OGH 1Ob538/94

OGH1Ob538/9429.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Immobilien-Makler GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Renate Steiner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Georg S*****, vertreten durch Dr. Georg Zanger, Dr. Alfred J.Noll, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 270.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Juli 1993, GZ 15 R 208/92-18, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. August 1992, GZ 11 Cg 251/91-13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in Ansehung der Abweisung des Begehrens von 10 % Zinsen aus S 270.000,-- seit 30.9.1991, 20 % Umsatzsteuer aus diesen Zinsen und 20 % Umsatzsteuer aus 4 % Zinsen aus S 45.000,-- seit 30.9.1991 bestätigt werden, werden im übrigen dahin abgeändert, daß sie insgesamt zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 270.000,-- samt 4 % Zinsen seit 30.9.1991 sowie 20 % Umsatzsteuer aus 4 % Zinsen aus S 225.000,-- seit 30.9.1991 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 125.875,-- (darin S 26.980,-- Barauslagen und S 16.481,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Verfahren aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war mit der Alleinvermittlung des Verkaufes der Liegenschaft ***** beauftragt. Der Beklagte und Mag. Susanne O***** traten aufgrund eines Zeitungsinserates der Klägerin mit dieser in Verbindung und besichtigten das Objekt am 6.5.1991. Am folgenden Tag kam es zu einer weiteren eingehenden Besichtigung unter Zuziehung eines Architekten, der die Kosten der vorzunehmenden Umbauarbeiten mit rund S 2 Mill. veranschlagte. Der Beklagte richtete daraufhin ein schriftliches Anbot über den Kauf der Liegenschaft zum Preis von S 7,5 Mill. an die Verkäuferin und verpflichtete sich, nach Annahme des Anbotes unwideruflich einen Kaufvertrag abzuschließen. Er verpflichtete sich weiters zur Zahlung einer Provision von S 225.000,-- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, das sind S 45.000,- -, insgesamt daher S 270.000,- -. Die beim Termin anwesende Vertreterin der Klägerin fügte dem Kaufanbot den Zusatz bei „Provision bei Kaufvertrag“. Es wurde weiters vereinbart, daß der Kaufvertrag von der Abgeberin errichtet werden sollte, damit sich der Beklagte Kosten erspare. Dieser Kaufvertrag sollte von einem durch den Beklagten namhaft gemachten Notar kontrolliert werden. Die Verkäuferin nahm das Anbot am 8.5.1991 an, wovon die Klägerin den Beklagten verständigte. Über sein Drängen wurde dem Beklagten am 15.5.1991 der Schlüssel zum Kaufobjekt ausgefolgt.

Der vom Beklagten mit der Planung und Durchführung der Umbauarbeiten beauftragte Baumeister setzte sich mit dem Stadtbauamt in Verbindung, wo ihm mitgeteilt wurde, daß ein neuer Konsensplan erforderlich sei, in welchen von früheren Eigentümern teilweise ohne Bewilligung durchgeführte Umbauten einzuzeichnen seien. Trotz Ersuchen des Beklagten wurden diesem von der Verkäuferin abgesehen von einem Grundrißplan keine Pläne über frühere Umbauarbeiten gesandt. Die Verkäuferin sandte in der Folge einen Kaufvertragsentwurf an den vom Beklagten namhaft gemachten Notar. Der Notar erachtete inhaltliche Änderungen für erforderlich. Auch hinsichtlich eines zweiten von der Verkäuferin übersandten Vertragsentwurfes äußerte der Notar Änderungswünsche. Organe der Verkäuferin erklärten sich zur Durchführung dieser Änderungen bereit, jedoch wurde in der Folge kein neuer Vertragsentwurf übersandt. Mit Schreiben vom 17. Juni 1991 erklärte der Beklagte seinen Rücktritt vom Kaufanbot, da die Liegenschaft mit dem von der Verkäuferin geforderten Kaufpreis überbewertet sei. Der Beklagte erklärte sich jedoch bereit, S 6 Mill. für das Objekt zu bezahlen. Die Verkäuferin entließ daraufhin mit Schreiben vom 20.6.1991 den Beklagten aus dem Vertrag gegen Zahlung eines Betrages von S 10.000,-- für Spesen sowie als Abgeltung des ihr entstandenen Vertrauensschadens.

Der Beklagte beabsichtigte gemeinsam mit Mag. Susanne O*****, das Objekt in zwei Wohneinheiten umzubauen. Die Erstellung eines neuen für die Baubewilligung erforderlichen Konsensplanes hätte ca. S 20.000,-- bis S 25.000,-- gekostet. Ob die von den Voreigentümern bereits vorgenommenen Umbauarbeiten baubehördlich genehmigt worden wären, konnte das Erstgericht nicht feststellen.

