OGH 8Ob560/93

OGH8Ob560/9324.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wioletka B*****, vertreten durch Dr.Erich Haase, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich G*****, vertreten durch Dr.Rudolf Riegler, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wegen S 56.218,93 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 2.Dezember 1992, GZ 16 R 237/92-18, mit dem das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 30.Juli 1992, GZ 16 Cg 310/89-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.348,80 (einschließlich S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstückes, der Beklagte ist Eigentümer des Nachbargrundstückes.

Aufgrund einer Anzeige der Klägerin bei der Baubehörde wegen Errichtung einer Pergola durch den Beklagten fand am 6.10.1986 eine Bauverhandlung statt. Bei dieser schlug der Beklagte der Klägerin vor, auf seine Kosten eine Mauer errichten zu lassen, wenn sie ihre Anzeige zurückziehe. Nähere Details wurden damals nicht besprochen; die Mauer sollte jedoch auf dem bestehenden Zaunsockel der Klägerin errichtet werden. Der Beklagte übersandte der Klägerin in der Folge einen Vertragsentwurf, der ua die Bestimmung enthielt, die Klägerin versichere, daß das Fundament des Zaunsockels frostsicher aus Beton hergestellt sei. Die Klägerin lehnte diesen Passus ab; sie könne keine Zusicherung abgeben, daß das Fundament tatsächlich frostsicher sei; dies müßte der vom Beklagten bestellte Baumeister beurteilen.

Anläßlich der zweiten Bauverhandlung am 29.6.1987 einigten sich die Parteien auf einen Vertrag, der dem Konzept des Beklagten mit der von der Klägerin gewünschten Abänderung entspricht. Insbesondere enthält der Vertrag keine Garantie der Klägerin über die Frostsicherheit des Fundaments; vielmehr sei die Eignung des Sockels vom Baumeister zu beurteilen. Als Frist für die Errichtung der Mauer wurde zunächst der 31.7.1987 festgelegt, schließlich wurde die Frist bis zum 30.4.1988 verlängert.

Da die Mauer bis zu diesem Zeitpunkt nicht errichtet wurde, beauftragte die Klägerin die Baufirma, die schon vorher vom Beklagten eingeschaltet worden war, einen Kostenvoranschlag zu erstellen, in welchem festgestellt wurde, daß der Sockel verstärkt werden müsse. Der Kostenvoranschlag wurde auch dem Beklagten zugestellt, der seinen Auftrag nunmehr dahingehend präzisierte, nur die Mauer zu errichten. Dies wurde von der Baufirma als unmöglich abgelehnt. Mit Schreiben vom 14.10.1988 und 19.4.1989 forderte die Klägerin den Beklagten zur Bauführung auf und setzte ihm eine letzte Frist bis 31.5.1989. Im Fall des fruchtlosen Verstreichens müßte sie alle zu Gebote stehenden Möglichkeiten ausschöpfen bzw drohte sie gerichtliche Schritte zur Durchsetzung der Vertragsverpflichtung an. Schließlich beauftragte die Klägerin die bereits eingeschaltete Baufirma mit der Errichtung der Mauer. Diese wurde auf dem bestehenden Sockel errichtet, der verstärkt und unterfüllt werden mußte.

Die Klägerin begehrt nun - ohne sich auf einen bestimmten Rechtsgrund festzulegen - vom Beklagten S 56.218,93; diesen Betrag hätte sie der Baufirma für die Errichtung der Mauer bezahlt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und bestritt dieses letztlich nur mehr dem Grunde nach. Er habe sich bloß verpflichtet, auf dem vorhandenen Zaunsockel der Klägerin eine Mauer zu errichten, wobei die Klägerin dessen Tauglichkeit ausdrücklich zugesichert habe. Anderenfalls hätte er die Vereinbarung nicht abgeschlossen; er habe sich in einem von der Klägerin veranlaßten wesentlichen Geschäftsirrtum befunden. Die von ihm beauftragte Baufirma hätte ihm mitgeteilt, daß das Fundament für die Errichtung der Mauer ungeeignet sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Rechtlich führte es aus:

Der Vertrag zur Errichtung der Mauer sei nicht durch Zeitablauf außer Kraft getreten. Die Klägerin habe keinen Irrtum des Beklagten veranlaßt. Der Beklagte sei daher schuldig gewesen, die Mauer auf seine Kosten errichten zu lassen; dies hätte er aber innerhalb der gesetzten Nachfrist nicht getan. Die Klägerin habe ihm zwar wiederholt Nachfristen gesetzt und ihm gerichtliche Schritte angedroht, sei jedoch niemals vom Vertrag zurückgetreten. Die Voraussetzungen des § 918 ABGB seien daher nicht erfüllt. Auch in der Klage könne keine schlüssige Rücktrittserklärung gesehen werden, da zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage die Mauer bereits von der Klägerin errichtet worden sei. Sie könne daher ihren Anspruch nicht auf Nichterfüllungsschaden iSd § 921 ABGB, jedoch auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag nach den §§ 1035, 1037 ABGB stützen, weil diese Geschäftsführung zum klaren, überwiegenden Vorteil des Schuldners gereiche.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung im Ergebnis und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Im einzelnen führte es aus: § 1035 ABGB greife nicht, weil die Geschäftsführung in Fällen, die gegen den ausdrücklichen Willen des Beklagten erfolge, nicht zu dessen klaren und überwiegenden Vorteil gereiche. Auf § 921 ABGB könne die Klage im Sinne der zutreffenden erstgerichtlichen Ausführungen auch nicht gestützt werden. Die Klägerin habe aber einen Aufwand für den Beklagten gemacht, den dieser nach dem Gesetz selbst zu tragen gehabt hätte; daraus resultiere ein Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB, denn sie habe ihre Vermögensgüter zum Nutzen des Beklagten verwendet. Dieser liege in der Befreiung von seiner Verbindlichkeit, die Mauer errichten zu lassen. Der Rückersatz nach § 1042 ABGB gebühre auch bei Erfüllung von Vertragspflichten, weil auch diese aufgrund des Gesetzes erfüllt werden müßten. Daß die Klägerin die Absicht gehabt habe, den Beklagten zum Rückersatz zu verpflichten, könne nicht zweifelhaft sein; ein solcher Verpflichtungswille sei im übrigen im Zweifel anzunehmen. Das aufrechte Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten stehe der Anwendung des § 1042 ABGB nicht entgegen. Zwar sei es herrschende Rechtsprechung, daß ein Anspruch nach § 1042 ABGB nicht bestehe, wenn der Aufwand durch ein Vertragsverhältnis zwischen dem Aufwendenden und dem Empfänger gerechtfertigt gewesen sei. Im gegenständlichen Fall habe zwar ein Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestanden; der von der Klägerin getätigte Aufwand sei aber durch dieses nicht gerechtfertigt gewesen, da aufgrund des Vertragsverhältnisses vielmehr der Beklagte zu einer Leistung an die Klägerin verpflichtet gewesen wäre. Durch die Zahlung des Werklohnes habe die Klägerin keineswegs eine eigene (primäre) Schuldverpflichtung, sondern die des Beklagten zur Errichtung der Mauer erfüllen wollen, was auch darin zum Ausdruck gekommen sei, daß sich die Klägerin des vom Beklagten bereits beauftragten Baunternehmers bedient habe. Die Klägerin sei somit für die Bezahlung des Werklohnes für die Errichtung der Mauer für die vertraglichen Schulden des Beklagten in Vorlage getreten, ohne hiezu aufgrund einer Rechtsbeziehung zum Beklagten verpflichtet gewesen zu sein. Der Oberste Gerichtshof habe auch für den Fall, daß der Verkäufer mit der Verbesserung in Verzug geraten sei, ausgesprochen, daß der Erwerber die Verbesserung selbst vornehmen und Ersatz nach § 1042 ABGB begehren könne. Die Verpflichtung zur Errichtung der Mauer umfasse mangels einer anderen Vereinbarung naturgemäß auch das Fundament.

Der Beklagte beantragt in seiner Revision die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne der gänzlichen Klageabweisung; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig; sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Beklagte verneint einen Anspruch nach § 1042 ABGB, weil das Klagebegehren auch aus dem Vertragsverhältnis abgeleitet werden könne. Liege ein Schuldverhältnis vor, sei das Klagebegehren hierauf zu stützen, wobei grundsätzlich alle Möglichkeiten nach den Vertragsregeln (Leistungsstörungen, Schadenersatz) ausgenützt werden müßten. Im zweipersonalen Verhältnis sei § 1042 ABGB nicht anwendbar, da hiemit Vertragsregeln umgangen werden könnten, wenn der Gläubiger durch "Ersatzvornahme" seinen Schuldner in die Regreßschuld des § 1042 ABGB drängen könne. Bestehe bereits vor dem Aufwand ein vertraglicher Anspruch des Berechtigten und bestehe dieser - gleichgültig in welcher Art und Weise - auch nach dem Aufwand fort, werde § 1042 ABGB verdrängt. Allfällige Versäumnisse des Gläubigers bei der Verfolgung seiner Vertragsrechte könnten nicht durch Anwendung des § 1042 ABGB ausgeglichen werden; in diesem Fall scheide auch ein subsidiärer Anspruch gemäß § 1042 ABGB aus. Im übrigen sei der Vertrag mit 30.4.1988 zerfallen, weil er als Fixgeschäft zu qualifizieren gewesen sei.

