OGH 5Ob1/94

OGH5Ob1/948.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Grundbuchseintragung ob den Liegenschaften EZ ***** und ***** je des Grundbuches ***** infolge Revisionsrekurses 1.) der Antragstellerin und 2.) des Johann F*****, Landwirt, ***** beide vertreten durch Dr.Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in Wien sowie 3.) der Stadtgemeinde *****, vertreten durch Dr.Willi Fuhrmann, Dr.Helmut Steiner und Dr.Thomas Weber, Rechtsanwälte in Baden, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 26. August 1993, GZ R 349/93, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 31.März 1993, TZ 1940/93, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin hatte von den Eigentümern der Liegenschaften EZ ***** (enthaltend unter anderem das Grundstück 150/1; Eigentümer:

Johann Fischer), ***** und ***** je des Grundbuches ***** entsprechend einem den Kaufverträgen zugrundeliegenden Teilungsplan verschiedene Teilflächen, darunter die Teilflächen 11 bis 14 des Grundstückes 150/1, zwecks Schaffung zweier Bauplätze gekauft. Einzelne Teilflächen, darunter die Teilflächen 11 und 12 des Grundstückes 150/1 waren laut Bescheid der Baubehörde gemäß § 13 NÖBauO der Gemeinde frei von in Geld ablösbaren Lasten abzutreten, und zwar nach dem Inhalt des Teilungsplanes durch Zuschreibung zur Liegenschaft EZ *****.

Ob der Liegenschaft EZ ***** ist unter A 2-LNR 6a die Rangordnung für die Veräußerung der Grundstücke 150/1 und 154/1 bis 19.7.1993 (TZ 4595/1992) sowie unter A 2-LNR 7a die von den Eigentümern einer Nachbarliegenschaft angestrengte Klage auf Ersitzung einer Teilfläche des Grundstückes 150/1 (TZ 8319/1992) angemerkt.

Die Antragstellerin beantragte im Rahmen der Verbücherung der Kaufverträge entsprechend dem Teilungsplan unter anderem unter Berufung auf die Rangordnungsanmerkung TZ 4595/1992 die lastenfreie Abschreibung der Teilflächen 11 und 12 (und Zuschreibung derselben zu der für das öffentliche Gut der betreffenden Gemeinde bestehenden Liegenschaft EZ *****) und der Teilflächen 13 und 14 (und Zuschreibung dieser zu der für die Antragstellerin neu zu eröffnenden Einlage), jeweils ohne Mitübertragung der obengenannten Anmerkung der Ersitzungsklage.

Das Erstgericht entschied entsprechend dem Antrag der Antragstellerin; die Punkte III. 1.) c) und d) sowie III. 4.) c) und

d) des erstgerichtlichen Beschlusses betreffen die lastenfreie Abschreibung der Teilflächen 11 bis 14.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs der Eigentümer der Nachbarliegenschaft, welche die Anmerkung der Ersitzungsklage erwirkt hatten, den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Ab- und Zuschreibungen der Teilflächen 11 bis 14 nur unter Mitübertragung der Anmerkung der Ersitzungklage (A 2-LNR 7a) bewilligt wurde.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtlich führte das Rekursgericht im wesentlichen folgendes aus:

Gemäß § 70 GBG könne die Anmerkung des Streites auch demjenigen bewilligt werden, der aus dem Grund der Ersitzung (§ 1498 ABGB) die Zuerkennung eines dinglichen Rechtes begehre. Diese Klagsanmerkung solle den Ersitzungsbesitzer gegen den gutgläubigen Rechtserwerb eines Dritten, der zum Verlust des ersessenen Rechtes führen würde, schützen (Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 1498). Diese Streitanmerkung könne auch dann erfolgen, wenn die Ersitzungklage gegen den schlechtgläubigen bücherlichen Nachmann des seinerzeitigen Ersitzungsbesitzers, gegen den die Ersitzungszeit vollendet worden sei, erhoben werde (RZ 1988/67).