Die Klägerin begehrte, den Beklagten zur Zahlung der vereinbarten Provision von S 270.000,-- schuldig zu erkennen. Der Beklagte habe die Unterfertigung des grundbuchsfähigen Kaufvertrages mit der Begründung abgelehnt, er könne sich das Kaufobjekt nicht leisten. Die Klägerin arbeite mit Bankkredit; der Zinssatz von 14 % zuzüglich 20 % Umsatzsteuer aus diesen Zinsen werde aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, daß die Provision erst bei Unterfertigung des dem Kaufanbot entsprechenden Vertrages fällig werden sollte, es jedoch tatsächlich nicht zur Unterfertigung eines solchen Vertrages gekommen sei. Die Verkäuferin habe dem Beklagten die Pläne über Umbauten am Kaufobjekt nicht zur Verfügung gestellt, sodaß die vom Beklagten geplante Sanierung des Objektes nicht möglich gewesen wäre. Die Nachzeichnung der notwendigen Pläne wäre mit enormem Kostenaufwand verbunden gewesen. Auch habe die Verkäuferin nicht wie vereinbart Kaufvertragsentwürfe an den Beklagten übersandt. Hinsichtlich des halben Klagsbetrages mangle es an der Passivlegitimation, da der Beklagte die Liegenschaft nicht allein, sondern gemeinsam mit Mag. Susanne O***** habe erwerben wollen.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte die eingangs wiedergegebenen Feststellungen rechtlich dahin, daß die Rücktrittsgründe des Beklagten in der Sphäre der Verkäuferin gelegen seien, da diese die erforderlichen Einreichpläne nicht ausgehändigt habe. Der Beklagte sei daher bei dem von ihm geplanten Umbau des Objektes „baurechtlich behindert“ worden. Auch habe die Verkäuferin vereinbarungswidrig den Kaufvertragsentwurf mit den gewünschten Änderungen nicht an den vom Beklagten beauftragten Notar übersandt. Da es nicht zur „Ausführung des abgeschlossenen Kaufanbotes“ gekommen sei, stehe der Klägerin kein Provisionsanspruch zu.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die einvernehmliche Aufhebung des abgeschlossenen Geschäftes sei aus wichtigem Grund erfolgt, da der Beklagte durch den Geschäftspartner über den Umfang und die baubehördlich genehmigten bzw. nicht genehmigten Umbauarbeiten im Objekt in Irrtum geführt worden sei. Dies zeige sich deutlich darin, daß die Verkäuferin in ihrem Schreiben Verständnis für die Stornierung des abgeschlossenen Geschäftes durch den Beklagten bekundet habe. Da somit der Beklagte aus wichtigem Grund vom Vertrag zurückgetreten sei, habe das Erstgericht das Zahlungsbegehren zu Recht abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Durch die Annahme des Kaufanbotes des Beklagten durch die Verkäuferin ist zufolge Einigung über Ware und Preis ein Kaufvertrag zustandegekommen. Für die Annahme, die Parteien hätten lediglich einen Vorvertrag im Sinne des § 936 ABGB geschlossen, welcher für sich allein einen Provisionsanspruch nach § 6 HVG noch nicht zum Entstehen bringt (MietSlg. 34.630), ist bei Konsensualverträgen, somit auch beim Liegenschaftskauf, im Zweifel kein Raum, da ohne besonderen Grund nicht anzunehmen ist, die Parteien hätten den umständlicheren Weg der Notwendigkeit des neuerlichen Vertragsabschlusses gewählt (Reischauer in Rummel ABGB2 Rdz 1 zu § 936; NZ 1976, 158; SZ 59/87). Der Annahme des Vertragsabschlusses steht auch nicht entgegen, daß neben der Einigung über Kaufpreis und Kaufgegenstand weitere vertragliche Regelungen über Nebenpunkte fehlen, da diese Regelungen aus dem Willen der Parteien erschlossen oder aus dem Gesetz ergänzt werden müssen.Die Vereinbarung, einen schriftlichen Kaufvertrag zu errichten, macht die Einigung über Kaufgegenstand und Kaufpreis nicht ungültig, da damit lediglich abgesprochen wurde, daß der Vertrag in schriftliche für die grundbücherliche Durchführung notwendige Form gebracht werde. Keinesfalls kann daraus allein geschlossen werden, daß bloß ein Vorvertrag vorliege oder daß die Parteien für den Vertrag einen besonderen Formvorgehalt gemacht haben (Aicher in Rummel 2 Rz 2 zu § 1054; Rummel in Rummel 2 Rz 2 zu § 884; JBl. 1966, 142; SZ 54/112; SZ 59/87).

