OGH 8Ob636/93

OGH8Ob636/9313.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter Z*****, vertreten durch Dr.Werner Steinacher und Dr.Michael Gärtner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Hilda S*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Hochsteger und Dr.Dieter Perz, Rechtsanwälte in Hallein, wegen S 51.564,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 14. Juli 1993, GZ 21 R 192/93-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 12.Februar 1993, GZ 2 C 233/92-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.348,80 (einschließlich S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist die Mutter des am 11.11.1991 verstorbenen Franz S*****. Im September 1991 hatte Franz S***** vor einem Krankenhausaufenthalt dem Kläger, der Inhaber einer Kfz-Werkstätte ist, den Auftrag zu einer gründlichen Reparatur seines PKWs erteilt. Zwischen 30.9. und 2.10.1991 wurden in der Werkstätte des Klägers am Fahrzeug umfangreiche Reparaturen durchgeführt, für die der Klagsbetrag das angemessene, am 3.2.1992 in Rechnung gestellte Entgelt darstellt.

Nach dem Tode des Franz S***** erkundigten sich dessen Angehörige beim Kläger mehrfach nach dem Auto und der offenen Forderung. Der Kläger bejahte das Bestehen einer Reparaturkostenforderung, ohne deren ziffernmäßige Höhe anzugeben. Ein Schreiben des Gerichtskommissärs mit dem Ersuchen um Bekanntgabe des Rechnungsbetrages beantwortete der Kläger nicht, da er wußte, daß die Verlassenschaft überschuldet war und er sich durch die Innehabung des PKWs ausreichend gesichert erachtete.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hallein vom 13.1.1992, A 321/91-7, wurde das Nachlaßvermögen im Gesamtbetrag von S 49.930,-- der Beklagten auf teilweisen Abschlag der von ihr beglichenen und zur Zahlung übernommenen Todfallskosten im Gesamtbetrag von S 78.089,60 an Zahlungsstatt überlassen. Die Zulassungsbehörde wurde verständigt, daß die Beklagte über den erwähnten PKW verfügungsberechtigt sei. Mehreren Gläubigern, so auch dem Kläger, wurde zur Kenntnis gebracht, daß ihre angemeldeten Forderungen im Nachlaß keine Deckung finden.

Am 3.2.1992, nach Rechtskraft des im Abhandlungsverfahren ergangenen Beschlusses, ließ die Beklagte den PKW, der vor dem Betriebsgelände des Klägers auf der Straße abgestellt war, abholen, wobei infolge Verwendung eines Zweitschlüssels der in Händen des Klägers befindliche Schlüssel nicht benötigt wurde. Der Kläger protestierte gegen diese Vorgangsweise und erklärte sich nicht bereit, ohne Bezahlung der offenen Forderung das Fahrzeug herauszugeben. In der Folge verkaufte die Beklagte den PKW um S 65.000,--.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage, die Beklagte zur Zahlung des Reparaturkostenbetrages von S 51.564,-- s.A. zu verpflichten bzw. sie allenfalls schuldig zu erkennen, ihm Sicherstellung gemäß § 471 ABGB in Höhe des Klagsbetrages zu leisten oder sich von dieser Verpflichtung durch Übergabe des PKWs zu befreien. Hiezu bringt er vor, die Beklagte habe entgegen dem bestehenden Zurückbehaltungsrecht den PKW aus der Gewahrsame des Klägers entfernt. Sie sei damit um den Reparaturaufwand bereichert und zudem, da sie rechtswidrig gehandelt habe, zum Schadenersatz verpflichtet.

Die Beklagte wendete ein, daß Reparaturarbeiten nicht durchgeführt worden seien. Mangels Fälligkeit der Forderung sei dem Kläger auch kein Zurückbehaltungsrecht zugestanden. Der PKW habe sich nicht in der Gewahrsame des Klägers befunden, als die Beklagte ihn an sich genommen habe.

Das Gericht erster Instanz konnte nicht feststellen, ob bzw. wann bzw. in welchem Umfang der Kläger Reparaturarbeiten am Fahrzeug durchgeführt habe. Es gelangte daher zur Abweisung des Klagebegehrens.

Das Berufungsgericht traf nach Beweiswiederholung die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß eine Haftung der Beklagten für die Reparaturkostenverbindlichkeit des verstorbenen Sohnes aus der Tatsache der Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt nicht abgeleitet werden könne. Da im Zeitpunkt der Entfernung des PKWs aus der Gewahrsame des Klägers dieser noch nicht Rechnung gelegt gehabt habe, somit die Forderung noch nicht fällig gewesen sei, könne sich der Kläger auch nicht auf das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 471 ABGB stützen. Allerdings wäre der Kläger gegenüber seinem Auftraggeber nur Zug um Zug gegen Bezahlung der Reparaturkosten zur Ausfolgung des PKWs verpflichtet gewesen. Die Beklagte als Einzelrechtsnachfolgerin des Auftraggebers könne nicht anders gestellt sein als der Auftraggeber selbst. Die in der Überlassung an Zahlungsstatt zu sehende Besitzanweisung, den PKW in Hinkunft für die Beklagte innezuhaben, könne daher nur in diesem die Eigentumsausübung einschränkenden Umfang verstanden werden. Der PKW habe sich in der Gewahrsame des Klägers befunden, da er ihm gemeinsam mit dem Schlüssel zur Reparatur übergeben worden sei. Die Beklagte habe den PKW widerrechtlich dieser Gewahrsame entzogen und dadurch den Kläger um die Möglichkeit gebracht, aus einer exekutiven Verwertung des PKWs seine Werklohnforderung einzubringen. Sie habe daher in ein fremdes Forderungsrecht eingegriffen und dem Kläger rechtswidrig und schuldhaft einen Schaden in Höhe seiner Werklohnforderung zugefügt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht gerechtfertigt.

