OGH 9ObA93/94

OGH9ObA93/946.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Dr. Hans Peter Bobek und Erwin Macho als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Hans Pritz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich K*****, Objektleiter, ***** vertreten durch Dr. Kurt Klein und Dr. Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wegen Aberkennung der Mitgliedschaft zum Betriebsrat, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. September 1993, GZ 7 Ra 34/93-7, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Dezember 1992, GZ 33 Cga 201/92-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Dem Beklagten wird die Mitgliedschaft zum Betriebsrat der klagenden Partei aberkannt."

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.047,20 S bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 1.841,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Betriebsgegenstand der klagenden Partei ist die Reinigung von Gebäuden. Für das Bundesland Steiermark sind 177 Arbeiter und 6 Angestellte tätig. Hierarchisch folgt der Geschäftsleitung der Niederlassungsleiter für Steiermark, dem vier Objektleiter unterstellt sind. Der Beklagte ist einer der Objektleiter. Als solcher ist er von der Geschäftsleitung aufgenommen worden und es sind ihm bestimmte Objekte, die zu reinigen sind, zugewiesen. Er ist in die Verwendungsgruppe III des Kollektivvertrages für Gewerbeangestellte eingereiht; sein Bruttomonatslohn beträgt 16.400 S zuzüglich 2.000 S Spesen. Der Objektleiter hat die Reinigungsrichtzeiten zu erstellen, die Dienstnehmer bei der Arbeit sowie den Einsatz der Reinigungsmittel zu überwachen, die Stundenzettel der Reinigungskräfte einzusammeln, zu kontrollieren, auf eine Diskette zu übertragen und im Büro abzugeben. Er ist auch zuständig für die Bestellung der nötigen Reinigungsmittel, die von einem Angestellten der klagenden Partei eingekauft werden. Wesentlich ist für den Objektleiter, daß die Aufträge in seinem Bereich vertragsgemäß ausgeführt werden. Er ist berechtigt, die Dienstnehmer für seinen Bereich aufzunehmen, zu entlassen und zu kündigen. Es wird ihm für seinen Bereich der Rahmen der Arbeitsstunden vorgegeben. Werden diese nicht zur Gänze verbraucht, so kann er den Gegenwert nach seinem Ermessen auf die Arbeiter seines Bereiches verteilen.

Am 3. November 1992 fand bei der klagenden Partei eine Betriebsratswahl für den Betrieb Steiermark statt, bei der der Beklagte zum Betriebsrat gewählt wurde; es handelt sich um einen gemeinsamen Betriebsrat für Arbeiter und Angestellte.

Die klagende Partei stellt das Begehren, dem Beklagten die Mitgliedschaft zum Betriebsrat abzuerkennen. Er sei zufolge seiner hierarchischen Stellung im Betrieb leitender Angestellter und daher zum Betriebsrat weder aktiv noch passiv wahlberechtigt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Seine Position im Betrieb der klagenden Partei sei keineswegs die eines leitenden Angestellten; er sei insbesondere weder im Innen- noch im Außenverhältnis zeichnungsberechtigt und könne das Unternehmen auch nicht vertreten. Im übrigen sei bereits eine neue Betriebsratswahl ausgeschrieben, so daß der klagenden Partei das Rechtsschutzinteresse fehle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte sei nicht leitender Angestellter gemäß § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG, sondern ein Arbeitnehmer, dem diese Position nicht zukomme. Seine dienstvertragliche Stellung ergebe sich insbesondere auch aus der kollektivvertraglichen Einreihung in die Verwendungsgruppe III. Im Rahmen vorgegebener Bedingungen habe er zur Erreichung des Unternehmenszieles für seinen Bereich Dienstnehmer aufnehmen und entlassen können, er sei aber dem Niederlassungsleiter unterstellt und von der Geschäftsführung vollkommen abhängig gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge, wobei es im wesentlichen der Begründung des Erstgerichtes beitrat. Dem Umstand, daß der Beklagte Arbeitsverhältnisse begründen und auflösen könne, komme keine entscheidende Bedeutung zu; einerseits sei zu berücksichtigen, daß ihm kein Einfluß auf die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse zukam und zum anderen sei ihm nur etwa ein Viertel der Arbeiter unterstellt gewesen. Auch daß er bei Nichtverbrauch der vorgegebenen Arbeitsstunden berechtigt gewesen sei, nach seinem Ermessen Prämien zu vergeben, habe ihm die Stellung eines leitenden Angestellten nicht verschafft. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S nicht überschreite und daß die Revision nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig.

