OGH 2Ob10/94

OGH2Ob10/9424.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Y***** Limited (Gesellschaft nach dem Recht der britischen Kronkolonie Gibraltar), ***** Gibraltar, vertreten durch Dr.Gerhard Blasche, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dkfm.Ing.Franz E***** und 2.) Harald E*****, beide vertreten durch Dr.Wilhelm Traunwieser und Dr.Herbert Hübel, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen DM 136.412,48 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 2.November 1993, GZ 1 R 228/93-92, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 29.Juli 1993, GZ 10 Cg 360/88-88, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 29.8.1986 ereignete sich ein Zusammenstoß zwischen der der klagenden Partei gehörenden Segelyacht J***** und der dem Erstbeklagten gehörenden und vom Zweitbeklagten gesteuerten Segelyacht H***** während der vierten Wettfahrt zum "R***** Cup" .

Die klagende Partei begehrt den Ersatz der durch die Schiffskollision entstandenen Schäden und brachte dazu vor, sowohl der Kapitän der J***** als auch der Kapitän der H***** hätten aus einer Entfernung von etwa 100 m erkannt, daß bei Beibehaltung der jeweiligen Kurse der Yachten es zu einer Kollision kommen würde. Die Yacht H***** habe den Wind von backbord (links) gehabt, die Yacht der klagenden Partei von Steuerbord (rechts). Gemäß Regel 36 IYRU (Wettsegelbestimmung) habe demnach die Yacht der klagenden Partei Vorfahrt vor jener der Beklagten gehabt. Der Zweitbeklagte als Kapitän der H***** habe durch Handzeichen zu verstehen gegeben, daß er ausweichen werde. H***** habe jedoch zunächst ihren Kurs in Richtung auf die Yacht der klagenden Partei beibehalten, offensichtlich um möglichst wenig Raum zu verlieren und möglichst knapp hinter dem Heck der Vorfahrtsberechtigten J***** auszuweichen. Dadurch sei es zur Kollision gekommen. Vor allem sei die Kollision darauf zurückzuführen, daß auf der H***** im Zuge des Ausweichmanövers die Segel nicht gefiert (bedeutet: gelöst) wurden. Gerade bei stärkerem Wind könnten Boote ihren Kurs vom Wind weg nur ändern, wenn die Segel gelöst sind, andernfalls zufolge eines zu starken Druckes auf dem Ruder ein Ausweichen nicht möglich sei. Die Yacht der klagenden Partei habe zur Verhinderung der Kollision nichts beitragen können, weil sich in ihrer unmittelbaren Nähe eine Vielzahl weiterer Boote befunden habe, sodaß ein Wenden nicht möglich gewesen sei. H***** habe auch ausdrücklich anerkannt, die Vorfahrtberechtigung verletzt zu haben, H***** sei vom Wettfahrtskomitee auch disqualifiert worden.

Die Beklagten wendeten ein, der Zweitbeklagte habe als Führer der Yacht H***** versucht, achterlich von der Yacht J***** klar zu halten. Gerade als ein ordnungsgemäßes Passieren der Boote schon sicher schien, sei plötzlich eine Bö aufgetreten, sodaß die Yacht H***** aus dem Ruder gelaufen sei, in der Folge stark angeluvt und gänzlich unerwartet die Yacht der Klägerin mit ihrem Bug im achterlichen Drittel getroffen habe. Da die Kollision auf eine unerwartete Windbö zurückzuführen sei, treffe den Zweitbeklagten als Kapitän kein vorwerfbares Verschulden.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Forderung der klagenden Partei dem Grunde nach gegenüber den beklagten Parteien zur Gänze zur Recht bestehe.

Dabei ging es im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Segelyacht J***** steht im Eigentum der klagenden Partei. Der Erstbeklagte ist Eigentümer der Segelyacht H*****. Er kommt für die laufenden Kosten der Erhaltung dieser Yacht auf und bestimmt über deren Verwendung. Beide Schiffe sind in London registriert.

