OGH 9Os7/85

OGH9Os7/8523.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hardegg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hubert A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Herold Siegfried B und über die Berufung des Angeklagten Hubert A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Wels vom 11.Oktober 1984, GZ 12 Vr 391/84-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Herold Siegfried B wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt in seinem den Angeklagten B betreffenden Teil zur Gänze und bezüglich Hubert A gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO im Ausspruch, er habe die Tat in Gesellschaft des Angeklagten B als Beteiligter (§ 12 StGB) begangen, in der Qualifikation seines Verhaltens nach § 143 (erster Fall) StGB sowie demzufolge hinsichtlich beider Angeklagter im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der 19-jährige Hubert A und der 25-jährige Herold Siegfried B auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143

(erster Fall) StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie am 28.Februar 1984 in Ebensee in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) dadurch, daß sie den Rudolf C festhielten, ihn anschließend zu Boden stießen, mit den Händen auf ihn einschlugen und mit den Füßen gegen seinen Körper traten, wobei Hubert A den Rudolf C aufforderte: 'Geld her!, Geld her, Du mußt etwas haben!' und ihm sodann 4.600 S aus seiner in der Hosentasche verwahrten Geldbörse entnahm, Rudolf C mit Gewalt gegen seine Person fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der allein vom Angeklagten B gegen diesen Schuldspruch erhobenen, nominell auf die Z 6 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Zur Erfüllung des Tatbestandes des Verbrechens des Raubes ist in subjektiver Hinsicht erforderlich, daß der Täter mit dem Vorsatz handelt, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern. An diesem Merkmal mangelt es, wenn der Täter lediglich einen tatsächlich bestehenden oder auch nur vermeintlichen Rechtsanspruch durchsetzen will, er sich also für eine Forderung schadlos zu halten gedenkt. Eine derartige Selbsthilfe erfüllt lediglich den Tatbestand der Nötigung, wenn die Geld- oder Pfandhergabe eigenmächtig und rechtswidrig durch Gewaltanwendung erzwungen werden soll (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB 2 , RN 32 zu § 142, Kienapfel BT II, RN 178 ff zu § 127 StGB, Mayerhofer/Rieder, StGB 2 , Nr 26 zu § 142).

Da nun der Angeklagte A in der Hauptverhandlung am 11.Oktober 1984 mehrfach angab, er habe dem Angeklagten B gesagt, Rudolf C schulde ihm (A) Geld und dieses solle dem C abgenommen werden (vgl S 207 bis 211) und auch B sich sinngemäß ähnlich verantwortete (vgl S 214 ff, 220, 224), wäre gemäß § 314 Abs. 1 StPO hinsichtlich des Angeklagten B die Stellung von Eventualfragen in Richtung der Vergehen der Nötigung nach § 105 StGB sowie (im Hinblick auf die von C erlittenen Verletzungen; vgl insbes S 231 f) der Körperverletzung nach § 83 StGB indiziert gewesen, und zwar unabhängig davon, ob die behaupteten Tatsachen dem Schwurgerichtshof glaubhaft erschienen, und obwohl kein Parteienantrag in diese Richtung gestellt worden war (vgl Mayerhofer/Rieder, Strafprozeßordnung 2 , Nr 17 ff zu § 314). Da es evident ist, daß diese Formverletzung einen dem Angeklagten B nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung üben konnte und der Oberste Gerichtshof den aufgezeigten Mangel nicht sanieren kann, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B der ihn betreffende Schuldspruch bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zur Gänze aufzuheben (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf sein weiteres Beschwerdevorbringen einzugehen.

Da Raubgenossenschaft im Sinne des § 143 StGB (ebenso wie Gesellschaftsdiebstahl nach § 127 Abs. 2 Z 1 StGB) voraussetzt, daß sämtlichen Beteiligten bewußt ist, an einem Raub (Diebstahl) teilzunehmen, wogegen der Räuber (oder Dieb), der sich eines gutgläubigen Mithelfers bedient, nicht unter die Gesellschaftsqualifikation fällt (Mayerhofer/Rieder, Strafgesetzbuch 2 , Nr 147 zu § 127 StGB), waren aus Anlaß der über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B getroffenen Entscheidung gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO beim Angeklagten A, der keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat, der Ausspruch über die Tatbegehung in Gesellschaft und die fragliche Qualifikation zu kassieren. Hingegen hatte bei ihm eine weitergehende, sich auch auf den Grundtatbestand nach § 142 StGB erstreckende Aufhebung zu unterbleiben, weil ihm insoweit nicht dieselben Gründe, die bei B von Bedeutung waren, zustatten kommen. Denn in der Hauptverhandlung wurde nichts vorgebracht, was darauf hindeutete, A habe auch ausschließlich mit dem Vorsatz gehandelt, den ihm (angeblich) von C geschuldeten Betrag einzutreiben; denn es stellte das Opfer der Angeklagten den aufrechten Bestand einer Schuld gegenüber A überhaupt in Abrede und es räumte selbst der Letztgenannte ein, den seine angebliche Forderung weit übersteigenden Betrag mit dem zum Tatbestand gehörigen Bereicherungsvorsatz geraubt zu haben. Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die Kassierung des Strafausspruches zu verweisen.

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