmäßige Grundlage findet. Letzterer Zeuge hat zwar verneint, aus dem Umfeld des Angeklagten bedroht worden zu sein, aber sogleich hinzugefügt, er wolle nicht, daß seine Adresse öffentlich verlesen werde (S 211/III unten). Diese vom Erstgericht lebensnah gewürdigte Zusatzbemerkung des Zeugen K* übergeht der Beschwerdeführer überdies bei seinem Einwand, das Erstgericht habe eine mit den Denkgesetzen nicht zu vereinbarende Schlußfolgerung aus der Aussage des Zeugen "R*" (gemeint wohl: K*) gezogen; insofern mangelt es an der Befassung mit der gesamten in diesem Zusammenhang maßgeblichen Urteilsbegründung.

Auch der Vorwurf, das Erstgericht habe eine Bezeichnung jener konkreten Ergebnisse (Abhörprotokollstellen) der Telefonüberwachung unterlassen, auf die es die zu Lasten des Angeklagten getroffene Annahme stützte, geht fehl, finden doch die bezüglichen Urteilsfeststellungen (der "massive Heroinhandel", US 11) in den als glaubwürdig beurteilten Zeugenaussagen ihre Deckung, sodaß es in den Ergebnissen der Telefonüberwachung nur eine zusätzliche Stütze sah, weshalb dem vom Nichtigkeitswerber behaupteten Mangel keine Relevanz zukommt.

Eine Anklageüberschreitung (Z 8) erblickt der Beschwerdeführer im Schuldspruch Punkt 3./, welcher (auch den Urteilsfeststellungen US 6 vorletzter Absatz zufolge) den wiederholten Verkauf von insgesamt zumindest 30 Gramm Heroin an Helmut F* im Herbst 1991 in Wien annimmt. An sich zutreffend weist er darauf hin, daß nach dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 2.Dezember 1992 die Ausdehnung der gegen ihn erhobenen Anklage, Heroin in übergroßer Menge in Verkehr gesetzt zu haben (ON 49/II), durch Einfügung des Anklagepunktes 3./ mit dem Wortlaut "im Herbst 1990 bei wiederholten Übergaben zumindest 30 Gramm" erfolgte (S 90/III). Seiner Behauptung, diese Anklageausdehnung lasse mangels ausreichender Spezifikation keinen Bezug auf eine bestimmte (prozeßgegenständliche) Tat erkennen und könne schon im Hinblick auf die unterschiedliche Angabe der Tatzeit nicht das Urteilsfaktum 3./ betroffen haben, kann jedoch nicht gefolgt werden: Ungeachtet der Unterlassung einer ‑ rechtlich gar nicht relevanten ‑ Bezeichnung des Suchtgiftabnehmers bei der Anklageausdehnung stand schon auf Grund der (weitgehenden) mengen‑, aber auch der tatzeitmäßigen Übereinstimmung fest, daß es sich nur um jene ‑ auch vom Ausdehnungsvorbehalt S 415/II erfaßten ‑ Suchtgiftverkäufe des Angeklagten an Helmut F* handelte, bei welchen vom Angeklagten laut Nachtragsanzeige (S 441/II) von September bis Oktober 1990 - die Jahresangabe "1991" durch Helmut F* (S 453/II unten) ist, wie sich aus der Chronologie seiner Tatschilderungen, namentlich über die im Dezember 1990 erfolgte Weigerung des Angeklagten, ihm weiter direkt Heroin zu liefern (S 455/II) und insbesondere bei Berücksichtigung der Haft des Angeklagten seit 16.Oktober 1991 ergibt, ein offenkundiges Versehen oder ein Schreibfehler ‑ ca. 20 bis 30 Gramm Heroin und von November bis Dezember 1990 ca. 20 Gramm Heroin vertrieben wurden. Trotz der im Urteil (wohl im Hinblick auf die oben erwähnte unrichtige Tatzeitangabe des Zeugen F* im Polizeiprotokoll S 453/II) erfolgten Bezeichnung der Tatzeit mit "Herbst 1991" ist sohin auf Grund der Nennung des Suchtgiftabnehmers und des Ausmaßes der vertriebenen Mindestmenge an Heroin die Identität der Urteilstat 3./ mit der die Fakten F* der Nachtragsanzeige betreffenden Anklagetat 3./ mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar; unter diesen Umständen hat die Bezeichnung der Tatzeit nicht den Charakter eines Identitätsmerkmals (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 8 E 10 a). Eine neuerliche Verurteilung wegen dieser Tat erscheint jedenfalls ausgeschlossen.

