OGH 4Ob29/94

OGH4Ob29/9422.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** GmbH, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 8. November 1993, GZ 1 R 143/93-12, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 29.Juni 1993, GZ 38 Cg 70/93t-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

32.463 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.410,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung

Die Klägerin vertreibt verschiedene kosmetische Artikel, darunter auch Zahnpflegeprodukte der Marken M*****, S***** und Z*****. Die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Beklagte vertreibt ua das Zahnpflegemittel "Perlweiß". Sie liefert es seit Jahren nach Österreich und wirbt dafür ua mit Werbespots im Fernsehen.

Seit Juni 1992 war im ORF ein von der Beklagten geplanter, gestalteter und realisierter Werbefilm zu sehen, in welchem eine Frau in sportlich-eleganter Bekleidung vor einem als Arztpraxis erkennbaren Hintergrund auftrat und sich wie folgt äußerte:

"Mein Mann ist Zahnarzt. Deshalb kenne ich mich mit Zahnweißpräparaten aus. Etwas besseres als Perlweiß habe ich nicht gefunden. Perlweiß, das Schönheitszahnweiß entfernt jeden Zahnbelag."

Auf Antrag der Klägerin hatte das Erstgericht der Beklagten im Hinblick auf diesen Werbespot mit einstweiliger Verfügung vom 7. Jänner 1993, 38 Cg 473/92-3, aufgetragen, in der Werbung für das Zahnpflegeprodukt "Perlweiß" Hinweise auf ärztliche Empfehlungen und/oder auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen, insbesondere eine Fernsehwerbung, in der eine Frau in Räumlichkeiten einer Arztordination das Zahnpflegeprodukt "Perlweiß" mit der Aussage "Mein Mann ist Zahnarzt, deshalb kenne ich mich mit Zahnweißpräparaten aus" empfiehlt, zu unterlassen.

In der Folge wurde im ORF folgender Werbespot der Beklagten gesandt:

Eine junge Frau tritt in eleganter Straßenkleidung in einen nüchtern gehaltenen Raum, der insgesamt den Eindruck eines Büroraumes erweckt und in welchem sich ein kleiner Computermonitor befindet; dabei spricht sie folgenden Text "Ich als Zahnarztfrau nehme Perlweiß gegen Zahnbeläge. Schauen Sie, wie weiß meine Zähne sind, ich kenne nichts Besseres als Perlweiß". Danach wird die junge Frau ausgeblendet und bildschirmfüllend das Produkt "Perlweiß" in zwei Varianten gezeigt.

Dazu ist die Stimme eines männlichen Sprechers zu hören: "Perlweiß, das Schönheitszahnweiß und für starke Raucher das atemfrische Gel Perlweiß extra. So werden Zähne viel, viel weißer".

Mit der Behauptung, daß diese Werbung gegen § 9 Abs 1 lit b, § 26 Abs 2 LMG und damit gleichzeitig gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoße, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, in der Werbung für das Zahnpflegeprodukt "Perlweiß" auf ärztliche Empfehlungen hinzuweisen, und zwar insbesondere durch die Verwendung einer Fernsehwerbung, in der eine Frau "als Zahnarztfrau" das Zahnpflegeprodukt mit der Aussage "Ich als Zahnarztfrau nehme Perlweiß gegen Zahnbeläge. Ich kenne nichts besseres als Perlweiß" empfiehlt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Da die Klägerin mit der einstweiligen Verfügung zu 38 Cg 473/92 des Erstgerichtes schon über einen entsprechenden Exekutionstitel verfüge, fehle ihr das Rechtsschutzinteresse. Aus demselben Grund sei die Klageführung schikanös. Im übrigen verstoße der Werbespot nicht gegen § 9 Abs 1 lit b LMG.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der beanstandete Werbespot enthalte keine ärztliche Empfehlung. Der durchschnittliche Betrachter des Werbefilms sei nämlich durchaus gewohnt, daß berufstätige Ehefrauen ihre eigene Meinung vertreten und nicht unbedingt die Meinung ihres Ehemannes weitergeben.

Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der durchschnittliche Betrachter verstehe die Äußerung der im Werbefilm auftretenden "Zahnarztgattin" dahin, daß sie bei der Wahl des Zahnpflegemittels von ihrem fachkundigen Ehegatten beraten worden sei. Es werde demnach mit einer zahnärztlichen Empfehlung geworben. Im Verfahren 38 Cg 473/92 des Handelsgerichtes Wien sei es um einen anderen Werbespot gegangen. Hier liege somit ein neuer und selbständig zu beurteilender Verstoß vor, so daß keine Identität der beiden Begehren gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Rechtsschutzinteresse nicht im Einklang steht; er ist auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht dann, wenn der Kläger bereits einen Exekutionstitel zur Durchsetzung seines Anspruches (hier: der Unterlassung einer wettbewerbswidrigen Handlung) hat, einer neuerlichen Klageführung die (materiellrechtliche) Einrede des mangelnden Rechtschutzbedürfnisses entgegen, welche zur Abweisung des Klagebegehrens führt (SZ 21/124; SZ 48/116; ÖBl 1979, 81 mwN; ÖBl 1981, 25 = JBl 1981, 41 mit Anm von Böhm; RdW 1986, 44; SZ 63/109 ua). Dieser Rechtsprechung ist - wie der erkennende Senat schon ausgesprochen hat (4 Ob 126/93) - entgegen einer teilweise in der Lehre vertretenen Auffassung (Fasching LB2 Rz 742; Konecny in RdW 1986, 37; Graff in ecolex 1990,

