OGH 13Os177/93

OGH13Os177/932.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Obergmeiner als Schriftführerin, im Verfahren zur Unterbringung des Josef P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 4. Oktober 1993, GZ 14 Vr 548/91-82, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Müller, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7. Februar 1945 geborene Josef P***** gemäß § 21 Abs 1 StGB (mit Beziehung auf § 107 Abs 1 und 2 StGB) in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er in Krems-Stein an der Donau (und in Wien) unter dem Einfluß eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht) folgende Personen mit dem Tod gefährlich bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

a) in einem an die Staatsanwaltschaft und an das (damalige) Kreis- (nunmehr: Landes)gericht Krems an der Donau gerichteten Schreiben vom 29. Jänner 1992 den Vizepräsidenten dieses Gerichtes Dr. P*****, die weiteren Richter dieses Gerichtshofes Dr. H***** und Dr. P***** sowie den Richter des Bezirksgerichtes Krems an der Donau Dr. M***** durch die Ausführungen, sie alle stünden ausnahmslos auf der Todesliste, bei ihrer Abschlachtung würde er selbst eine wesentliche Rolle spielen, man könne sie töten, sie zu töten sei niemandes Recht mehr, sondern nur mehr absolute Pflicht;

b) den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Wien Dr. S***** in einem an ihn gerichteten Schreiben vom 2. März 1992 durch die Textstelle "Ich bringe Euch samt Eurem pervertierten System um, dafür garantiere ich Euch";

c) am 22. August 1992 den Richter des (damaligen) Kreis- (nunmehr: Landes)gerichtes Krems an der Donau Dr. G***** in einem ihm zugesandten Schreiben, worin es unter anderem heißt, auf der Todesliste stünden mehr als 9.000 Namen (gemeint vor allem von Justizangehörigen), aus deren Schädelschalen würde er nach der "Stunde Null" Champagner trinken, vielleicht werde es sein (des Bedrohten) Schädel sein, er werde eigenhändig eine (der dazu ausersehenen Personen) liquidieren;

d) am 23. September 1992 die Richter des (damaligen) Kreis- (nunmehr: Landes)gerichtes Krems an der Donau Dr. P***** und Dr. G***** sowie den Präsidenten dieses Gerichtshofes Dr. L***** durch Zusendung jeweils eines von ihm verfaßten "Todesurteils" mit den Zusätzen für die jeweiligen Empfänger, daß es sich um ihr persönliches Todesurteil handle;

e) im Dezember 1990 den Rechtsanwalt Dr. K***** dadurch, daß er ihm in einem Schreiben mit einem Todesurteil drohte;

f) im Februar 1991 den Rechtsanwalt Dr. S***** in einem Schreiben durch die Mitteilung, es sei ihm der tödlichste Irrtum seines Lebens unterlaufen, sowie durch Drohung mit einem Todesurteil und durch die Ankündigung, Dr. S***** werde durch einen Schuß in den Unterleib wehr- und fluchtunfähig gemacht und in der Folge bei lebendigem Leib verbrannt werden;

g) am 20. September 1992 Rechtsanwalt Dr. G***** durch die schriftliche Mitteilung, er werde sich auf der speziellen Todesliste wiederfinden;

h) Anfang Oktober 1992 die Rechtsanwälte Dr. K***** und Dr. H***** durch Ankündigung eines Todesurteiles;

i) Ende Oktober 1992 durch Versendung gleichartiger Todesurteile an Dr. E***** mit der Aufforderung, diese Urteile auch an Dr. R*****, Dr. L*****, Dr. M*****, Dr. H*****, Dr. N***** und Max O***** weiterzuleiten, wobei mangels Weiterleitung mit Ausnahme der gegen Dr. E***** selbst gerichteten Drohung nur Versuch angenommen wurde.

Dieses Urteil wird vom Betroffenen mit einer auf die Gründe der Z 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit (einer bloß angemeldeten, jedoch nicht ausgeführten) Berufung bekämpft,.

Die Rechtsmittel erweisen sich als unbegründet.

Einen seine Verteidigungsrechte beeinträchtigenden Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer zunächst in der Abweisung des Antrages auf Einholung eines Fakultätsgutachtens, woraus sich die Unrichtigkeit der "von den (beiden psychiatrischen) Sachverständigen (Univ.Prof.Dr.Kaiser und Dr. Heber) erstellten Gefährlichkeitsprognose" ergeben würde. Dies indes zu Unrecht: Denn abgesehen davon, daß dieses Beweisthema in der Antragstellung keine Deckung findet (S 150 f, 156/III) und die Verfahrensrüge schon aus diesem Grunde versagt, ist die Beurteilung der Gefährlichkeit im Sinne des § 21 Abs 1 StGB als Ermessensentscheidung des Gerichtes nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde, sondern ausschließlich mit Berufung bekämpfbar (vgl Mayerhofer-Rieder StPO**n § 281 Abs 1 Z 11 E 37; 11 Os 13/92 mit weiteren Judikaturhinweisen). Soweit die Beschwerde aber die Richtigkeit der Gutachten - und damit der entscheidenden Grundlagen für die Gefährlichkeitsprognose - mit der (schon dem Beweisantrag zugrunde liegenden: S 150/III) Behauptung der Widersprüchlichkeit insbesondere des Gutachtens Dris. Kaiser mit einem früheren Gutachten dieses Sachverständigen bestreitet, übergeht sie, daß der im aktuellen Gutachten diagnostizierte Geisteszustand des Betroffenen ausdrücklich in Beziehung zu vorangegangenen Untersuchungen gesetzt wurde, im Vergleich dazu jedoch eine entscheidende Verschlechterung erfahren hat (ON 5; S 247/I).