Im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 10) macht der Beschwerdeführer geltend, aus den Feststellungen könne nicht mit der notwenigen Sicherheit geschlossen werden, um das Wievielfache die sogenannte "Grenzmenge" (große Menge im Sinne des § 12 Abs 1 SGG) überschritten worden sei. Dabei übersieht er, daß das Erstgericht von einem Gesamtausmaß der in Verkehr gesetzten Heroinmengen ausging, welche die ‑ an Reinsubstanz nach ständiger Judikatur (Mayerhofer‑Rieder Nebenstrafrecht3 § 12 SGG E 10) nicht höher als mit 1,5 Gramm anzunehmende ‑ große Menge (§ 12 Abs 1 SGG) Heroin "bei weitem um das 25‑fache" überstieg (US 2 unten iVm AS 12 drittem und fünften Absatz). Eine genaue Feststellung des die "übergroße" Menge (§ 12 Abs 3 Z 3 SGG) noch übersteigenden Suchtgiftquantums ist weder für die rechtliche Unterstellung der Tat noch für den anzuwendenden Strafsatz von Belang (vgl ÖJZ‑LSK 1982/184 zu § 12 Abs 1 SGG).

Da die Beurteilung einer Heroinmenge als groß (§ 12 Abs 1 SGG) und "übergroß" (Abs 3 Z 3 leg.cit .) vom Gehalt an Reinsubstanz (Diacetylmorphin) abhängt, sind zwar ‑ insbesondere im Hinblick auf den nach der Gerichtserfahrung häufigen Vertrieb "gestreckten" Heroins (10 Os 12/86, 14 Os 83/89) ‑ bei einer Aktenlage, welche vor allem angesichts der Größe der tatverfangenen Menge realistische Zweifel an der Überschreitung des maßgeblichen Quantums an Reinsubstanz zuläßt, genaue Feststellungen über den Reinheitsgrad des Suchtgiftes geboten. Nicht indiziert sind derartige Feststellungen allerdings in Ansehung solcher Suchtgiftmengen, bei welchen ‑ insbesondere unter Berücksichtigung der Gerichtserfahrung hinsichtlich des im illegalen Suchtgifthandel noch akzeptierten Verdünnungsverhältnisses ‑ von vornherein derartige Zweifel auszuschließen sind (Mayerhofer‑Rieder Nebenstrafrecht3 § 12 SGG E 14). Ein solcher Fall liegt hier vor, wäre doch eine übergroße Menge Diacetylmorphin, nämlich mehr als 37,5 Gramm dieser Reinsubstanz, in der Gesamtmenge von 840 Gramm schon bei Annahme eines Reingehaltes von (nur) rund 4,5 % enthalten. Eine derart ungewöhnliche Verdünnung braucht angesichts der üblichen beim Heroinhandel vorkommenden Konzentrationen nicht in Betracht gezogen zu werden; dies fallbezogen umsoweniger, als die beim Angeklagten sichergestellte Menge einen Gehalt von rund 32 % an Diacetylmorphinbase aufweist (S 129/III) und der drogenabhängige Siegfried K* den Urteilsfeststellungen zufolge mit dem Angeklagten gerade wegen der minderen Qualität des vom bisherigen Lieferanten angebotenen Heroins Kontakt aufnahm (S 103 unten und verso in ON 98/III; vgl überdies die Angaben des Zeugen Gerald R* S 85/II über die "sehr gute Qualität" des beim Angeklagten erworbenen Heroins).