294) auch durch § 54 Abs 4 AO, § 60 Abs 2 und § 156 a Abs 3 KO - jeweils idF des mit 1.1.1983 in Kraft getretenen IRÄG BGBl 1982/370 - schon deshalb nicht der Boden entzogen worden, weil der Gesetzgeber damit nur dem Umstand Rechnung tragen wollte, daß unbestrittenen Forderungsanmeldungen und Auszügen aus Anmeldungsverzeichnissen im Hinblick darauf, daß zahlreiche Staaten, die zwar österreichische Urteile vollstrecken, aber eine Exekution aufgrund eines Auszuges aus einem österreichischen Anmeldungsverzeichnis ablehnen, eine geringere Wirkung als vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen zukomme (EBzRV des IRÄG, 3 BlgNR 15.GP 41). Eine rechtskräftige einstweilige Verfügung nimmt freilich dem daraus berechtigten Kläger nicht das Rechtschutzbedürfnis an der Erwirkung eines inhaltsgleichen Urteils (SZ 63/109).

Zutreffend verweist die Beklagte darauf, daß der Klägerin bei Anwendung dieser Grundsätze das Rechtsschutzinteresse an der beantragten einstweiligen Verfügung fehlt. Da es hier nur um den Sicherungsantrag geht, braucht auf die von der Klägerin in der Revisionsrekursbeantwortung vorgebrachten Argumente zur Begründung ihres Rechtsschutzinteresses an der Erlangung eines stattgebenden Urteils nicht eingegangen zu werden.

Schon vor der Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses im vorliegenden Verfahren hatte das Erstgericht die einstweilige Verfügung vom 7.Jänner 1993, 38 Cg 473/92-3, erlassen; diese war - wie der Oberste Gerichtshof erhoben hat - vom Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 17.Mai 1993, 4 R 32/93, bestätigt worden. Aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin in erster Instanz (S 53) geht hervor, daß der bestätigte (und nach der damaligen Rechtslage jedenfalls unanfechtbare) Beschluß des Rekursgerichtes den Parteien noch vor der Erlassung des Beschlusses erster Instanz (in diesem Verfahren) zugestellt worden war; zu diesem Zeitpunkt konnte daher die Klägerin auf Grund der einstweiligen Verfügung Exekution führen, auch wenn - wie in der Revisionsrekursbeantwortung behauptet - das Erstgericht seinerzeit dem Rekurs gegen diesen Beschluß aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte.

Mit der genannten einstweiligen Verfügung war der Beklagten (ua) aufgetragen worden, "in der Werbung für das Zahnpflegeprodukt 'Perlweiß' Hinweise auf ärztliche Empfehlungen zu unterlassen". Dieses allgemein gehaltene Verbot erfuhr durch die Anführung der konkreten beanstandeten Werbung nach dem Wort "insbesondere" - anders als es etwa beim Gebrauch der Worte "und zwar" gewesen wäre - keine Einschränkung (so schon Schönherr kritisch zu ÖBl 1977, 109 [111]; ders, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Grundriß 43 f, Rz 510.2; OGH ÖBl 1990, 18 - Mafiaprint). Das von der Klägerin erwirkte Gebot ermöglicht ihr nach seinem Wortlaut eine Exekutionsführung wegen jeglicher Hinweise auf ärztliche Empfehlungen in der Werbung für "Perlweiß" (Schönherr Grundriß aaO; ÖBl 1990, 18). Daß dieses Gebot - wie die Klägerin meint (S 51) - für sich allein zu unbestimmt für eine Exekutionsbewilligung wäre, trifft nicht zu. Bei der Fassung des Unterlassungsbegehrens und -gebotes sind zwei Fragen auseinanderzuhalten, nämlich jene, ob das Begehren hinreichend bestimmt ist, und jene, wie weit es angesichts der - begangenen oder drohenden - Rechtsverletzung gehen darf (Deimbacher, Wie weit darf ein Unterlassungsbegehren gefaßt sein?, ÖBl 1980, 36 f; Schönherr, Grundriß aaO 43 Rz 510.1; Korn im MR 1989, 222 f [223]; ÖBl 1991, 105; ÖBl 1991, 108). Der auf Antrag der Klägerin gefaßte Spruch der einstweiligen Verfügung ist keinesfalls unbestimmt im Sinn des § 226 Abs 1 ZPO und des § 7 Abs 1 EO, kann doch auf Grund eines so allgemein gehaltenen Verbotes ohne weiters geprüft werden, ob das im Exekutionsantrag - konkret (SZ 55/6; SZ 57/137 uva) - zu behauptende Verhalten des Verpflichteten dagegen verstoßen hat. In solchen Fällen stellt sich in Wahrheit nur das Problem, ob der Spruch nicht zu weit gefaßt ist (ÖBl 1990, 18; ÖBl 1991, 105). Diese - nach dem materiellen Recht zu beurteilende (Deimbacher aaO; ÖBl 1991, 105 ua) - Frage braucht aber hier nicht beantwortet zu werden, weil die mehrfach erwähnte einstweilige Verfügung in Rechtskraft erwachsen und vollstreckbar ist.

Der Klägerin wäre es daher - im maßgeblichen (§ 409 ZPO) Zeitpunkt der Entscheidung über den hier zu beurteilenden Sicherungsantrag - möglich gewesen, mit dem hier erstatteten Vorbringen, daß nämlich in der neuen Werbesendung abermals (indirekt) eine ärztliche Empfehlung für "Perlweiß" enthalten sei, Exekution auf Grund der einstweiligen Verfügung 38 Cg 473/92 zu beantragen. Ihr Rechtsschutzbedürfnis muß daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung verneint werden.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher der Beschluß des Erstgerichtes (im Ergebnis) wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

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