Daß die Parteien den Vertragsschluß von der Einigung über weitere Vertragspunkte oder von der Unterfertigung eines schriftlichen Kaufvertrages abhängig machen wollten, wurde im Verfahren weder behauptet noch ist es sonst hervorgekommen. Der im Kaufanbot aufscheinende Zusatz „Provision bei Kaufvertrag“ sagt über den Bindungswillen der Parteien nichts aus, sondern betrifft nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes (AS 115) lediglich die Fälligkeit der Provision.

Nach der gemäß § 29 Abs. 1 HVG auf den Provisionsanspruch des Realitätenvermittlers anzuwendenden Bestimmung des § 6 Abs. 2 HVG wird der Anspruch auf die Provision mangels anderer Vereinbarung mit dem Abschlusse des Geschäftes erworben. Nach ständiger Rechtsprechung wird dieser Anspruch des Realitätenvermittlers gemäß § 6 Abs. 3 HVG durch das Unterbleiben der Ausführung des vermittelten Geschäftes in der Regel nicht berührt. Um sich von seiner Provisionspflicht befreien zu können, muß der Zahlungspflichtige nachweisen, daß die Ausführung des vermittelten Geschäftes ohne sein Verschulden infolge einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse unmöglich oder unzumutbar geworden ist. Der Makler soll vor der Willkür oder sonstigen Verschulden des Geschäftsherrn bewahrt bleiben. Der Geschäftsherr soll andererseits dann entschuldigt sein, wenn nach objektiver Auffassung des Verkehrs maßgebliche Tatsachen sein Verhalten rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausführung des Geschäftes bzw. das Bestehen auf der Gegenleistung des Dritten unverschuldet nach Treu und Glauben unzumutbar geworden ist (HS 11.706; MietSlg. 33.556, 34.632; HS 12.637; SZ 58/111; 9 Ob 706/91).

Der Beklagte hat sich im wesentlichen darauf berufen, daß die Verkäuferin die Pläne über frühere Umbauten nicht übersandt habe. Aus den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes ergibt sich, daß die Erstellung neuer, für die Erlangung der Baubewilligung erforderlicher Pläne, ca. S 20.000,-- bis S 25.000,-- gekostet hätte. In Anbetracht dieses Wiederbeschaffungsaufwandes kann aber keine Rede davon sein, daß dem Beklagten das Festhalten am Vertrag nach Treu und Glauben unzumutbar gewesen wäre. Verletzte der Verkäufer die Nebenpflicht zur Beistellung von Bauplänen, käme ohnehin seine Schadenersatzpflicht in Betracht (vgl HS 11.705). Das Erstgericht hat darüber hinaus festgestellt, daß die Verkäuferin dem Beklagten nicht die gewünschten Kaufvertragsentwürfe zugesandt habe. Auch dies allein vermag die Vertragsauflösung nicht zu rechtfertigen. Für die Annahme des Berufungsgerichtes, der Beklagte sei „über den Umfang und die baubehördlich genehmigten bzw. nicht genehmigten Umbauarbeiten im Objekt in Irrtum geführt worden“, findet sich im Verfahren überhaupt kein Anhaltspunkt.

Dem Beklagten ist daher der Beweis nicht gelungen, daß er aus besonderen Gründen entgegen der Bestimmung des § 6 Abs. 3 HVG die vereinbarte Provision nicht schulde. Ebenso ins Leere geht sein Einwand, daß er lediglich hinsichtlich des halben Klagsbetrages passiv legitimiert sei. Der Auftraggeber, der am Abschluß des gesamten einheitlichen Vertrages offensichtlich interessiert ist, wenn auch nur deshalb, um so den Erwerb eines Anteiles für sich zu ermöglichen, haftet mit seinem Partner mangels abweichender Vereinbarung für die ganze Provision solidarisch (SZ 25/2; HS 7567/46; Jabornegg HVG 167).

Die Höhe der vereinbarten Provision ist im Verfahren nicht substantiiert bestritten worden, so daß der Oberste Gerichtshof in der Lage war, in der Sache selbst zu entscheiden. Die Klägerin hat den von ihr angebotenen Beweis höherer aus dem Titel des Schadenersatzes geschuldeter Zinsen im Verfahren nicht angetreten. Mangels Vorliegens eines beiderseitigen Handelsgeschäftes (§ 352 HGB) waren ihr daher nur die bürgerlichrechtlichen Zinsen von 4 % zuzusprechen. Die Umsatzsteuer aus den Verzugszinsen stand nur insoweit zu, als der Kapitalsbetrag nicht selbst eine Umsatzsteuerforderung darstellte (SZ 52/42).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO.

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