OGH 14Os188/93

OGH14Os188/931.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Obergmeiner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael Karl M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. September 1993, GZ 5 Vr 1.877/93-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß und des Verteidigers Dr. Ulm, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeits- beschwerde und aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung, die privatrechtlichen Ansprüche und den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

1. Michael Karl M***** hat am 22. Juni 1993 in Graz versucht, die Elfriede A***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich eines Analverkehrs, zu nötigen, indem er sie würgte, für den Fall ihrer Weigerung mit dem Umbringen bedrohte, ihr die Strumpfhose vom Körper riß und sie von hinten an den Hüften umklammerte, wobei jedoch sein Vorhaben an ihrem anhaltenden Widerstand scheiterte.

Michael Karl M***** hat hiedurch das Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu 18 (achtzehn) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

2. Hingegen wird Michael Karl M***** von der Anklage, er habe am 22. Juni 1993 in Graz die Elfriede A***** mit dem Tode gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sich gegenüber Walter B***** und Josef P***** äußerte, falls er wegen Elfriede A***** ins Gefängnis eingeliefert werde, würde er sie nach seiner Entlassung umbringen, wodurch er das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen habe, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

III. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

IV. Dem Angeklagten fallen auch die auf den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael Karl M***** (1) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und (2) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu 24 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Darnach hat er am 22. Juni 1993 in Graz

1. eine Person mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich "dem Einführen des Fingers oder Gliedes in den Anus" genötigt, indem er Elfriede A***** am Hals würgte, sie in der Folge mit beiden Händen fest umklammerte und ihr drohte, sie umzubringen, falls sie ihm einen Geschlechtsverkehr verweigere;

2. die Elfriede A***** mit dem Tode gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sich gegenüber Walter B***** und Josef P***** äußerte, fall er wegen Elfriede A***** ins Gefängnis eingeliefert werde, würde er sie nach seiner Entlassung umbringen.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Straf- ausspruch ficht er mit Berufung an.

Nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt sind die gegen den Schuldspruch wegen Vergewaltigung (1) gerichteten Rechtsrügen (Z 9 lit a und 9 lit b), wonach Elfriede A***** in die geschlechtlichen Handlungen aus freien Stücken eingewilligt oder der Angeklagte zumindest auf Grund des Verhaltens des Opfers von einer derartigen Einwilligung habe ausgehen können, weshalb der Tatbestand des § 201 Abs 2 StGB weder in objektiver noch subjektiver Hinsicht erfüllt sei.

Mit diesem Vorbringen weicht der Beschwerdeführer gerade in den entscheidenden Teilen vom Urteilssachverhalt ab, von dessen Gesamtheit aber bei Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe auszugehen ist. Darnach lehnte Elfriede A***** von Anfang an die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs ab und stimmte nur auf Grund der Zusicherung des sie in ihrer Wohnung ständig bedrängenden A ngeklagten, sie danach in Ruhe zu lassen, der Vornahme eines Oralverkehrs zu, wobei sie auch freiwillig ihren Oberkörper entkleidete. Weil der Mundverkehr jedoch nicht zu der vom Angeklagten angestrebten geschlechtlichen Befriedigung geführt hatte, erfaßte er Elfriede A***** am Hals, würgte sie, bedrohte sie für den Fall, daß sie mit ihm nicht geschlechtlich verkehre, mit dem Umbringen, riß ihr die Strumpfhose herunter und versuchte zunächst, einen (normalen) Geschlechtsverkehr durchzuführen, was an der Gegenwehr der Frau scheiterte. Sodann umklammerte er sie von hinten an den Hüften, um einen Analverkehr vorzunehmen. Insoweit sah sich das Erstgericht jedoch zur Feststellung außerstande, ob der Angeklagte schon mit seinem Geschlechtsteil zum Eindringen in den After des Opfers angesetzt, oder ob er nicht zunächst bloß einen Finger in den Anus eingeführt hat.

Weitere Sexualattacken unterblieben, weil es Elfriede A***** gelang, eine volle Bierflasche zu ergreifen, sie dem Angeklagten auf den Kopf zu schlagen und schließlich aus der Wohnung zu flüchten (US 7 bis 9).

In subjektiver Beziehung erachteten die Tatrichter die Darstellung des Angeklagten, der sich bei seiner polizeilichen Einvernahme auf ein Einverständnis der Elfriede A***** berufen, in weiterer Folge aber eine Erinnerungslücke behauptet hatte, für unglaubwürdig (US 12/13) und stellten fest, daß er es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, durch Einsatz von Gewalt und Drohung einen ihm entgegenstehenden ernstgemeinten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme oder Duldung eines Beischlafes oder einer diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu überwinden (US 13/14).

