OGH 14Ns8/94

OGH14Ns8/9412.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gründl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dipl. Ing. Dr. Wilhelm P* wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach §§ 111 Abs 1 und Abs 2, 117 Abs 2 StGB, AZ 25 E Vr 189/93 des Landesgerichtes Steyr, über die Befangenheitsanzeige des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Karl M* gemäß § 72 Abs 2 StPO vom 30. März 1994 in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0140NS00008.9400000.0412.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Eine Befangenheit des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr.M* liegt nicht vor.

 

Begründung:

 

Rechtliche Beurteilung

In der vorbezeichneten Strafsache hat der Oberste Gerichtshof zum AZ 11 Os 38/94 über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen einen Beschluß des Präsidenten des Landesgerichtes Steyr zu entscheiden, mit dem die Befangenheitsanzeige eines Richters dieses Gerichtshofes nicht ‑ wie es nach Ansicht der Beschwerde richtig gewesen wäre ‑ meritorisch erledigt, sondern zurückgewiesen wurde. Jener Richter hatte sich zur Begründung seiner Befangenheit auf freundschaftliche Kontakte mit seinem ehemaligen Kollegen Dr.H* berufen, der im Strafverfahren als Zeuge vernommen werden soll.

Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.M* zeigte nun gemäß § 72 Abs 2 StPO an, daß auch er mit Dr.H* vor Jahren berufliche und freundschaftliche Kontakte gepflogen hatte, sich in der aktuellen Rechtssache jedoch nicht befangen fühle.

Eine solche Befangenheit ist auch aus objektiver Sicht nicht zu erkennen.

Zwar genügt zur Annahme einer Befangenheit ‑ ohne daß es auf deren bloß subjektive Besorgnis entscheidend ankäme ‑ bereits der äußere Anschein. Dieser muß indes so beschaffen sein, daß er bei einem unbeteiligten Beurteiler Anlaß zu nicht bloß entfernt denkbaren, sondern vielmehr naheliegenden Zweifeln an der vollen Unbefangenheit des Richters bietet.

Davon kann jedoch vorliegendenfalls keine Rede sein. Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde ist eine Rechtsfrage, für deren Lösung die Aussage von Zeugen ohne Bedeutung ist. Somit können Jahre zurückliegende berufliche und freundschaftliche Kontakte eines Richters zu einer Person, die nicht Prozeßpartei ist, auch bei einem unbefangenen Außenstehenden keine objektiv nachvollziehbare Besorgnis erwecken, der Richter werde sich bei seiner Entscheidung in einer Rechtssache, die mit dem aufgezeigten Grund in keinem entscheidungsrelevanten Zusammenhang steht, von anderen als von sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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