OGH 12Os11/92-10

OGH12Os11/92-107.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut und Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Freilinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef SCH***** und einen anderen wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef SCH***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 4.Oktober 1991, GZ 24 Vr 3477/90-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, und des Verteidigers Dr. Holzberger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Josef SCH***** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 27.März 1966 geborene Josef SCH***** wurde (zu 1.) des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 StGB und (zu 2.) des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach (zu ergänzen: § 15) § 201 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach haben er und Helmut H***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in Mutters

1. Ende November 1990 den Werner ST***** an der Gesundheit Geschädigt, indem sie ihm Rohypnol-Tabletten in sein Getränk gaben, und

2. am 27.Dezember 1990 die Astrid P***** außer dem Fall des § 201 Abs. 1 StGB mit Gewalt, nämlich dadurch, daß sie ihr Rohypnol-Tabletten in ihr Getränk gaben, zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs zu nötigen getrachtet.

Die von Josef SCH***** dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde - hinsichtlich Helmut H***** ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen - geht fehl.

In Ansehung der Sachverhaltsbasis werden in der Mängelrüge (Z 5) keine formalen Begründungsgebrechen mit Bezug auf relevante, das heißt für die Schuldsprüche oder den anzuwendenden Strafsatz bedeutsame Umstände dargetan und vermögen die in der Tatsachenrüge (Z 5 a) ins Treffen geführten Argumente weder einzeln noch im Zusammenhang Bedenken gegen die die Schuldsprüche tragenden Konstatierungen zu erwecken.

Im einzelnen ist auszuführen, daß die im Rahmen der Mängelrüge gegen die Qualifikation der bei Werner ST***** durch den unfreiwilligen, von den beiden Angeklagten bewirkenden Rohypnol-Konsum verursachten Folgen als "Gesundheitsschädigung" erhobenen Einwände sich der Sache nach als Rechtsrüge darstellen, auf die noch zurückzukommen sein wird. Die Mängelrüge moniert des weiteren, das Urteil enthalte keine Gründe dafür, daß die Angeklagten es ernsthaft für möglich gehalten und sich damit abgefunden hätten, daß ST***** durch ihr Verhalten eine Gesundheitsschädigung erleide, der Beschwerdeführer kenne Rohypnol lediglich als Beruhigungs- bzw. Schlafmittel. Damit aber bleiben zwei wesentliche, die bekämpfte Konstatierung durchaus tragende Argumente des Schöffengerichts unberücksichtigt, nämlich, daß der Angeklagte SCH***** schon auf Grund seiner Erfahrung mit diesem Medikament wußte, daß zwei Tabletten davon eine Überdosis darstellten und daß es ihm als notorisch bekannt war, daß die Wirkung dieses Mittels durch Alkohol verstärkt wird (S 187). Dem in der Tatsachenrüge unternommenen, sich namentlich auf das Gutachten des medizinichen Sachverständigen stützenden Versuch, die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten SCH***** bei der Tat am 27.Dezember 1990 in Frage zu stellen, genügt es, zu erwidern, daß die Tatrichter mit schlüssiger Begründung (S 190) die Einnahme des Medikaments Praxiten durch den Beschwerdeführer am fraglichen Tag negiert und einen Vollrausch zu beiden Tatzeitpunkten an Hand des detaillierten Erinnerungsvermögens ausgeschlossen haben (S 189), in welchem Zuammenhang die Beschwerde übrigens mit Stillschweigen übergeht, daß auch der medizinische Sachverständige DDr. B***** angesichts dieser Erinnerungsfähigkeit des Beschwerdeführers einen dem Vollrausch gleichkommenden Zustand als sehr unwahrscheinlich erklärte (S 175).

In seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. a und Z 10, der Sache nach ausschließlich Z 9 lit. a) wendet sich der Beschwerdeführer einerseits - siehe oben - gegen die Qualifikation der bei Werner ST***** durch den Rohypnol-Konsum bewirkten physischen Folgen als "Gesundheitsschädigung" und andererseits dagegen, daß das am 27. Dezember 1990 gegenüber Astrid P***** gesetzte Verhalten bereits unter den Tatbestand der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB subsumiert werde; in Wahrheit sei hierin bloß eine Vorbereitungshandlung zu erblicken.

Beide Einwände halten einer Überprüfung nicht stand.

