Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und der Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 2 und die darauf beruhenden Aussprüche des angefochtenen Urteils, welches im übrigen unberührt bleibt, sohin der Schuldspruch I 2 wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB sowie der Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht beim Landesgericht Korneuburg zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mathias K***** der Verbrechen (I 1) des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143, (zu ergänzen: Satz 1) 2.Fall und (I 2) des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB sowie (II) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Inhaltlich dieser auf dem stimmeneinhelligen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Schuldsprüche hat er in Stockerau Hermine M*****
I. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung abzunötigen getrachtet, wobei es (jeweils) nur beim Versuch blieb, weil sich Hermine M***** nicht einschüchtern ließ, und zwar
1. am 4.April 1993 mit den Worten: "i bring di um, wennst ma nix gibst", wobei er ein Küchenmesser gegen sie richtete, sohin unter Verwendung einer Waffe, und
2. am 12. (richtig: 11.) April 1993 mit den Worten: "wennst ma ka Geld gibst, dann hau i di nieder";
II. am 9.April 1993 durch Gewalt, nämlich dadurch, daß er ihr einen Stoß versetzte, wodurch die Angegriffene über einen Küchentisch auf eine dahinter stehende Bank stürzte, sowie durch die Äußerung, er werde alles zusammenschlagen, sohin durch gefährliche Drohung, zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe seiner von Hermine M***** verwalteten restlichen Sozialhilfeunterstützung in der Höhe von ca. 2.000 S, genötigt.
Die dagegen aus § 345 Abs. 1 Z 6 und 10 a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nur teilweise, nämlich soweit sie sich gegen den Schuldspruch I 2 wegen versuchten Raubes richtet, begründet.
Zu den Schuldsprüchen I 1 und II:
Die Verletzung von Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) releviert der Beschwerdeführer dazu erfolglos mit dem Einwand, der Schwurgerichtshof habe hinsichtlich der (anklagekonformen) Hauptfragen die Stellung von Zusatzfragen nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsfähigkeit nach § 11 StGB unterlassen.
Seinem Vorbringen zuwider waren die begehrten Zusatzfragen auf Grund der Gutachten der psychologischen Sachverständigen Dr.Inge K***** (S 149 ff iVm ON 13) und des psychiatrischen Sachverständigen Dr.Heinrich G***** (S 152 ff iVm ON 11) nicht angezeigt, weil keiner der beiden Sachverständigen einen über einen mittelgradigen Schwachsinn hinausgehenden, an eine Geisteskrankheit im Sinne des Gesetzes heranreichenden Geisteszustand (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 § 313 ENr. 40) gutachtlich zu diagnostizieren vermochte. Beide Sachverständige kamen nämlich zu dem Ergebnis, daß beim Angeklagten lediglich eine (eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB indizierende) erhebliche Persönlichkeitsstörung vorliege, die sich in Stimmungsschwankungen, erhöhter Aggressivität und Ichbezogenheit (Dr.K*****: S 150 f) bzw. Frustrationsintoleranz (Dr.G*****: S 153) äußere. Bei einer von Anfang an gegebenen verstandesmäßigen Minderausstattung sei es (wohl insbesondere durch chronischen Alkoholismus) zwar noch zu einer weiteren Verminderung der Hirnleistungsfähigkeit (Dr.K*****, S 150) bzw. zu einem ausgeprägten sekundären geistigen Abbau in Form eines chronisch gewordenen organischen Psychosyndroms (Dr.G*****, S 152) gekommen, doch könne diese Hirnschädigung keineswegs als schwere Debilität bezeichnet werden (Dr.K*****, S 150). Nach dem Gutachten Dris.G***** war der Angeklagte zur Tatzeit weder geisteskrank noch (auch unter Berücksichtigung seines geistigen Abbaus) in einem relevanten Sinn schwachsinnig und lag auch keine andere einer Geisteskrankheit oder sonstigen tiefgreifenden Bewußtseinsstörung gleichwertige seelische Störung in den kritischen Augenblicken vor, die die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben hätte. Demgemäß erachtete dieser Sachverständige ausdrücklich auch die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung eines Schuldausschließungsgrundes im Sinne des § 11 StGB nicht als gegeben (S 71, 154).