Der Regatta "R***** Cup" lagen die von den Teilnehmern einzuhaltenden Wettsegelbestimmungen IYRU (Racing Rules of the International Yacht Racing) zugrunde. Regel 36 lautet: Eine Yacht mit dem Wind von backbord (links) muß sich von einer Yacht mit Wind von steuerbord (rechts) freihalten (bedeutet: dieser Yacht die Vorfahrt gewähren).

Der Start zu dem Rennen erfolgte ungefähr 3 bis 4 nautische Seemeilen östlich des Einganges des auf Sardinien gelegenen Hafens von P*****. Die Kollision erfolgte während der am 29.8.1986 stattfindenden 4. Wettfahrt kurz nach dem Start. Die H***** wurde vom Zweitbeklagten als deren Kapitän gesteuert. Es herrschte starker böiger Wind.

In der nach dem Start gegebenen Situation vor der Kollision fuhren die teilnehmenden Schiffe eng beieinander. Der Kurs der J***** IV war der, daß sie den Wind von rechts vorne hatte. Die H***** hielt einen Kurs ein, der in einem etwa rechten Winkel zu dem von der J***** eingehaltenen Kurs verlief und bei welchem die H***** den Wind von links vorne hatte. Der Zweitbeklagte beabsichtigte, der J***** die ihr angesichts der Kurse der beiden Schiffe in bezug auf den Wind zukommende Vorfahrt zu gewähren und in Fahrtrichtung der H***** gesehen der J***** nach rechts auszuweichen und hinter dem Heck der J***** vorbeizufahren. Dementsprechend wurde die Fahrtrichtung der H***** nach rechts geändert. Demzufolge war die Fahrtrichtung der H***** derartig, daß sie die rund 20 m lange J***** in einer Entfernung von 5 bis 10 m hinter deren Heck passiert hätte. Durch eine zunehmende Stärke des Windes legte sich die H***** mehr auf die rechte Seite und lief aus dem Ruder, dh sie geriet wieder mehr nach links. Dadurch fuhr die H***** auf die J***** zu und rammte diese, wobei sie mit dem Bug gegen die linke Seite der J***** stieß. Für die J***** bestand auf Grund der neben ihr fahrenden Schiffe keine Möglichkeit, der H***** auszuweichen. Ein Fieren (Lösen) der Segel der H***** wäre möglich gewesen, wodurch sich deren Geschwindigkeit verringert hätte.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, nach Art 3 des Übereinkommens vom 23.9.1910 zur einheitlichen Feststellung bestimmter Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen, RGBl 1913/33, obliege dann, wenn der Zusammenstoß durch Verschulden eines der Schiffe herbeigeführt worden sei, der Ersatz des Schadens dem Schiff, dem das Verschulden zur Last falle. Das Verschulden treffe die H*****, weil sie gegen die Regel 36 IYRU verstoßen habe. Sie hätte ihre Fahrt aufgrund dieser Regel derart ausrichten müssen, daß eine Behinderung oder Gefährdung der J***** hintangehalten werden. Das Vorliegen einer Bö könne die H***** nicht entschuldigen, weil vom Beginn an stärkerer und auch böiger Wind herrschte, es hätte daher mit dem Auftreten von Böen gerechnet werden müssen.

Die Frage, welche Personen für ihr eigenes oder das Verschulden anderer zur Haftung herangezogen werden könnten, werde vom erwähnten Übereinkommen dem natioalen Recht überlassen. Gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 IPRG seien außervertragliche Schadenersatzansprüche nach dem Recht des Handlungsortes zu beurteilen. Im Hinblick auf die Registrierung beider unfallsbeteiligter Schiffe in London bestehe aber eine stärkere Beziehung zum englischen Recht, sodaß gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 IPRG dieses Recht maßgebend sei. Nach englischem Recht hafteten sowohl der Kapitän bzw Steuermann, (sohin der Zweitbeklagte), als auch der Eigentümer des Schiffes (sohin der Erstbeklagte).

Das von den Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei.