Der Streitgegenstand besteht nicht in Geld und es liegt auch keiner der Fälle des § 45 Abs 5 ASGG vor. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht gemäß § 45 Abs 1 ASGG den Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes sowie über die Zulässigkeit der Revision in seine Entscheidung aufgenommen. Soweit sich die Revisionswerberin gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Bewertung wendet, kommt den Ausführungen keine Berechtigung zu. Hat das Berufungsgericht die ihm gemäß § 45 Abs 1 Z 1 eingeräumte Entscheidungsbefugnis mangels Vorliegens einer zwingenden Bewertungsvorschrift nicht überschritten, so ist der Oberste Gerichtshof an die Bewertung des Streitgegenstandes durch das Berufungsgericht gebunden (idS auch ÖBl 1987, 63 uva).

Die Revision ist allerdings ungeachtet des gegenteiligen Ausspruches des Berufungsgerichtes als außerordentliche Revision zulässig, weil das Berufungsgericht, wie in der Zulassungsbeschwerde zutreffend aufgezeigt wird, bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.

Das Berufungsgericht hat auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wohl Bezug genommen, die dort ausgesprochenen Grundsätze jedoch nicht beachtet. Ob das auf § 64 Abs 4 ArbVG gegründete Klagebegehren berechtigt ist, hängt davon ab, ob der Beklagte leitender Angestellter ist. Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung sind als leitende Angestellte Personen anzusehen, denen maßgebender Einfluß auf die Führung des Betriebes zusteht. Den Erl.Bem. zur RV, 840 BlgNR 13. GP, 70 ist zu entnehmen, daß der Grund für die in § 36 Abs 2 ArbVG normierten Ausnahmen vom persönlichen Geltungsbereich der Betriebsverfassung die gegenüber den übrigen Arbeitnehmern erheblich abweichende Interessenlage dieser Personengruppe ist. Als leitender Angestellter im Sinne dieser Gesetzesstelle ist daher vor allem ein Arbeitnehmer anzusehen, der durch seine Position an der Seite des Arbeitgebers und durch Ausübung von Arbeitgeberfunktionen in einen Interessengegensatz zu anderen Arbeitnehmern geraten kann. Bei den Arbeitgeberfunktionen, die die Unterstellung unter den Begriff des leitenden Angestellten rechtfertigen können, steht daher der Einfluß auf die Eingehung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Vordergrund. Maßgeblich ist aber auch die Ingerenz in Gehaltsfragen, bei Vorrückungen, bei der Urlaubseinteilung, bei der Anordnung von Überstunden, bei der Ausübung des Direktionsrechtes und bei der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb. Auch wenn der Einfluß des Angestellten auf eine Betriebsabteilung eingeschränkt ist, kann er in die Interessensphären anderer Arbeitnehmer eingreifen und in einen Interessengegensatz zu diesen geraten. Völlige Weisungsfreiheit ist hingegen nicht erforderlich und kann mit Rücksicht auf die aus der Sicht des Arbeitsvertragsrechtes gegebene Arbeitnehmereigenschaft auch des leitenden Angestellten nicht verlangt werden (siehe Mayer-Maly, Der leitende Angestellte im österreichischen Recht, ZAS 1974, 203 ff [205, 207 und 208]; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht4 130 ff; Strasser in Floretta-Strasser Kommentar ArbVG 224; Cerny, Arbeitsverfassungsgesetz8, 138 ff; Arb 5277 sowie DRdA 1979, 146). In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die im dritten Abschnitt des dritten Hauptstückes des zweiten Teiles des ArbVG geregelte Mitwirkung des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten hinzuweisen, in deren Rahmen der leitende Angestellte, dem Einfluß auf die Begründung, Beendigung und Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zukommt, in der Gegenposition in eigener Verantwortung getroffene Personalentscheidungen zu vertreten hat. Da auch auf betrieblicher Ebene zu verlangen ist, daß die Willensbildung in der Vertretung der Arbeitgeber und Arbeitnehmerinteressen gegenüber der anderen Seite unbeeinflußt und unabhängig erfolgen kann, ist die Ausnahmebestimmung des § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG aus dem Gesichtspunkt der Gegnerfreiheit sachlich gerechtfertigt (Marhold in Mayer-Maly-Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht II 136; DRdA 1993, 38 = ZAS 1993, 131). Diese vom Obersten Gerichtshof in der letztzitierten Entscheidung ausgesprochenen Grundsätze haben auch im Schrifttum Zustimmung gefunden. In der Besprechung dieser Entscheidung tritt Windisch-Grätz (DRdA 1993, 133) der Ansicht bei, daß unter Berücksichtigung des Erfordernisses der Gegnerunabhängigkeit die Möglichkeit der selbständigen Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Voraussetzungen für die Annahme der Qualifikation als leitender Angestellter herstellt, auch wenn sich die Berechtigung nur auf eine Betriebsabteilung bezieht. Auch Mosler (DRdA 1993, 40) steht hinter diesem Ergebnis.

