OGH 14Os83/89

OGH14Os83/895.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juli 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Hörburger, Dr.Reisenleitner und Dr.Lachner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sanda als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dieter B*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. Februar 1989, GZ 6 a Vr 9256/88-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1. November 1957 geborene Dieter B*** (A) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und (B) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider

(zu A) in der Zeit von Mitte August bis zum 22. September 1988 durch den Verkauf von zumindest 5 Gramm Heroin an den abgesondert verfolgten Franz T*** Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, und

(zu B) während ca. Sommer 1988 bis zum 5. November 1988 wiederholt Suchtgift, nämlich Haschisch und Heroin, erworben und besessen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte nach seiner am 29. November 1986 (nach Verbüßung einer zweijährigen Freiheitsstrafe) erfolgten Haftentlassung spätestens ab Sommer 1988 bis kurz vor seiner (am 5. November 1988 erfolgten) Verhaftung in diesem Verfahren wieder Suchtgift, nämlich "Haschisch und Heroin, zu konsumieren begonnen". Heroin in geringen Mengen wurde dem Angeklagten zunächst von Franz T*** zur Verfügung gestellt. In der Zeit von Mitte August bis 22. September 1988 jedoch hat der Angeklagte dem Franz T*** "in mehreren Übergaben" insgesamt 5 Gramm - aus einer nicht mehr feststellbaren Quelle stammendes - Heroin überlassen, wobei es anläßlich der Übergabe des Heroins auch vorkam, daß beide gemeinsam Suchtgift konsumierten. Diese Feststellungen stütze das Schöffengericht auf die Zeugenaussage des abgesondert verfolgten Franz T***, wodurch es die (leugnende) Verantwortung des Angeklagten (vgl. S 173, 211 verso, 491 f, 496/I), er habe seit der letzten Haftentlassung (am 29. November 1986) kein Suchtgift (Heroin) genommen, sondern lediglich ab und zu (das Hustensedativum) "Paracodin" bzw. Mohnkapseltee konsumiert, für widerlegt erachtete.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Berechtigung kommt bereits der Mängelrüge (Z 5) zu, insofern sie dem Ersturteil unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen bzw. unzureichenden Begründung vorwirft, daß es die Widersprüche in der Aussage des Zeugen T*** unerörtert lasse, sich mit deren Unstimmigkeiten im Verhältnis zu anderen Verfahrensergebnissen ebensowenig auseinandergesetzt habe wie mit den Angaben der Zeugen Andrea R***, Jürgen C*** und Ilka G*** und auch keinen Aufschluß über den Wirkstoffgehalt des dem Schuldspruch nach § 12 Abs. 1 SGG zu Grunde gelegten Heroins enthalte.

Tatsächlich weist die Aussage des - seit Jahren heroinabhängigen und nach dem Suchtgiftgesetz mehrfach vorbestraften (vgl. S 6, 41 f, 494 ff/I und US 6) - Zeugen T***, der zunächst seine Angaben über die Menge des vom Angeklagten erhaltenen Heroins von 15 Gramm (vgl. S 42/I) auf 5 Gramm einschränken mußte (S 495, 496/I), auch insofern einen unerörtert gebliebenen Widerspruch auf, als der Zeuge bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung im Gegensatz zu seinen Angaben vor der Polizei letztlich die Übergabe von Heroin seinerseits an den Angeklagten überhaupt verneint hat (S 497/I). Bei dieser Sachlage durfte sich das Schöffengericht - welches (auch) die Übergabe von Heroin seitens des Zeugen T*** an den Angeklagten als erwiesen angenommen hat - bei Würdigung der Aussage des genannten Zeugen nicht einfach (pauschal) mit dem Hinweis auf dessen "klare und durchaus glaubwürdige Angaben" (US 7) begnügen. Es hätte sich vielmehr nicht zuletzt auch angesichts der eigenen Suchtgiftabhängigkeit des Zeugen T***, der seinen täglichen Heroinbedarf mit 2 bis 3 Schuß zu je einem zehntel Gramm angegeben hat (vgl. S 41/I), und der stets gleichbleibenden Verantwortung des Angeklagten jedenfalls auch mit den Polizeiangaben der Ilka G***, wonach der Angeklagte, den sie seit August/September 1988 gekannt habe, immer nur "Paracodin-Tropfen geschnorrt" und damals nie selbst Heroin besessen habe (S 184/I), aber auch mit den Aussagen der Andrea R*** (S 49/I) und des Jürgen C*** (S 45/I) auseinandersetzen müssen, denen zufolge in der Wohnung des T*** ein - auf den Vertrieb von Suchtgift

hinweisender - "richtiger Durchzugsverkehr" geherrscht habe und immer wieder verschiedene Personen bei T*** anzutreffen gewesen seien, die "von ihm wahrscheinlich Heroin gekauft haben" (S 49).

Hinzu kommt, daß das Ersturteil über den Wirkstoffgehalt der dem Angeklagten angelasteten Heroinmenge von (zumindest) 5 Gramm keinen Aufschluß gibt. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß das Urteil im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zum Ausdruck bringt, daß die vom Angeklagten an T*** weitergegebene Suchtgiftmenge "jenseits der im § 12 Abs. 1 SGG genannten Grenzmenge (bei Heroin durchschnittlicher Qualität 1,5 Gramm) gelegen war" (US 8). Denn abgesehen davon, daß die Grenzmenge nach § 12 Abs. 1 SGG bei Heroin - abweichend von der Empfehlung des Suchtgiftbeirates - mit 1,5 Gramm Reinsubstanz anzunehmen ist (vgl. ÖJZ-LSK 1987/89 = EvBl. 1988/3 = RZ 1987/48, EvBl. 1988/131 = RZ 1989/22), konnte T*** seinen Angaben vor der Polizei zufolge das ihm vom Angeklagten verkaufte Heroin nur mehr "geringfügig strecken", weil es schon so gestreckt gewesen sei (vgl. S 42/I). Unter diesen Umständen hätte das Schöffengericht zum Ausdruck bringen müssen, worauf es seine - ersichtlich erfolgte - Annahme, es habe sich vorliegend um Heroin von "durchschnittlicher Qualität" gehandelt, stützt und welcher Reinsubstanzmenge Heroin dies entspricht. Für den schließlich dem Angeklagten als Vergehen nach § 16 Abs. 1 SGG angelasteten Erwerb und Besitz (auch) von Haschisch fehlt im Urteil überhaupt jegliche Begründung; darauf Bezug habende (konkrete) Anhaltspunkte sind dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Die sohin von der Beschwerde zutreffend aufgezeigten und entscheidungswesentliche Umstände betreffenden Begründungsmängel machen eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, weshalb in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde - ohne daß es einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedarf - wie im Spruch zu erkennen war.

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