Auch das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, es sei das Überkommen vom 23.9.1910 RGBl 1913/33 zur einheitlichen Feststellung bestimmter Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen anzuwenden. Sowohl Österreich, als auch Großbritannien und Italien seien Vertragsstaaten dieses Übereinkommens. Dem Abkommen sei eine Einschränkung dahin, daß es auf sportliche unter Wettkampfbedingungen erfolgte Zusammenstöße nicht anwendbar sei, nicht zu entnehmen. Gemäß Art 3 des Übereinkommens sei beim Zusammenstoß durch das Verschulden eines der Schiffe das Schiff, dem ein Verschulden zur Last liege, schadenersatzpflichtig. Unter Verschulden eines Schiffes sei jedes auf Seite eines der Schiffe ursächliche Verschulden zu verstehen. Darunter falle jedenfalls das Verschulden der Besatzung, also des Zweitbeklagten als Kapitän. Das Verschulden des Zweitbeklagten und der ihm unterstellten Besatzung liege darin, daß er trotz vorhandener Möglichkeit durch Wahl einer anderen Fahrlinie oder einer anderen Geschwindigkeit die Schiffskollision nicht verhindert habe. Der Zweitbeklagte wäre verpflichtet gewesen, das Ausweichmanöver so zu gestalten, daß er auch bei Auftreten einer Windbö, mit der angesichts der damaligen Witterungsverhältnisse gerechnet werden mußte, eine Kollision vermeiden konnte. Wenngleich bei Sportarten, die in Gemeinschaft ausgeübt werden, typischerweise verbundene Gefährdungen als erlaubtes Risiko angesehen werden, stellten sorgfaltswidrige Verstöße gegen die Wettkampfregeln, welche dazu dienen, erhebliche Schäden zu verhindern, ein verschuldensbegründendes Verhalten dar. Der Zweitbeklagte habe gegen die Wettkampfregeln verstoßen und den Vorrang der Yacht der klagenden Partei verletzt.

Unrichtig sei aber die Ansicht des Erstgerichtes, das genannte Abkommen überlasse die Frage, welche Personen für ihr eigenes oder das Verschulden anderer zur Haftung herangezogen werden könnten, dem nationalen Recht. Das Verschulden des "Schiffes" im Sinn des Art 3 des Abkommens umfasse nicht nur das Verschulden der Besatzung, sondern jedes auf seiten eines der Schiffe ursächliche Verschulden, sohin auch das des Reeders. Daß das Wort "Schiff" lediglich diejenigen Personen bezeichnen solle, welche (als Dritte) die Haftung des Schiffseigentümers herbeizuführen geeignet sind, lasse sich Art 3 des Übereinkommens nicht entnehmen. Das bedeute, daß der Erstbeklagte im Hinblick auf das Verschulden des Zweitbeklagten unabhängig von der Rechtsbeziehung zwischen den beiden Beklagten als Eigentümer des Schiffes der Klägerin schadenersatzpflichtig sei, sodaß das Erstgericht im Ergebnis zutreffend die Haftung beider Beklagter bejaht habe.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil zum erwähnten Abkommen keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Verfügung stehe.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Parteien aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidungen dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vertreten die Beklagten die Meinung, das von den Vorinstanzen zitierte Abkommen sei auf sportliche wettkampfmäßige Schiffahrt nicht anzuwenden. Vielmehr sei für die Beurteilung außervertraglicher Schadenersatzansprüche das Recht des Deliktsortes, sohin italienisches Recht, maßgeblich. Die Registrierung der Schiffe in England sei als zufällig anzusehen, so daß zum englischen Recht keine stärkere Beziehung bestehe. Sollte aber dennoch das Abkommen vom 23.9.1910 anwendbar sein, so müsse subsidär eine Anknüpfung nach § 48 Abs 1 IPRG vorgenommen werden, weil das Abkommen nur vom "Verschulden eines Schiffes" spreche, die Frage, welche Personen für ihr eigenes oder das Verschulden anderer zur Haftung herangezogen werden könnten, nach dem sich aus der Anknüpfung gemäß der Bestimmung des § 48 Abs 1 IPRG ergebenden nationalen Recht zu lösen sei.

