OGH 12Os18/94

OGH12Os18/947.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.April 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Mayrhofer, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Jannach als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jesus A***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9.Dezember 1993, GZ 3 c Vr 11.183/93-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, des Angeklagten Jesus A***** und des Verteidigers Dr.Soyer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe von 15 Monaten gemäß § 43 Abs 1 StGB zur Gänze unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.April 1952 geborene peruanische Staatsangehörige Jesus A***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 23.August 1993 in Wien eine Person mit Gewalt, und zwar dadurch, daß er die schreiende Karin Z***** - nachdem er sie zuvor mit dem Fahrrad verfolgt hatte - am Hals erfaßte, würgte und ihr den Mund zuhielt, sie mit Körperkraft gegen einen Zaun drückte, ihr (sodann) den Mund aufdrückte, sie abschmuste und ihre Brüste abgriff, zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht.

Der vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

In Ausführung seiner Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer, die Urteilsfeststellungen, daß er geschlechtlich stark erregt war und die Absicht hatte, unter Gewaltanwendung mit Karin Z***** einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, wobei er die Frau am Hals erfaßte, sie würgte und ihr den Mund zuhielt, als sie sich zu wehren versuchte (US 5), seien undeutlich und unvollständig sowie überhaupt nicht bzw mangelhaft begründet. Insoweit verkennt er jedoch, daß der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen nur dann undeutlich ist, wenn aus den Feststellungen des Urteils nicht zu erkennen ist, welche Handlungen der Angeklagte nach Ansicht des Gerichtes vorgenommen und mit welchem Vorsatz er sie gesetzt hat, oder wenn überhaupt nicht zu erkennen ist, was das Urteil feststellen wollte (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 281 Z 5 ENr 42), wovon vorliegend aber keine Rede sein kann (siehe US 5).

Genausowenig ist die behauptete Unvollständigkeit des bemängelten Ausspruches des Gerichtshofes gegeben. Das Gericht hat nämlich das Urteil nur in gedrängter Form zu begründen und ist weder verpflichtet, jeden einzelnen von einem Angeklagten oder Zeugen vorgebrachten Satz einer besonderen Erörterung zu unterziehen, noch verbunden, sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde dann konkret erhobenen Einwand im voraus auseinanderzusetzen (Mayerhofer-Rieder, StPO3 § 270 ENr 105, § 281 Z 5 ENr 8). In diesem Sinne war das Erstgericht daher auch nicht dazu verhalten, die Äußerungen der Zeugin Karin Z*****, daß der Angeklagte nicht versucht habe, sie oder sich selbst auszuziehen (AS 139 f), und daß er ihr die Hände ins Gesicht und an den Hals gedrückt und zu ihr gesagt habe, sie solle nicht schreien (AS 138 f), im besonderen zu erörtern. Im übrigen hat das Erstgericht dem Beschwerdevorbringen zuwider die in der Hauptverhandlung gemachte Angabe der Zeugin, daß der Angeklagte nicht auch mit der Hand zwischen ihre Beine gefahren sei (AS 138 f), ohnedies besonders gewürdigt (US 7). Soweit der Beschwerdeführer die Unterlassung der Auseinandersetzung des Erstgerichtes mit seiner Verantwortung rügt, ist er auf die eingehende Würdigung seiner Angaben im Urteil (US 6) zu verweisen. Im übrigen war das Erstgericht gar nicht verpflichtet, sich mit Einzelheiten der Verantwortung des Angeklagten auseinanderzusetzen, weil es diesem (mit mängelfreier Begründung) zur Gänze den Glauben versagt hat (12 Os 183/80; vgl auch SSt 53/47).

Soweit der Beschwerdeführer die mangelhafte Begründung der eingangs erwähnten Urteilsfeststellungen rügt, verkennt er das Wesen der freien Beweiswürdigung im Sinne des § 258 Abs 2 StPO, welche die Tatrichter nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Beweisergebnisse in ihrem Zusammenhang zu würdigen, durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ergänzen und ihre Überzeugung frei von jeder Beweisregel auf in diesen Prämissen wurzelnde denkrichtige Schlüsse zu stützen (12 Os 161/89, 11 Os 108/92; Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 258 ENr 26 und 30). In diesem Sinne konnte das Schöffengericht sehr wohl aus den Aussagen der Zeugen auf die sexuelle Erregung des Angeklagten und dessen auf Durchführung eines Geschlechtsbverkehrs unter Gewaltanwendung gerichtete Absicht schließen. In besonderem Maße gilt dies für die Angaben des Zeugen Milan B***** über seinen Eindruck dahin, daß der Angeklagte gegenüber dem Opfer mit der Einstellung verfahren sei, daß er jetzt eine Beute erlegt habe, die ihm gehöre und die er nicht auslasse (AS 143, US 6 f). Entgegen der Rüge bedurfte auch die Feststellung, daß der Beschwerdeführer die Frau würgte und ihr den Mund zuhielt (US 5), keiner besonderen Begründung, weil sich diese Tatumstände zwanglos aus den Aussagen des Zeugen Wolfgang P***** (AS 145) sowie des Opfers (AS 138), welches in der Hauptverhandlung das Würgen bloß mit anderen Worten umschrieb, ableiten ließen. Mit den Denkgesetzen unvereinbare Schlüsse, die allein den behaupteten formellen Nichtigkeitsgrund darstellen könnten (siehe wiederum 12 Os 161/89, 11 Os 108/92; weiters Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 281 Z 5 ENr 144 bis 147), vermag der Beschwerdeführer somit nicht aufzuzeigen. Soweit er für ihn günstigere, seiner Verantwortung entsprechende Tatsachenfeststellungen anstrebt, stellt sich seine Rüge ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung nach bloß als Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes nach Art einer Schuldberufung dar, die gegen Urteile von Kollegialgerichten nicht zulässig ist.