Hiezu ist vorweg zu bemerken, daß es geradezu abwegig ist, den Vertrag als Fixgeschäft zu qualifizieren; nach Meinung des Beklagten mußte er die Mauer vor dem 30.4.1988 nicht errichten lassen und nach diesem Zeitpunkt auch nicht mehr, weil seine Verpflichtung mit diesem Tag ipso jure weggefallen wäre. Es liegt klar auf der Hand und wurde von der Klägerin auch mehrmals ausdrücklich deponiert, daß sie auch an der verspäteten Errichtung der Mauer ein Interesse hatte.

Die ältere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach der Gläubiger bei Verzug des Schuldners mit der geschuldeten Leistung ohne weiteres stets das Interesse begehren konnte, ohne daß eine vorangehende Erhebung einer auf die Hauptleistung gerichteten Klage für notwendig gehalten wurde und ohne daß es hiebei auf ein Verschulden des Beklagten an der Nichterfüllung angekommen wäre (SZ 30/17; 24/55; 27/154; 43/113; EvBl 1967/311 ua, zuletzt etwa 4 Ob 556/79 und 6 Ob 649/83) muß seit der E JBl 1983, 604 (mit ausführlicher Auseinandersetzung mit Lehre und Rechtsprechung) als überholt angesehen werden, weil § 368 EO nur Verfahrensvorschriften enthält und einen im materiellen Recht begründeten Anspruch auf das Interesse voraussetzt. Das führt jedoch nicht dazu, daß die Klägerin im vorliegenden Fall keinen Ersatz nach den §§ 918, 921 ABGB begehren könnte.

Ein materiellrechtlicher Anspruch auf das Interesse steht dem Gläubiger gemäß § 920 ABGB ohne weitere Voraussetzungen zu, wenn die Leistung des Schuldners unmöglich geworden ist (so im Fall JBl 1983, 604). Befindet sich der Schuldner jedoch lediglich in Verzug, steht dem Gläubiger gemäß § 921 ABGB ein Anspruch auf das Interesse nur zu, wenn er vorher gemäß § 918 ABGB ordnungsgemäß vom Vertrag zurückgetreten ist.

Im vorliegenden Fall ist die Leistung nicht unmöglich geworden. Der Beklagte hätte die Leistung durchaus erbringen und die Mauer errichten lassen können; er tat es aber nicht, weigerte sich vielmehr ausdrücklich mehrmals - unter Hinweis, daß er nicht bereit sei, die Kosten für die Sockelerneuerung zu tragen und die Errichtung einer Mauer ohne Sockelerneuerung bautechnisch nicht möglich sei - dies zu tun. Der vorliegende Fall ist somit § 918 ABGB zu unterstellen.

Im Hinblick auf die explizite Weigerung des Beklagten, die die freiwillige Erfüllung innerhalb einer nach § 918 ABGB zu setzenden Nachfrist als ausgeschlossen erscheinen ließ, konnte eine solche Nachfristsetzung aber entfallen JBl 1958, 507; SZ 32/118; 58/152 ua; Gschnitzer in Klang IV/12 458 f; Reischauer in Rummel ABGB I2 Rz 147 zu § 918). Die Klägerin war somit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes berechtigt, trotz ihrer vorhergehenden Forderung der Erfüllung des Vertrages, die mit Klagsandrohung verbunden war, vom Vertrag ohne weitere Nachfristsetzung zurückzutreten (SZ 32/118; Gschnitzer aaO 460) und Schadenersatz zu verlangen.

Die Klägerin hat zwar nicht ausdrücklich den Rücktritt vom Vertrag erklärt; das Schadenersatzbegehren, das sie in der Klage gestellt hat, schließt jedoch die Erklärung des Rücktritts in sich (JBl 1977, 543; 1985, 746; JBl 1992, 318 ua; Reischauer aaO Rz 3). Da die Klägerin im konkreten Fall wegen der ausdrücklichen Weigerung des Beklagten, die eine freiwillige Erfüllung als aussichtslos erscheinen lassen mußte, nicht verpflichtet war, eine Nachfrist zu setzen, vielmehr sofort vom Vertrag zurücktreten und Ersatz des durch die verschuldete Nichterfüllung (Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB) verursachten Schadens begehren konnte, kann es ihr auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie in Vorlage getreten ist und die strittige Mauer vorweg aus eigenen Mitteln errichten ließ und nunmehr die konkreten Aufwendungen nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten (§ 918 iVm § 921 ABGB) begehrt; die Deckungshandlung kann auch vor Erklärung des Rücktritts getätigt werden (JBl 1977, 543; vgl auch SZ 32/118), außer sie hätte im Zeitpunkt des wirksamen Rücktritts vom Vertrag (hier Zeitpunkt der Klageerhebung) zu günstigeren Bedingungen abgeschlossen werden können.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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