Rechtliche Beurteilung

Angesichts dessen, daß nach den tatrichterlichen Konstatierungen Werner ST***** durch die Einnahme von in Alkohol aufgelösten (jedenfalls zwei) Rohypnol-Tabletten keineswegs bloß einschlief, sondern in einen Zustand der Bewußtlosigkeit verfiel, aus dem ihn die Angeklagten auch dadurch nicht erwecken konnten, daß sie ihn auf die Toilette schleiften und mit Wasser und Ohrfeigen "behandelten", lag bei ST***** eine derart gewichtige Funktionsstörung in Richtung eines gravierenden Betäubungszustandes vor, daß der dadurch indizierte Krankheitswert nach Art und Ausmaß als Gesundheitsschädigung im Sinne des § 83 StGB zu qualifizieren ist (vgl. Burgstaller in WK Rz 12 und Kienapfel BT I3 Rz 16 je zu § 83 StGB).

Frei von Rechtsirrtum ist aber auch der Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung der Astrid P*****. Denn ausgehend davon, daß die Vollendung dieses Deliktes zwar erst eintritt, wo die Nötigung erfolgreich ist, das Tatopfer also den Beischlaf oder die Vornahme einer anderen geschlechtlichen Handlung zu dulden beginnt, die Tat jedoch bereits mit dem Beginn des Einsatzes der tatbestandlichen Nötigungsmittel versucht ist (Pallin WK ErgH Rz 23 a), stellt sich die Frage der Ausführungsnähe vorliegend gar nicht, weil das Strafbarkeitserfordernis der zeitlichen und weitere Zwischenakte ausschließenden Nähe nur im Verhältnis zum Ausführungsbeginn, somit bloß für solche Versuchshandlungen gilt, die der eigentlichen Tatausführung im Sinne des § 15 Abs. 2 StGB vorangehen und daher nicht schon selbst Ausführungshandlungen sind (11 Os 136/90). Daß die Angeklagten nach ihrem konstatierten Vorhaben im Falle des geplant gewesenen Gelingens der Betäubungsaktion bis zur Vollendung der Tat durch Mißbrauch des Mädchens noch diverse, mit der Dispositionsfähigkeit der Frau aber in keinem Zusammenhang stehende manipulative Schritte hätten vornehmen müssen, steht mithin der Strafbarkeit des Versuches unter dem Aspekt der Ausführungsnähe nicht entgegen; es waren daher auch die von der Beschwerde vermißten Konstatierungen darüber, wo die Durchführung der geplanten Tat hätte vorgenommen werden sollen und wie die Angeklagten mit ihrem Opfer diesen Ort hätten erreichen sollen, nicht geboten. Weshalb es in diesem Zusammenhang von Relevanz sein sollte, ob Astrid P***** bei planmäßigem Tatablauf "handlungsfähig" gewesen wäre, wird in der Beschwerde nicht weiter dargetan und muß demgemäß auf sich beruhen, zumal das Gesetz Betäubung mit (sogar schwerer) Gewalt ausdrücklich gleichsetzt (§ 201 Abs. 1 letzter Satz StGB). Soweit jedoch die Handlungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Frage gestellt wird, entbehrt die Rechtsrüge einer gesetzmäßigen Darstellung, weil sie die seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit bejahenden tatrichterlichen Feststellungen übergeht (S 189 f).

Die im ganzen unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sonach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten SCH***** gemäß §§ 28, 201 Abs. 2 StGB eine Freiheitsstrafe von neun Monaten. Erschwerend waren dabei drei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, mildernd dagegen die Geringfügigkeit der Gesundheitsschädigung des Werner ST*****, die Alkoholisierung und der Umstand, daß die Vergewaltigung der Astrid P***** beim Versuch geblieben ist.

Die Berufung des Josef SCH*****, mit der er eine Strafherabsetzung anstrebt, ist nicht begründet.

Der Berufungswerber war es, der bei beiden Taten im Sinne des vorgefaßten Planes Rohypnol-Tabletten heimlich in die Trinkgläser der Opfer gab; daß nicht er, sondern H***** die Tabletten zur Verfügung gestellt hatte, kann demgegenüber keine sonderlich mildernde Wirkung beanspruchen. Die tatrichterlichen Strafzumessungsgründe bedürfen mithin keiner Korrektur. Geht man von ihnen aus, dann erweist sich die geschöpfte Unrechtsfolge bei einem bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatz als keineswegs überhöht, sondern geradezu geboten, um einem tückischen Mißbrauch von Medikamenten zu schwer kriminellen Zwecken nachdrücklich entgegenzutreten und vorzubeugen.

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