In der Revision wird auch das Verschulden des Zweitbeklagten bestritten und eingewendet, der Schaden sei während eines Wettkampfes eingetreten; bei in Gemeinschaft ausgeübten Sportarten seien dabei typischerweise verbundene Gefährdungen als erlaubtes Risiko anzusehen. Im vorliegenden Fall sei auch zu bedenken, daß nicht nur Menschen, sondern auch Naturgewalten, wie Wind und Wellen, welche nicht immer genau berechenbar seien, beteiligt seien.

Einzige Ursache des Unfalles sei eine plötzlich aufkommende Windbö und das dadurch für kurze Zeit instabile Schiff gewesen. Der Zweitbeklagte habe grundsätzlich alles Mögliche getan, um der klägerischen Yacht auszuweichen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 53 IPRG werden Bestimmungen zwischenstaatlicher Vereinbarungen durch dieses Bundesgesetz nicht berührt; zu diesen zwischenstaatlichen Vereinbarungen zählt auch das Übereinkommen vom 23.9.1910 RGBl 1913/33 zur einheitlichen Feststellung bestimmter Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen (IÜZ). Das IÜZ regelt ganz allgemein bei einer Beteiligung von Schiffen verschiedener Nationalität die Haftung, wenn Schäden durch Kollision oder Fernschädigung eintreten. Das IÜZ ist lediglich dann nicht anzuwenden, wenn

a) Kriegsschiffe oder ausschließlich für öffentliche Dienste bestimmte Staatsschiffe beteiligt sind;

b) Schiffe, die nicht Vertragsstaaten angehören, sofern nicht die Gegenseitigkeit verbürgt ist, beteiligt sind oder

c) wenn alle Beteiligten demselben Staat angehören, wie das mit der Sache befaßte Gericht (Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht3, 865 f).

Da im vorliegenden Fall an dem klagsgegenständlichen Unfall Schiffe verschiedener Nationalität beteiligt waren und die eben erwähnten Gründe für die Nichtanwendbarkeit des IÜZ nicht gegeben sind, ist das IÜZ der Beurteilung der Ersatzansprüche der klagenden Partei zugrundezulegen. Gemäß Art 3 IÜZ obliegt dann, wenn der Zusammenstoß durch Verschulden eines der Schiffe herbeigeführt wurde, der Ersatz des Schadens dem Schiffe, dem das Verschulden zur Last fällt. Unter dem Verschulden eines der "Schiffe" ist jedes auf seiten eines der Schiffe ursächliche Verschulden zu verstehen (BGH, IPRAX 1981, 99). Das bedeutet also für den vorliegenden Fall, daß der Erstbeklagte als Reeder (das ist der Eigentümer des Schiffes, § 484 HGB), im Falle eines Verschuldens des zweitbeklagten Kapitäns an der Kollision für den Schaden der klagenden Partei einzutreten hat. Was als Verschulden gilt, sagt zwar das IÜZ nicht (Schaps/Abraham, Seehandelsrecht II4, 1316), doch ist ein solches ohne Zweifel anzunehmen, wenn Wettkampfbestimmungen, denen sich die Teilnehmer unterworfen haben und die dazu dienen, erhebliche Schäden zu verhindern, nicht eingehalten werden. Die Teilnahme an einem Rennen berechtigt die Fahrer keineswegs dazu, die übernommenen Wettkampfregeln zu übertreten oder die ihnen obliegende Pflicht zur Vorsicht und Aufmerksamkeit außer acht zu lasen (vgl JBl 1989, 450). Wenn nun der Zweitbeklagte die die Vorfahrt auf kreuzenden Kursen festlegende Regel 36 IYRU nicht ausreichend beachtete, ist ihm dies auch als Verschulden anzulasten. Die Berufung auf eine plötzlich einfallende Windbö versagt, weil bereits am Start starker und auch böiger Wind herrschte. Der Zweitbeklagte hätte daher mit dem Auftreten einer Bö rechnen und entsprechenden Abstand zur Yacht der klagenden Partei einhalten müssen.

Zutreffend haben daher die Vorinstanzen die Haftung des erstbeklagten Reeders aufgrund des Verschuldens des zweitbeklagten Kapitäns an der Kollision bejaht.