Diese Feststellungen lassen somit für die Behauptungen der Rechtsrüge, daß Elfriede A***** nach der (freiwilligen) Durchführung eines Oralverkehrs weiteren geschlechtlichen Handlungen zugestimmt hätte oder, daß der Angeklagte zumindest eine derartige Zustimmung irrtümlich annehmen konnte, keinen Raum.

In seiner Subsumtionsrüge (Z 10) führt der Beschwerdeführer aus, das Einführen eines Fingers in den After - wovon nach den erstgerichtlichen Feststellungen zu seinen Gunsten auszugehen sei - stelle keine einem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung dar, weshalb die Tat nur dem § 202 Abs 1 StGB unterstellt werden könne.

Diesem Einwand kann zwar für den konkreten Fall an sich Berechtigung nicht aberkannt werden, doch führt dies hier nicht zu dem vom Beschwerdeführer angestrebten Ergebnis.

Unter geschlechtlichen Handlungen, die dem Beischlaf gleichzusetzen, also nach allgemeinem Verständnis in der Summe ihrer Auswirkungen und Begleiterscheinungen mit einem Beischlaf vergleichbar sind, ist grundsätzlich jede auf Befriedigung des Geschlechtstriebes gerichtete Form einer oralen, vaginalen oder analen Penetration zu verstehen, wobei die Intensität der sexuellen Inanspruchnahme des Opfers, die Schwere des Eingriffes in die sexuelle Selbstbestimmung und das Ausmaß der Demütigung und Erniedrigung des Opfers als Kriterien der vergleichenden Wertung heranzuziehen sind (vgl. JAB 927 BlgNR 17. GP 3; 15 Os 11/92, 14 Os 144/93).

Darnach kann aber im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller Tatmodalitäten eine einem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung in der dem Angeklagten angelasteten analen Penetration mit dem Finger (noch) nicht erblickt werden.

Damit ist aber für den Rechtsstandpunkt des Angeklagten nichts gewonnen, denn er übersieht mit seinem auf die rechtliche Beurteilung seiner Tat (bloß) als Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB abzielenden Vorbringen, daß nach den weiteren Feststellungen sein Wille - nach Abbruch des von Elfriede A***** freiwillig vorgenommenen Oralverkehrs nunmehr - auf die mit Gewalt und gefährliche Drohung erzwungene Duldung eines (normalen) Geschlechtsverkehrs und in der Folge eines Analverkehrs, somit auf die Verwirklichung eines Sachverhaltes gerichtet war, der dem gesetzlichen Tatbild des § 201 Abs 2 StGB entspricht (§ 5 Abs 1 StGB), und daß er dieses Ziel nur infolge des körperlichen Widerstandes des Opfers nicht erreichen konnte.

Der Angeklagte hat daher nach rechtsrichtiger Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes das Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB zu verantworten. Diesen Subsumtionsirrtum (Z 10) des Erstgerichtes hat der Beschwerdeführer allerdings nicht geltend gemacht, weshalb er von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) vom Obersten Gerichtshof durch Entscheidung in der Sache selbst (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO) zu korrigieren war.

Ihm übrigen war die gegen den Schuldspruch wegen Vergewaltigung (1) gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde jedoch zu verwerfen.

Dem Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (2) haftet hinwieder - wie der Angeklagte in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend geltend macht - in Ansehung der subjektiven Tatseite ein Feststellungsmangel an. Wohl muß ein Bedrohter die Drohung nicht unmittelbar vernehmen, doch muß in diesem Fall - wie das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung an sich richtig ausführt (US 15) - von der Absicht des Täters auch der Umstand erfaßt sein, daß die Drohung dem Bedrohten zur Kenntnis kommen werde (vgl Foregger-Serini-Kodek5 Anm II zu § 107 StGB). Eine derartige Konstatierung hat das Erstgericht aber nicht getroffen und sie ließe sich nach der Aktenlage auch in einem zweiten Rechtsgang nicht mängelfrei nachholen.

Insoweit war daher sofort mit Freispruch vorzugehen (§§ 259 Z 3, 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Bei der damit notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die einschlägigen, rückfallsbegründenden (§ 39 Abs 1 StGB) Vorstrafen und den äußerst raschen Rückfall, als mildernd hingegen, daß die Tat beim Versuch geblieben ist.

Davon ausgehend entspricht bei der vorliegenden Fallgestaltung eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten der tat- und täterbezogenen Schuld.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft, die privatrechtlichen Ansprüche und den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens war aus dem angefochtenen Urteil zu übernehmen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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