Mängel oder Widersprüche, wie sie nach § 126 Abs 1 StPO aF für die Einholung eines Fakultätsgutachtens vorausgesetzt wurden, sind demnach nicht aufgezeigt worden.

Die Abweisung des weiteren Beweisantrages auf zeugenschaftliche Einvernahme der Bedrohten zum Nachweis dafür, daß sie "durch die ihnen zugegangenen Schreiben nicht in Furcht und Unruhe versetzt wurden" (S 157/III), vermag den damit relevierten Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO schon deshalb nicht zu begründen, weil dieses Beweisthema keine entscheidungswesentliche Tatsache betrifft:

Nach der Begriffsbestimmung des § 74 Z 5 StGB kommt es bei dem normativen Tatbestandselement der gefährlichen Drohung allein auf die objektive Eignung der Drohung, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen, nicht aber darauf an, ob eine solche Besorgnis auch tatsächlich erweckt und der Bedrohte wirklich in Furcht und Unruhe versetzt wurde (Leukauf-Steininger, Komm**n § 74, RN 21).

Aber auch die Rechtsrüge geht fehl:

Soweit der Betroffene gegen die rechtliche Beurteilung der im angefochtenen Urteil unter Punkt i) bezeichneten Anlaßtaten als versuchte gefährliche Drohung mit dem Tode nach §§ 15, 107 Abs 1 und 2 StGB (gemeint sind ausschließlich die nicht für Rechtsanwalt Dr. E***** selbst bestimmt gewesenen Drohbriefe) einwendet, daß insoweit sein Vorsatz auf Weiterleitung dieser Schreiben durch Dr. E***** an die anderen Personen gefehlt habe, setzt er sich über die gegenteiligen Urteilsfeststellungen hinweg und bringt somit seine Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn das Erstgericht hat ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß Dr. E***** in dem an ihn selbst gerichteten Schreiben vom Betroffenen angewiesen worden war, die angeschlossenen übrigen Drohbriefe an die anderen, im einzelnen näher bezeichneten Personen weiterzuleiten (US 12). Daraus folgt aber zwangsläufig, daß der Beschwerdeführer den Inhalt dieser Drohbriefe diesen anderen Personen zur Kenntnis bringen wollte.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist dem Erstgericht aber auch bei der Beurteilung der Anlaßtaten in subjektiver Hinsicht kein Rechtsirrtum unterlaufen. Die zur Verwirklichung des Tatbestandes der gefährlichen Drohung in subjektiver Beziehung erforderliche Absicht des Täters, einen anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen, wird nämlich durch die Zurechnungsunfähigkeit des Täters keineswegs ausgeschlossen. Die Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB beruht auf bestimmten, in der zitierten Gesetzesstelle bezeichneten biologischen Zuständen, die (bloß) die Schuldfähigkeit, also die Fähigkeit, eine Tat als Unrecht zu werten, beeinträchtigen. Hingegen kann auch ein Geisteskranker vorsätzlich handeln und somit auch die Absicht verfolgen, einen anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen (vgl hiezu Leukauf-Steininger, Komm**n § 21 RN 8 und 10). Dies hat das Erstgericht ausdrücklich bei dem auch insoweit geständigen Beschwerdeführer (vgl S 145 und 147/III) als erwiesen angenommen (US 13).

Dem gegen die Gefährlichkeitsprognose (vgl US 16) gerichteten Vorbringen kommt aber auch aus dem Gesichtspunkt der nicht näher ausgeführten Berufung (s. Mayerhofer-Rieder StPO**n, ENr 11 zu § 294) keine Berechtigung zu: Nicht nur, daß diese Prognose in den Sachverständigengutachten eine verläßliche Stütze findet (ON 49, S 211/I; ON 54, S 249, 255/I; S 148 ff, 152, 153 und 154/III), wird ihre Richtigkeit durch den Gesamteindruck, den die konstatierten Tathandlungen des Beschwerdeführers vermitteln, nachhaltig unterstrichen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden, wobei die weit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist vom Betroffenen selbst verfaßten Eingaben unbeachtet bleiben mußten.

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