Gemäß § 1500 ABGB könne das aus der Ersitzung erworbene Recht demjenigen, der im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht habe, zu keinem Nachteil gereichen. Es werde daher das Vertrauen Gutgläubiger auf die Vollständigkeit des Buchstandes geschützt. Der gute Glaube müsse aber sowohl im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wie auch im Zeitpunkt des Ansuchens durch Einverleibung gegeben sein (Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 1500 mwN; SZ 47/29, NZ 1980, 78). Werde im Grundbuch zuerst die Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung und dann die Streitanmerkung nach § 70 GBG eingetragen so sei der gute Glaube des Erwerbers dieser Liegenschaft auch dann ausgeschlossen, wenn der Kaufvertrag vor Anmerkung der Ersitzungsklage abgeschlossen worden sei. Dies folge daraus, daß der gute Glaube des Erwerbers auch zur Zeit des Ansuchens um die Einverleibung seines Rechtes noch vorliegen müsse.

Ein Rangordnungsbeschluß nach § 53 Abs 1 GBG habe die Wirkung, daß spätere Eintragungen den berechtigten Inhaber des Rangordnungsbeschlusses nicht mehr schaden könnten. Gemäß § 57 Abs 1 GBG sei daher auf Ansuchen desjenigen, für den die Einverleibung vorgenommen worden sei, die Löschung derjenigen Eintragungen zu verfügen, die in Ansehung dieser Liegenschaft nach Überreichung des Anmerkungsgesuches bewirkt worden seien. § 57 Abs 1 GBG sei allerdings einschränkend dahin auszulegen daß nach dieser Gesetzesstelle nur diejenigen Zwischeneintragungen zu löschen seien, welche eine Beeinträchtigung des dinglichen Rechtes des Erwerbers bedeuten würden, die also eine (richtig: neue) Verfügung oder Belastung enthalten, nicht aber solche die sich auf ein Recht beziehen, das der Anmerkung vorgehe (MGA Grundbuchsrecht4 § 57 GBG/E 12). Der Erwerber müsse sich daher jene Zwischeneintragungen gefallen lassen, die ohne seine Zustimmung hätten erwirkt werden können, wenn er schon im Zeitpunkt der Anmerkung einverleibt gewesen wäre (JBl 1991, 241 ua). § 57 GBG gelte daher nicht für Streitanmerkungen, die zwar nach der Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung, jedoch vor der Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erwerbers im Range der Rangordnung verbüchert worden seien. Es dürfe daher gemäß § 57 GBG die auf die Eigentumseintragung des Veräußerers bezügliche, der Rangordnungsanmerkung nachfolgende Streitanmerkung nicht gelöscht werden. Dürfe sie aber nicht gelöscht werden, so dürfe sie auch bei einer Abschreibung eines Teiles des Grundstückes, auf die sich die Anmerkung nach § 70 GBG bezieht, ihrer Wirkung nicht teilweise dadurch beraubt werden, daß sie nicht mitübertragen werde. Daran ändere auch nichts, daß zwei Teilflächen dem öffentlichen Gut zugeschrieben würden, weil Ersitzung auch an einem öffentlichen Gut möglich sei (MietSlg 31.011).

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es in Ansehung einer Anmerkung nach § 70 GBG iVm § 57 Abs 1 GBG und einer baubehördlichen Grundabtretungsanordnung keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richten sich die im Kopf dieser Entscheidung genannten Revisionsrekurse jeweils mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind nicht berechtigt.

Zunächst verweist der Oberste Gerichtshof auf die von ihm gebilligte, oben wiedergegebene Rechtsansicht des Rekursgerichtes (§ 126 Abs 3 GBG).

Es ist daher kurz bloß noch folgendes zu sagen:

Besteht die Möglichkeit, das Gesuch um Löschung von Zwischeneintragungen gleichzeitig mit dem Einverleibungsversuch anzubringen, so kann umso eher - wie hier - bei einer Abschreibung eines Grundstückes und Eröffnung einer neuen Einlage (bzw Zuschreibung zu einer anderen Einlage) ungeachtet der Zwischeneintragung sogleich eine lastenfreie Abschreibung erfolgen, weil es unzweckmäßig wäre, zuerst die Ranganmerkung und die Zwischeneintragung in die neu eröffnete Einlage bis zur Stellung eines abgesonderten Löschungsgesuches mitzuübertragen (Feil, Grundbuchsgesetz2 412 mwN). Die Abschreibung ohne Mitübertragung einer Klagsanmerkung ist daher so zu beurteilen wie deren Löschung als Zwischeneintragung.