Entgegen der Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer die Unterstellung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes unter die Strafbestimmung des § 202 Abs 1 StGB anstrebt, stellt sich dieser Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht aber nicht bloß als Vorbereitungshandlung zum Verbrechen der Vergewaltigung, welche als Vergehen der geschlechtlichen Nötigung strafbar wäre, sondern bereits als Versuch des Verbrechens nach § 201 Abs 2 StGB dar. Ausgehend davon, daß die Vollendung dieses Deliktes erst eintritt, wenn die Nötigung erfolgreich ist, das Tatopfer also den Beischlaf oder die Vornahme einer anderen geschlechtlichen Handlung zu dulden beginnt, ist eine solche Tat bereits mit dem Beginn des Einsatzes der tatbestandlichen Nötigungsmittel - hier: der Gewaltanwendung - versucht (Pallin im WK, § 201 Rz 23 a; 12 Os 11/92). Die Frage der Ausführungsnähe stellt sich daher gar nicht, weil der Schuldspruch nicht eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung erfaßt, sondern bereits eine Ausführungshandlung selbst (§ 15 Abs 2 StGB). Entgegen der Rüge war daher für den Eintritt in das Versuchsstadium in bezug auf das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB weder eine Entkleidung des Täters oder des Opfers noch eine Berührung der Geschlechtsteile erforderlich. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, nicht der Beischlaf, sondern bloß das Abgreifen der Brüste und das Abschmusen des Opfers sei sein Nötigungsziel gewesen, geht er über die ausdrückliche Feststellung des Erstgerichtes über seine auf Durchführung eines Geschlechtsverkehrs unter Gewaltanwendung gerichtete Absicht (US 5) hinweg. Dasselbe gilt für seine Behauptung, daß es am ursächlich-finalen Zusammenhang zwischen dem angewendeten Nötigungsmittel und dem Nötigungsziel des Beischlafes gefehlt habe. Die Rüge erweist sich daher in diesem Umfang als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 201 Abs 2 StGB fünfzehn Monate Freiheitsstrafe, wovon es einen Strafteil von zehn Monaten gemäß § 43 a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei wertete es das "enorm triebhafte" Täterverhalten als erschwerend, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und den bloßen Tatversuch.

Der dagegen gerichteten Berufung des Angeklagten, mit der neben einer Reduktion der ausgesprochenen Freiheitsstrafe auch deren umfassende bedingte Nachsicht angestrebt wird, kommt teilweise Berechtigung zu.

Der Berufungsauffassung zuwider trifft es zunächst nicht zu, daß das Erstgericht wesentliche Milderungsgründe unberücksichtigt gelassen hätte. Wenn der Angeklagte, der ein auf die gewaltsame Durchsetzung eines Geschlechtsverkehrs ausgerichtetes Vorhaben bis zuletzt beharrlich leugnete, schließlich angesichts der erdrückenden Beweislage sinngemäß eine den wahren Sachverhalt beschönigende Tatbestandsverwirklichung (lediglich) nach § 202 Abs 1 StGB eingestand (S 43, 51 verso, 51 a), so wirkt sich dies bei der Strafbemessung ebensowenig entscheidend zu seinen Gunsten aus wie sein weiteres Vorbringen, er habe in seiner Heimat Peru eine Frau und vier Kinder zurückgelassen und unterhalte im Inland eine intakte Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Das beträchtliche Gewicht der - von massivem Verlust der Selbstkontrolle gekennzeichneten - Täterschuld und des hier aktuellen gesellschaftlichen Störwertes der nächtlichen Attacke auf eine - nur durch entschlossenes Eingreifen Dritter vor der Deliktsvollendung bewahrten - Frau lassen eine Herabsetzung des in erster Instanz im unteren Bereich der vorliegend wirksamen gesetzlichen Strafdrohung (von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) ausgesprochenen Strafausmaßes nicht zu, weshalb die Berufung insoweit fehlt geht.

Angesichts der bisherigen Unbescholtenheit des Angeklagten und der Dauer der von ihm erlittenen Vorhaft schien jedoch die Annahme gerechtfertigt, daß die bloße Androhung (nunmehr) der gesamten Freiheitsstrafe genügen werde, ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Da nach Lage des Falles auch generalpräventive Erwägungen der Anwendung des § 43 Abs 1 StGB nicht entgegenstehen, war daher in teilweiser Stattgebung der Berufung spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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