Angesichts des Umfanges der vom Beschwerdeführer vertriebenen Heroinmenge reichen aber auch die zur subjektiven Tatseite des § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG getroffenen Urteilsfeststellungen, wonach die "Übermenge" in seinen Tatplan einbezogen war (US 12), als Tatsachengrundlage des Schuldspruches (auch hinsichtlich der Qualifikation) hin, ohne daß es einer zusätzlichen Feststellung darüber bedurft hätte, welche exakte Vorstellung er vom Reinheitsgrad des verhandelten Heroins hatte.

Nicht nachvollziehbar ist letztlich der Rechtsmittelantrag, "nach § 288 a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten". Denn der Nichtigkeitsgrund des § 281 a StPO (Entscheidung eines unzuständigen Oberlandesgerichtes über einen Anklageeinspruch oder eine Versetzung in den Anklagestand), auf den § 288 a StPO abstellt, konnte im vorliegenden Verfahren, in welchem ein Oberlandesgericht gar nicht angerufen wurde, von vornherein nicht verwirklicht worden sein.

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen; dies auch unter Bedachtnahme auf die zur Stellungnahme der Generalprokuratur erstattete Äußerung des Angeklagten, die (erneut) daran vorbeigeht, daß der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO der Bekämpfung formaler Begründungsmängel dient und Voraussetzung einer erfolgreichen Mängel‑ oder Rechtsrüge ist, daß sie entscheidende Tatsachen in bezug auf das anzuwendende Strafgesetz oder den anzuwendenden Strafsatz betrifft.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs 3 SGG eine sechsjährige Freiheitsstrafe und gemäß § 13 Abs 2 SGG eine Wertersatzstrafe von 840.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit acht Monate Freiheitsstrafe. Dabei wertete es als erschwerend die selbst die "Übermenge" weit übersteigende Menge einer "harten" Droge, das Handeln aus reiner Gewinnsucht, ohne selbst süchtig zu sein, den längeren Tatzeitraum sowie den raschen Rückfall nach einer wenn auch nicht einschlägigen Vorstrafe; als mildernd keinen Umstand.

Nur gegen den Ausspruch der Freiheitsstrafe richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft, die eine Erhöhung der Freiheitsstrafe, und des Angeklagten, der eine Strafreduktion anstrebt.

Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe vollständig erfaßt und richtig bewertet.

Entgegen den Berufungsbehauptungen des Angeklagten hat es zutreffend den Umstand berücksichtigt, daß die Schuld eines ausschließlich aus Gewinnsucht ‑ somit zumindest hart an der Grenze der vom Erstgericht nicht angenommenen Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 12 Abs 2 SGG ‑ agierenden Suchtgifthändlers entsprechend schwer wiegt (vgl. 12 Os 96/8614 Os 165/89). Die nicht einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten hinwieder wurden vom Schöffengericht ohnedies nicht als erschwerend gewertet, sie hindern allerdings die Annahme eines ordentlichen Lebenswandels im Sinn des § 34 Z 2 StGB (Kunst im WK § 34 Rz 12 und 14; Leukauf‑Steininger Komm3 § 34 RN 7).

Unter Bedachtnahme auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe des § 32 StGB ist bei dem im vorliegenden Fall von einem bis fünfzehn Jahren reichenden Strafrahmen auch ‑ entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft, die in ihrer Berufung keine zusätzlichen, einen weiteren Erschwerungsgrund darstellende Umstände, darzulegen vermag ‑ unter Berücksichtigung der besonders großen Menge des überaus gefährlichen Suchtgiftes Heroin die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe sowohl dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen als auch dem Verschuldensgrad entsprechend und nimmt ebenso auf die bei Suchtgiftdelikten mit in Betracht zu ziehenden Belange der Generalprävention gebührend Bedacht.

Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen.

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