Nach ständiger Rechtsprechung (EvBl 1951/242; NZ 1988, 113/118 mwN unter Auseinandersetzung mit widersprechender Lehre und vereinzelter älterer, abweichender Rechtsprechung - zustimmend besprochen von Hofmeister; NZ 1990, 262/188 mit zustimmender Besprechung von Hofmeister; NZ 1991, 40/195) sind nach dem einschränkend auszulegenden § 57 Abs 1 GBG solche Zwischeneintragungen nicht zu löschen, die sich auf ein Recht beziehen, das der Anmerkung der Rangordnung im Rang vorangeht (hier also: auf das gegebenenfalls wegen Ersitzung durch die Kläger, deren Klage angemerkt wurde, untergegangene Eigentumsrecht des Verkäufers). Es kann daher insbesondere eine Streitanmerkung, die sich auf das der Anmerkung der Rangordnung vorausgehende Eigentumsrecht des Voreigentümers bezieht, nicht gelöscht werden (NZ 1988, 113/118), sodaß sie hier mitzuübertragen ist.

Dadurch wird auch der vom Rekursgericht zutreffend dargestellten Rechtslage Rechnung getragen, wonach auch im Falle des Eigentumserwerbes im Range einer Rangordnungsanmerkung Gutgläubigkeit des Erwerbers noch im Zeitpunkt des Erwerbes des dinglichen Rechtes, das ist im Zeitpunkt des Einlangens seines - in der Folge bewilligten - Einverleibungs- bzw Vormerkungsgesuches beim Grundbuchsgericht (§ 93 GBG) gegeben sein muß. Gerade diese Gutgläubigkeit soll dem Käufer im maßgebenden Zeitpunkt des Eigentumserwerbes durch die Anmerkung der Klage genommen werden, sodaß der Eigentum aus der Ersitzung ableitende Kläger im Falle des Erfolges seiner Klage sein Recht auch gegen den Erwerber durchsetzen kann (vgl SZ 28/256; RZ 1988, 283/67).

Die Rechtsmittelwerber verkennen die Rechtslage, wenn sie meinen, durch die Rangordnungsanmerkung werde im Falle ihrer Ausnützung auch der Zeitpunkt des Eigentumserwerbes auf den Zeitpunkt des Ranges der Rangordnungsanmerkung zurückbezogen (siehe SZ 28/170; SZ 48/63).

Es ist auch nicht erkennbar, warum die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die langjähriger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes folgt, fundamentalen Grundsätzen des Grundbuchsrechtes widersprechen und das ganze System des Liegenschaftsverkehrs in Frage stellen würde: Dies wäre nur dann der Fall, wenn im Falle der Ausnützung der Rangordnungsanmerkung der Eigentumserwerb selbst rückwirkend im Zeitpunkt des Ranges der Rangordnungsanmerkung eintreten würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Der Umstand, daß die Abschreibung von Grundstücksteilen auf Grund baubehördlicher Aufträge lastenfrei an das öffentliche Gut zu erfolgen hat, ändert daran nichts: Verlieren die Kläger, deren Ersitzungsklage angemerkt wurde, den Prozeß, so wird die Klagsanmerkung gegenstandslos. Gewinnen sie aber den Prozeß, so kann eben die Antragstellerin die ihr bescheidmäßig auferlegten Pflichten mangels Erwerbes des hiefür notwendigen Eigentums nicht erfüllen, gegebenenfalls mangels Erwerbes der hiefür benötigten Grundstücke die beiden Bauplätze nicht schaffen.

Den Revisionsrekursen war daher der Erfolg zu versagen.

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