Durch die Überlassung des Nachlaßvermögens an Zahlungsstatt nach § 73 AußStrG tritt hinsichtlich der einzelnen genau festzustellenden Vermögensobjekte Singularsukzession ein (Ehrenzweig, System3 IV, 350; RZ 1984/24). Anders als die Einantwortung verschafft die Überlassung an Zahlungsstatt nur einen Titel zum Eigentumserwerb an bestimmten Sachen. Der diese Sachen übernehmende Gläubiger haftet nur für die übernommenen und nicht auch für andere Passiven (EvBl. 1964/265; SZ 38/97). Auf Abschlag von Forderungen gegen die Verlassenschaft können den Gläubigern nur solche Vermögensteile an Zahlungsstatt überlassen werden, über die die Verlassenschaft eine rechtlich gedeckte Verfügungsmacht ausübt. Der Gegenstand eines Herausgabeanspruches oder der Betrag des Geldinteresses unterliegt einer Zuweisung nach § 73 Abs.1 AußStrG nur im Falle nachgewiesener Leistungsbereitschaft des Schuldners. Gegebenenfalls könnte der Herausgabeanspruch oder der Anspruch auf das Geldinteresse einem Gläubiger auf Abschlag seiner Forderung an Zahlungsstatt überlassen werden, sonst aber müßte der strittige Anspruch gegen den Schuldner zuvor von der durch einen Verlassenschaftskurator vertretenen Verlassenschaft in dem zur Verfolgung des strittigen Anspruches offenstehenden Verfahren geltend gemacht und durchgesetzt werden (6 Ob 616/88 = EFSlg. 58.517).

Der der Beklagten an Zahlungsstatt überlassene Herausgabeanspruch gegenüber dem Kläger konnte ihr daher nur in dem Umfang zukommen, in welchem er der Verlassenschaft zugestanden ist.

Das im § 1052 ABGB normierte Leistungsverweigerungsrecht gilt für alle synallagmatischen Verträge, bei denen nicht eine Vorleistung vereinbart oder eine Sonderregelung gesetzlich vorgesehen ist, so unter anderem auch für Werkverträge (Wahle in Klang2 IV/2, 68; Aicher in Rummel ABGB2 § 1052 Rdz 1; SZ 42/162; 7 Ob 814/82). Der Kläger mußte daher den PKW nur Zug um Zug gegen Leistung des Reparaturentgeltes herausgeben; dies sowohl gegenüber dem Werkbesteller als auch der Verlassenschaft nach diesem. Damit konnte aber auch der auf die Beklagte durch Gerichtsbeschluß übertragene Herausgabeanspruch nur mit dieser Belastung auf sie übergehen, wie dies etwa auch bei der Zession der Fall ist (vgl. Wahle in Klang2 IV/2, 70).

Es kann nicht zweifelhaft sein, daß der Kläger, der über den Schlüssel zum PKW verfügte und das Fahrzeug in der Nähe seiner Werkstatt versperrt abgestellt hatte, die Gewahrsame (§ 309 ABGB) hinsichtlich des PKWs ausübte. Dieser Sachverhalt war ebenso wie das Bestehen der Reparaturkostenforderung der Beklagten auch hinreichend bekannt.

Die Beklagte hat den PKW eigenmächtig aus der Gewahrsame des Klägers entzogen. Ein Fall gerechtfertigter Selbsthilfe im Sinne des § 19 ABGB liegt nicht vor (und wurde auch gar nicht behauptet). Die Rechtsordnung lehnt ein derartiges Vorgehen ab, wie sich beispielsweise aus der Bestimmung des § 1440 ABGB ergibt, wonach unter anderem eigenmächtig entzogene Sachen nicht Gegenstand der Zurückbehaltung oder Kompensation sein können. Es entspricht den natürlichen Rechtsgrundsätzen (§ 7 ABGB), daß niemand durch Arglist Rechtsvorteile erlangen darf (SZ 47/104; Bydlinski in Rummel2 Rdz 13 zu § 7). Die Beklagte kann daher nicht besser gestellt werden, als der Gesetzestreue, der die Herausgabe des PKWs nur Zug um Zug gegen Bezahlung des Werklohnes hätte erlangen können.

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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