OGH 4Ob14/94

OGH4Ob14/948.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Österreichischer Rundfunk, ***** vertreten durch Dr.Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 30.November 1993, GZ 5 R 118/93-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 5.April 1993, GZ 38 Cg 71/93i-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

18.387 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 3.064,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung "N*****-Zeitung". Sie nimmt ebenso wie der Beklagte (ORF) Werbeaufträge entgegen. Der Beklagte führt im Rundfunk und im Fernsehen Werbesendungen durch; er hat dabei die Bestimmungen des Rundfunkgesetzes zu beachten.

Am 23.11.1992 verfügte der Beklagte eine Begrenzung der Jahreswerbung im Hörfunk für Medieninhaber mit 10.000 Sekunden pro Zeitungstitel. Das gilt auch bei der Werbung Dritter für den jeweiligen Zeitungstitel und auch dann, wenn die wöchentlichen Sendezeiten nicht voll ausgebucht sind.

Die Klägerin beantragt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes zu unterlassen, sie dadurch zu diskriminieren und/oder im Wettbewerb zu behindern, daß die Buchung von Werbespots für die "N*****-Zeitung" oder von Werbespots, in welchen die "N*****-Zeitung" genannt wird, über das dieser vom Beklagten auferlegte Limit von 10.000 Sendesekunden pro Jahr abgelehnt und/oder für solche Sendezeiten verweigert wird, die noch nicht durch Werbeaufträge Dritter ausgeschöpft sind. Da der Beklagte verpflichtet sei, unter anderem den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten und die Sendezeiten für Werbung derzeit in den Rundfunkprogrammen mit 120 Minuten und in den Fernsehprogrammen mit 20 Minuten täglich limitiert seien, sei der Beklagte verpflichtet, den tatsächlichen Umfang der Werbesendungen im Rahmen der gesetzlichen Begrenzungen so auszunützen, daß ihm ein Höchstmaß an Werbeeinnahmen zufließe. Ihm komme eine Monopolstellung zu, deretwegen er einem Kontrahierungszwang für Werbeeinschaltungen in seinen Programmen unterliege. Offenkundig wegen der zwischen dem Herausgeber der "N*****-Zeitung" und dem Generalintendanten des Beklagten bestehenden Differenzen werde die Zeitung der Klägerin diskriminiert und im Wettbewerb behindert. Das geschehe ua durch das völlig willkürliche und sachlich nicht begründete Limit von 10.000 Werbesekunden (pro Jahr). Darin liege ein einer Liefer- oder Bezugssperre gleichzuhaltender Mißbrauch eines Monopolisten im Sinn des § 1 UWG. Der Beklagte sei verpflichtet, jedermann zu denselben objektiv-sachlichen, der Vielfalt der Interessen der Bewerber und der Öffentlichkeit verpflichteten wettbewerbsneutralen und ausgewogenen Bedingungen zur Verfügung zu stellen und eine Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Wirtschaftssubjekte zu vermeiden. Werbezeiten müßten unter den gesetzlichen Bedingungen jedermann zu gleichen Konditionen offenstehen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Schon im Herbst 1992 sei für sämtliche Printmedien ein Jahreswerbelimit von 10.000 Sekunden je Zeitungstitel eingeführt worden. Von einer Diskriminierung der Klägerin bzw der "N*****-Zeitung" könne keine Rede sein. Eine quantitative Begrenzung der Werbezeiten für Zeitungen erscheine im Sinne der Verpflichtung des Beklagten, neutrale und ausgewogene Bedingungen für gesetzlich zulässige Werbesendungen zur Verfügung zu stellen und eine Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Wirtschaftssubjekte zu vermeiden, geboten. Die Beschränkung sei nicht zu Zwecken des Wettbewerbs erfolgt. Es liege auch weder ein Verstoß gegen das Rundfunkgesetz noch ein Boykott im Sinn des § 1 UWG vor.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Streitteile stünden zwar im Wettbewerbsverhältnis zueinander. Die beanstandete Handlung des Beklagten sei aber keine Wettbewerbshandlung. Die Limitierung der Jahreswerbung für Medieninhaber sei bereits objektiv nicht geeignet, den Absatz des Beklagten zu fördern. Es sei auch nicht zu erkennen, inwiefern dadurch fremde Wettbewerber gefördert werden konnten. Dazu habe die Klägerin keine konkreten Behauptungen aufgestellt. Sie habe auch nicht behauptet, daß der Beklagte die Limitierung in der Absicht vorgenommen habe, den eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei. Selbst wenn die vom Beklagten verfügte zeitliche Beschränkung Wettbewerbscharakter hätte, wäre für die Klägerin nichts zu gewinnen. Das beanstandete Verhalten des Beklagten sei nämlich nicht als sittenwidrige Wettbewerbsbehinderung der Klägerin anzusehen. Der Beklagte habe bei der Erfüllung seiner Aufgaben Art 10 MRK zu beachten und seine Tätigkeit innerhalb der vom Rundfunkgesetz gezogenen Schranken auszuüben. Für ihn bestehe auf Grund der Gesetzeslage keine Möglichkeit, Werbezeiten Interessenten in beliebigem Ausmaß zur Verfügung zu stellen; eine umfängliche Beschränkung der Werbezeiten für einzelne Auftraggeber sei nicht zu vermeiden. Die Beschränkung der Jahreswerbung von Printmedien auf 10.000 Sekunden pro Zeitungstitel sei als zulässiger Versuch der Beklagten anzusehen, die einzelnen Medien gleich zu behandeln bzw Bevorzugungen oder Benachteiligungen zu vermeiden. Es fehlten somit Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte seine Machtstellung mißbrauche und die Klägerin diskriminiere.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die von den Vorinstanzen erörterte Frage, ob der Beklagte hier "zu Zwecken des Wettbewerbs" gehandelt hat und ob die von ihm vorgenommene gleichmäßige Limitierung der Werbezeit für alle Printmedien im Einklang mit § 5 Abs 3 RFG in der Auslegung steht, die der Verfassungsgerichtshof gefunden hat (RfR 1986, 31 = JBl 1986,640) - oder ob die Rechtsauffassung des Beklagten durch das Gesetz (und die Entscheidung des VfGH) zumindest so weit gedeckt ist, daß sie mit guten Gründen vertreten werden kann, so daß ein Vestoß gegen § 1 UWG zu verneinen ist (SZ 56/2; ÖBl 1990, 108; MR 1992, 73 uva) - , braucht diesmal nicht untersucht zu werden, weil der Sicherungsantrag jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen wurde:

Wenngleich der Rechtssatz, daß einstweilige Verfügungen der endgültigen Entscheidung nicht vorgreifen dürfen, im Falle einer Gefahr im Sinne des § 381 Z 2 EO nicht gilt (Heller-Berger-Stix 2693, 2733; SZ 23/203; JBl 1988, 112 ua), kann doch eine einstweilige Verfügung immer nur eine vorläufige Regelung zum Gegenstand haben; sie darf daher keine Sachlage schaffen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, weil damit kein Provisorium eintreten, sondern ein endgültiger Zustand herbeigeführt würde, der im Fall eines die einstweilige Verfügung nicht rechtfertigenden Urteils im Hauptprozeß die Wiederherstellung des früheren Zustandes unmöglich macht (JBl 1951, 343; SZ 27/317; JBl 1955, 252; EvBl 1971/141; JBl 1988, 112; MR 1993, 17 ua). Aus diesem Grunde kann etwa nach ständiger Rechtsprechung der Gebrauch einer im Handelsregister eingetragenen Firma nicht durch einstweilige Verfügung verboten werden (ÖBl 1974,35 mwN), könnte doch der damit geschaffene Zustand bei Abweisung der Klage nicht wieder beseitigt werden, weil der Beklagte zunächst seine Firma löschen lassen oder gar seinen Geschäftsbetrieb einstellen müßte (SZ 22/17; ÖBl 1972, 68; ÖBl 1974, 35 uva). Das gleiche wurde schon für den Anspruch auf Widerruf einer ehrenrührigen oder kreditschädigenden Behauptung ausgesprochen (MR 1993, 17).

Zutreffend verwies der Beklagte in erster Instanz (S 23) darauf, daß hier durch die Stattgebung des Sicherungsantrages gleichfalls ein Zustand geschaffen würde, der auch im Fall der Klageabweisung im Hauptverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Würde nämlich dem Beklagten untersagt, die Buchung von Werbespots für die Zeitung der Klägerin über das Limit von 10.000 Sendesekunden pro Jahr hinaus abzulehnen oder doch für solche Sendezeiten zu verweigern, die noch nicht durch Werbeaufträge Dritter ausgeschöpft sind, dann könnte die Klägerin auf Grund der Provisorialentscheidung längere Werbezeiten erzwingen. Auch wenn der Beklagte dann im Hauptprozeß obsiegte, könnte doch der durch die einstweilige Verfügung geschaffene Zustand - daß nämlich die Klägerin über das vom Beklagten für alle Printmedien festgelegte Limit hinaus Werbezeiten ausnützen konnte - nicht wieder beseitigt werden. Das aber widerspräche dem Wesen einer Sicherungsmaßnahme.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 50 Abs 1, 52 ZPO.

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