OGH 7Ob35/93

OGH7Ob35/9323.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Horst Reitböck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Rudolf H*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Wilfing, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 228.460,-- s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. Oktober 1993, GZ 11 R 201/93-65, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26.Februar 1993, GZ 18 Cg 2/90-58, als verspätet zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

In einem vom Beklagten im Haus W*****, N*****straße 47, angemieteten Raum brach am 19.11.1986 ein Brand aus, weil vergessen worden war, die zur Trocknung von leicht brennbaren Räucherstäbchen verwendete Heizkanone abzuschalten. Die klagende Feuerversicherung begehrt vom Beklagten den Ersatz der von ihr erbrachten Versicherungsleistungen von S 228.460,--. Der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt. Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß er nicht gewußt habe, daß sein Angestellter K***** bei seinem Weggehen die Heizkanone weiterhin im Betrieb belassen habe.

Das teilweise klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes wies folgenden Spruch auf:

"Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei den Betrag von S 163.752,-- samt 4 % Zinsen seit 3.4.1987 binnen 14 Tagen zu bezahlen. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, S 64.708,-- samt 7 % Zinsen sowie für Zinsen aus dem Mehrbegehren von weiteren 3 % aus dem Betrag von S 163.752,-- seit 3.4.1987 zu bezahlen, wird abgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 33.471,-- bestimmten Kosten ... binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen".

Aus den Entscheidungsgründen geht zweifelsfrei hervor, daß der Beklagte zur Zahlung von S 163.752,-- an die Klägerin verurteilt werden soll (AS 215 f).

Auf die Zustellung dieses Urteiles an die beiden Parteienvertreter am 27.4.1993 hin erhob der Beklagte am 2.5.1993 einen von ihm selbst verfaßten "Einspruch" gegen das Urteil, den er mit unrichtiger Information des Sachverständigen Dipl.Ing.P***** an das Gericht begründete und ausführte: "Genaue Begründung sende ich mit heutigem Tag an meinen Anwalt Dr.W.Wilfing, welchen ich ebenfalls ersuche, Einspruch bei Gericht zu erheben." (AS 219 in ON 59).

Über Antrag der klagenden Partei vom 11.6.1993 (ON 60) berichtigte das Erstgericht mit Beschluß vom 26.6.1993 die im ersten Absatz des Urteilsspruches vertauschten Parteirollen als offensichtliches Versehen gemäß § 419 ZPO (ON 61). Dieser Beschluß wurde beiden Parteienvertretern am 1.7.1993 zugestellt.

Mit der angefochtenen Entscheidung wies das Berufungsgericht die am 9.9.1993 zur Post gegebene Berufung des Beklagten als verspätet zurück. Der beklagten Partei habe bei Zustellung der unberichtigten Urteilsausfertigung am 27.4.1993 bereits klar sein müssen, daß versehentlich die Parteirolle der klagenden Partei mit jener des Beklagten vertauscht worden ist. Sie habe daher keinen Zweifel am wirklichen Inhalt des richterlichen Willens haben können.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Gemäß § 419 Abs.1 ZPO kann das Gericht, das das Urteil gefällt hat, jederzeit Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten im Urteil oder dessen Ausfertigungen oder Abweichungen der Ausfertigung von der gefällten Entscheidung berichtigen. Der Irrtum muß sich aus dem gesamten Zusammenhang für das Gericht und die Parteien ohneweiteres ergeben, sodaß schon nach dem Inhalt der Entscheidung offenkundig ist, daß das, was ausgesprochen wurde, dem Willen des Gerichtes zur Zeit der Fällung der Entscheidung nicht entsprochen hat. Im Gesetz fehlt eine Regelung, welche Wirkungen die Berichtigung eines Urteils auf den Lauf der Rechtsmittelfristen hat. Im Spruch 8 neu (SZ 2/145) wurde die Ansicht vertreten, daß im Fall einer Urteilsberichtigung die Rechtsmittelfristen erst durch die Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung in Gang gesetzt werden. Dieser Grundsatz wurde jedoch in der Folge dahin eingeschränkt, daß die Entscheidungsberichtigung dann keinen neuen Fristenlauf auslöse, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne die Berichtigung keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Willens haben konnte und die Berichtigung zu dessen Klärung nichts beitragen kann (SZ 27/219 uva, zuletzt 7 Ob 609/93 vom 15.12.1993). Dies war hier der Fall. Zwar hat das Erstgericht den Urteilsspruch in einem wesentlichen Teil, nämlich durch die Richtigstellung der vertauschten Parteirollen, im ersten Absatz des Spruches berichtigt, doch konnte aus den folgenden Absätzen des Spruches im Zusammenhang mit den Entscheidungsgründen kein Zweifel darüber bestehen, daß eine Berichtigung keinen weiteren als den im Berichtigungsbeschluß vom 26.6.1993 zum Ausdruck kommenden Inhalt haben konnte, weil klar war, daß das Erstgericht dem Klagebegehren im ausgesprochenen Umfang stattgeben wollte.

Für den durch das Urteil beschwerten Beklagten konnte keine Unklarheit über den Willen des Erstrichters und den wirklichen Inhalt der in der Folge berichtigten Entscheidung bestehen. Dies geht auch aus der persönlich verfaßten Eingabe des Beklagten vom 2.5.1993 hervor. Diese stellt aber nur eine Ankündigung einer Berufung dar und war, da der Beklagte darin darlegte, durch seinen Vertreter eine Berufung verfassen zu lassen, nicht zur Verbesserung durch Anwaltsfertigung zurückzustellen. Die erst 4 Wochen nach Zustellung des Berichtigungsbeschlusses vom Beklagtenvertreter erhobene Berufung war daher als verspätet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 40 und 50 ZPO.

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