Nach diesen Expertisen und mangels sonstiger, in der Hauptverhandlung hervorgekommener Hinweise auf das Fehlen der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit beim Angeklagten bestand mithin kein Anlaß, eine Zusatzfrage in Richtung Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB zu stellen.
In der gegen den Schuldspruch I 1 gerichteten Tatsachenrüge (Z 10 a) werden keine Umstände aufgezeigt, die geeignet wären, Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken; finden diese Konstatierungen doch in den Angaben der Zeugin Hermine M***** vor der Gendarmerie volle Deckung, wonach der Angeklagte von ihr am 4.April 1993 unter Vorhalten eines Messers und mit der Drohung, sie ansonsten umzubringen, die Ausfolgung von Geld forderte (S 15). Mit seinem - im wesentlichen auf die eigene leugnende Verantwortung sowie die mangelnde Erinnerung der Zeugin in der Hauptverhandlung an die von ihr gegenüber dem erhebenden Gendarmeriebeamten bestätigte Selbstbeschädigung des Angeklagten am 4.April 1993 gestützten - Vorbringen, wonach er damals nicht seine Mutter bedroht, sondern vielmehr Selbstmordabsicht geäußert ("I bring mi um" statt "I bring di um") und sich anschließend auch tatsächlich Schnittverletzungen an seiner Hand und am Bauch beigebracht habe, wird vom Angeklagten daher nur die auch die Zeugenaussage der Hermine M***** in der Hauptverhandlung berücksichtigende (siehe dazu die Niederschrift der Geschworenen) tatrichterliche Beweiswürdigung einer unzulässigen Kritik unterzogen.
Zum Schuldspruch I 2:
Mit Recht bemängelt der Angeklagte dazu aus § 345 Abs. 1 Z 6 StPO das Fehlen einer Eventualfrage in Richtung des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu der auf das Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB gerichteten Hauptfrage
2.
Der Tatbestand des Verbrechens des Raubes erfordert in subjektiver Hinsicht, daß der Täter mit dem Vorsatz handelt, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern. Daran mangelt es jedoch dann, wenn der Täter lediglich einen - tatsächlich bestehenden oder auch nur vermeintlichen - Rechtsanspruch durchsetzen will, er sich also für eine Forderung schadlos zu halten gedenkt. Eine solche "Selbsthilfe" erfüllt - vorausgesetzt, daß die Geldherausgabe eigenmächtig und rechtswidrig durch Gewaltanwendung erzwungen werden soll - lediglich den Tatbestand der Nötigung (vgl. 9 Os 7/85 mwN).
Da der Angeklagte schon bei seiner ersten Einvernahme durch Gendarmeriebeamte (S 22) wie auch in der Hauptverhandlung (S 135 ff) ausdrücklich erklärte, seine Mutter Hermine M***** habe ihm - ihrer Behauptung (S 142) zuwider - am 9.April 1993 nicht seine gesamte, von ihr zuvor bei der S***** behobene Sozialhilfe von 2.400 S übergeben, weshalb er von ihr am 11.April 1993 die Ausfolgung der restlichen Sozialhilfe verlangt habe, und er in der Hauptverhandlung zudem die Höhe des verlangten Restbetrages mit 700 S angab und auch rechnerisch aufschlüsselte, war gemäß § 314 Abs. 1 StPO die vom Angeklagten vermißte Eventualfrage indiziert, und zwar unabhängig davon, ob die behaupteten Tatsachen dem Schwurgerichtshof glaubhaft erschienen und ob ein Antrag in dieser Richtung gestellt worden war (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 § 314 ENr. 20).
Angesichts dessen, daß das Fehlen einer Eventualfrage nach dem Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB durchaus einen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung ausgeübt haben konnte, war - ohne daß es eines Eingehens auf das bezügliche weitere Beschwerdevorbringen bedurfte - mit einer Kassierung des betreffenden Wahrspruchs und der darauf basierenden Urteilsaussprüche vorzugehen.
Im übrigen war die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde - siehe oben - zu verwerfen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Beseitigung des Strafausspruchs zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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