Das IÜZ regelt aber lediglich die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Reeder für Kollisionsschäden haftet (Prüßmann/Rabe, aaO 865; Schaps/Abraham, aaO, 1317). Die Haftung des an der Kollision schuldigen Besatzungsmitgliedes (im vorliegenden Fall des Kapitäns) ist im IÜZ nicht geregelt. Unter dem "Schiff", dem der Ersatz des Schadens nach Art 3 IÜZ obliegt, ist der Eigentümer des Schiffes, also der Reeder zu verstehen, nicht aber das schuldtragende Besatzungsmitglied. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des BGH IPRAX 1981, 99. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstreit war der Reeder in Anspruch genommen worden, nicht aber der schuldtragende Kapitän. Es wurde in dieser Entscheidung vom BGH ausgeführt, der beklagte Reeder hafte nach Art 3 IÜZ auch insoweit, als es um ein etwaiges eigenes Verschulden gehe. Das Verschulden eines der Schiffe iSd Art 3 IÜZ umfasse jedes auf seiten eines der Schiffe ursächliche Verschulden, mithin auch das des Reeders. Die Frage der Haftung des schuldtragenden Besatzungsmitgliedes nach Art 3 IÜZ war aber nicht zu beurteilen.

Mangels einer Anwendbarkeit des IÜZ auf den gegen den Zweitbeklagten geltendgemachten Schadenersatzanspruch ist zuerst die Frage des insoweit anzuwendenden Rechtes zu klären. Gemäß § 48 Abs 1 IPRG sind außervertragliche Schadenersatzansprüche - wie sie hier von der klagenden Partei geltend gemacht wurden - nach dem Recht des Staates zur beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist. Besteht jedoch für die Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates, so ist dieses Recht maßgebend. Wenngleich über die Einzelheiten des Ausweichklauseltatbestandes des § 48 Abs 1 Satz 2 IPRG verschiedene Lehrmeinungen bestehen (siehe Schwimann in Rummel2, Rz 5 b zu § 48 IPRG), muß eine Formel, die eine sinnvolle Auflockerung des Deliktsstatuts ermöglichen soll, schmiegsam gehalten sein, damit unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles dem Grundsatz der stärksten Beziehung voll Rechnung getragen werden kann (SZ 54/133). Es genügt aber nicht "irgendeine" stärkere Beziehung, sondern es ist eine solche erforderlich, bei der die Sachverhaltsbeziehungen zum Recht des anderen Staates für beide Parteien in einem Maße überwiegen, das die Beziehungen zum Deliktsort vergleichsweise nebensächlich und zufällig erscheinen läßt (Schwimann, aaO, Rz 5a zu § 48 IPRG mwN). Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Ansicht ist eine derartige überwiegende Beziehung zum englischen Recht für die klagende Partei und den Zweitbeklagten nicht gegeben. Gerade für den Zweitbeklagten stellt die Registrierung der beiden Schiffe in London eher eine Zufälligkeit dar, sodaß auf das Recht des Deliktsortes abzustellen ist. Da sich der Unfall in italienischen Hohheitsgewässern ereignete (siehe hiezu Neuhold-Hummer-Schreuer, Österreichischen Handbuch des Völkerrechts I2, RZ 1955 f; Verdross-Simma, Universelles Völkerrecht3, § 1071), ist der von der klagenden Partei gegenüber dem Zweitbeklagten geltendgemachte Schadenersatzanspruch nach italienischem Recht zu beurteilen. Nach Art 2043 CC verpflichtet jede vorsätzliche oder fahrlässige Handlung, die einem anderen einen rechtswidrigen Schaden zufügt, denjenigen der sie begangen hat, zum Schadenersatz. Im Hinblick auf die Verletzung des Eigentums der klagenden Partei durch das Verschulden des Zweitbeklagten haben die Vorinstanzen zu Recht auch den Ersatzanspruch diesem gegenüber bejaht, sodaß der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 393 Abs 4, 52 Abs 2 ZPO.

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