OGH 8ObS3/94

OGH8ObS3/9413.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer owie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Meches und Liedlbauer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter P*****, vertreten durch Horst Pumberger, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, 4020 Linz, Volksgartenstraße 40, wider die beklagte Partei Arbeitsamt R*****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 7.888,-- an Insolvenzausfallgeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Oktober 1993, GZ 12 Rs 97/93-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. August 1993, GZ 4 Cga 181/92-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 9.3.1987 bis 15.10.1992 im Unternehmen Hermann K***** als Abteilungsleiter im Textildruck mit Kundenbetreuung und Preiskalkulation beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Angestellte im Gewerbe. Der Kläger leistete im Durchschnitt pro Monat 8 bis 10 Überstunden. Zwischen ihm und Hermann K***** war im Juli 1991 mündlich vereinbart worden, daß sämtliche Überstunden durch Zeitausgleich abgegolten werden. Nach dem Tod des Hermann K***** wurde über dessen Verlassenschaft das Konkursverfahren eröffnet. Das Dienstverhältnis des Klägers endete am 15.10.1992 durch berechtigten vorzeitigen Austritt gemäß § 25 KO. Der Kläger hat in der Zeit vom 1.1. bis 30.9.1992 insgesamt 21 Überstunden geleistet. Infolge des vorzeitigen Austrittes war es ihm nicht mehr möglich, den darauf entfallenden Zeitausgleich zu konsumieren. Unter Einbeziehung des Entgeltes für diese 21 Überstunden in die Berechnungsgrundlage begehrte der Kläger von der Beklagten die Zuerkennung von Insolvenzausfallgeld in der Gesamthöhe von S 166.928,--. Die Beklagte sprach einen Betrag von S 159.040,-- zuzüglich Zinsen und Kosten zu. Das Mehrbegehren von S 1.480,-- an Urlaubsentschädigung, S 4.362,-- an Abfertigung und S 2.046,-- an Kündigungsentschädigung wies die Beklagte mit der Begründung ab, daß die Entgelte für die nicht durch Freizeit ausgeglichenen Überstunden die Berechnungsgrundlage nicht erhöhen könnten.

Mit seiner am 31.12.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger den Zuspruch dieser Beträge an Insolvenzausfallgeld im Gesamtbetrag von S 7.888,-- und führte hiezu aus: Da es infolge der Insolvenz nicht mehr möglich gewesen sei, die geleisteten Überstunden durch Zeitausgleich abzugelten, seien sie zu bezahlen, wodurch sich die Bemessungsgrundlage für die im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses zustehenden Leistungen erhöhe.

Die Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, beantragte aber dessen Abweisung, weil der Abgeltung von Überstunden durch Zeitausgleich kein Entgeltcharakter zukomme. Sei somit nicht vom Bezug eines Entgelts für regelmäßig geleistete Überstunden auszugehen, werde durch die bei Beendigung des Dienstverhältnisses offenen Überstunden das Durchschnittsentgelt nicht erhöht.

Das Gericht erster Instanz gab dem Klagebegehren Folge. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Begründung aus, daß zwar die Gewährung von Zeitausgleich kein Entgelt darstelle, jedoch im gegenständlichen Fall die Abgeltung von 21 Überstunden durch Zeitausgleich unmöglich geworden sei, sodaß statt dessen eine Vergütung in Geld gebühre.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und führte aus: Könne eine Abgeltung durch Zeitausgleich nicht mehr erfolgen, so lebe der Anspruch auf Vergütung in Geld wieder auf. Dies habe auch die Beklagte anerkannt, indem sie diese Vergütung tatsächlich geleistet habe. Da unbestritten sei, daß der Kläger regelmäßig Überstunden geleistet habe, sei das Entgelt für diese Mehrdienstleistung des Klägers in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung zu.

Das vom Angestellten bezogene Entgelt bildet die Bemessungsgrundlage sowohl für die Abfertigung (§ 23 AngG), als auch für die Kündigungsentschädigung (§ 29 AngG) und für die Urlaubsentschädigung (§§ 9 und 6 UrlG). Nach Lehre und Rechtsprechung ist unter dem "für den letzten Monat gebührenden Entgelt" im Sinne des § 23 Abs.1 2.Satz AngG der sich aus den mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch nicht jeden Monat - wiederkehrenden Bezügen ergebende Durchschnittsverdienst zu verstehen. Dem Arbeitnehmer soll für den Zeitraum, für den er die Abfertigung erhält, der zuletzt bezogene Durchschnittsverdienst gesichert und damit eine gewisse Kontinuität des zuletzt bezogenen Verdienstes für diesen fiktiven Zeitraum gewährleistet werden. Die Abfertigung darf daher diesen als Bemessungsgrundlage dienenden Durchschnittsverdienst weder übersteigen noch hinter ihm zurückbleiben. Zu diesem Durchschnittsverdienst gehören auch regelmäßig geleistete Überstunden, die, innerhalb des zu berücksichtigenden Zeitraumes in einer Form verteilt sein müssen, daß sich ihr regelmäßiger Charakter, d. h. die wenn auch nicht gleichmäßige Wiederholung von Überstunden, erkennen läßt (infas A 52/88; infas A 68/90; WBl. 1990, 80). Um bei der Bemessung des Durchschnittsverdienstes berücksichtigt werden zu können, ist es daher erforderlich, daß die Überstunden in rückschauender Betrachtung regelmäßiger Entgeltsbestandteil geworden waren. Die für die Bemessung der Abfertigung entwickelten Grundsätze gelten in gleicher Form auch für die Ausmittlung der Kündigungsentschädigung (infas A 11/90). Auch das nunmehr für die Berechnung des Urlaubsentgeltes geltende sogenannte Ausfallsprinzip bedingt im Bereich der Urlaubsentschädigung (nur) die Einbeziehung regelmäßig geleisteter Überstunden (Cerny, Urlaubsrecht 135).

Es entspricht Lehre und Rechtsprechung, daß die vereinbarte Inanspruchnahme von Zeitausgleich lediglich zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit führt, ohne daß die Gewährung eines auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden Freizeitausgleiches ein zusätzliches Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft darstellen könnte (Arb. 10.543; RdW 1989, 106; 9 ObA 47/92).

Bei der Ermittlung des als Berechnungsgrundlage heranzuziehenden Durchschnittsverdienstes kommt es entgegen der Ansicht der Vorinstanzen somit nicht nur darauf an, daß Überstunden regelmäßig geleistet wurden, sondern es ist vielmehr ausschlaggebend, daß dadurch der Normallohn nicht nur in Einzelfällen, sondern mit gewisser Regelmäßigkeit erhöht wurde. Nur dann ist die Entlohnung für Überstunden in die Berechnung des Durchschnittseinkommens einzubeziehender Entgeltbestandteil geworden.

Von einer derartigen regelmäßigen Entlohnung der geleisteten Überstunden kann aber hier in Anbetracht des vereinbarten und auch tatsächlich konsumierten Zeitausgleiches keine Rede sein. Die Tatsache, daß infolge des nunmehr unmöglich gewordenen Zeitausgleiches Geldersatz zusteht (ZAS 1985, 20; RdW 1986, 252), vermag daran nichts zu ändern, da es bei dieser bloß einmaligen Zahlung an den Minimalvoraussetzungen für die Annahme eines regelmäßigen Charakters dieses Bezuges mangelt (vgl. WBl. 1990, 80).

Es war daher der Revision Folge zu geben und in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen das Klagebegehren abzuweisen.

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