Wesentliche Bedeutung kommt hier dem Umstand zu, daß der Beklagte für die ordnungsgemäße Besorgung der Reinigungsarbeiten in den ihm übertragenen Objekten durch den von ihm selbst rekrutierten Arbeitstrupp verantwortlich ist. Er nimmt (zweifellos innerhalb eines vorgegebenen Kontingentes) die für seinen Bereich erforderlichen Arbeitskräfte selbständig auf und ist berechtigt, deren Dienstverhältnisse selbständig durch Kündigung oder Entlassung zu beenden. Wenn auch die inhaltliche Gestaltung der Arbeitsverhältnisse vorgegeben ist und vom Beklagten nicht geändert werden kann, kommt ihm bereits dadurch ein maßgeblicher Einfluß auf die Dienstverhältnisse anderer Arbeitnehmer zu. Es liegt auf der Hand, daß Interessenkollisionen auftreten, wenn er etwa beabsichtigt, eine Kündigung auszusprechen, oder einen Arbeitnehmer entläßt und dann als Miglied des Betriebsrates bei der Entscheidung gemäß §§ 105, 106 ArbVG tätig zu werden hat. Dazu kommt noch, daß der Kläger in bestimmtem Umfang auch selbständig Leistungsprämien zu vergeben hat, zweifellos auch die Disziplin innerhalb seines Arbeitstrupps zu überwachen und im Hinblick auf die ihm obliegende Verantwortung für die ordnungsgemäße Besorgung der Reinigungsarbeiten auch die Urlaubseinteilung zu besorgen hat. Entscheidend sind dabei nur die tatsächlichen Befugnisse des Angestellten, während seiner kollektivvertraglichen Einstufung demgegenüber keine Bedeutung zukommt.

Der Beklagte ist daher leitender Angestellter im Sinne § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG. Als solcher ist er vom aktiven und passiven Wahlrecht zum Betriebsrat ausgeschlossen. Das auf § 64 Abs 4 ArbVG gestützte Begehren der klagenden Partei wird daher zu Recht erhoben. Daß allenfalls bereits eine neue Betriebsratswahl ausgeschrieben ist, nimmt der klagenden Partei schon deshalb nicht das Rechtsschutzinteresse, weil der Beklagte bei Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz und damit in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt unstrittig dem Betiebsrat noch angehörte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 58 Abs 1 ASGG, §§ 41, 50 ZPO. Mangels einer anderen Grundlage waren die Kosten ausgehend von § 14 lit c RAT zu bemessen. Ein Zuspruch von Gerichtsgebühren hatte nicht zu erfolgen. Eine besondere Bewertungsvorschrift für das hier vorliegende Begehren findet sich im GGG 1984 nicht. Mangels einer besonderen Bemessungsgrundlage sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten gemäß § 17 lit a GGG mit 12.000 S zu bewerten. Arbeitsrechtssachen sind jedoch bis zu einem Wert von 15.000 S von Gebühren befreit.

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