Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt lautet:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 120.110,-- samt 4% Zinsen seit 12.5.1992 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit S 80.556,60 (darin enthalten S 7.936,10 Umsatzsteuer und S 32.940,-- Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte überstellte am 18.10.1991 im Auftrag der Firma Ing. H***** im Rahmen eines Werkvertrages einen PKW BMW 318i von Graz nach Wels. Die klagende Partei war Kaskoversicherer dieses von der Firma Ing. H***** gehaltenen PKWs. Der Beklagte, der seit 1989 gelegentlich Überstellungsfahrten für die Firma Ing. H***** durchführte, befuhr die Strecke zum erstenmal. Es regnete mittelstark. Die Sicht war schlecht. Damals endete die Autobahn A 9 vorübergehend in Traboch. Der Verkehr wurde auf die Bundesstraße abgeleitet. Noch auf der Autobahn befanden sich nicht nur das Hinweiszeichen "Ende der Autobahn" und das Vorschriftszeichen "Überholen verboten", sondern ca. 200 m vor der Unfallstelle neben der Autobahnabfahrt auch zwei Gefahrenzeichen "Gefährliche Kurven" und zwei Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung. Erlaubte Höchstgeschwindigkeit 50 km/h". Der Beklagte hantierte am Autoradio und bemerkte deshalb zu spät, daß die Abfahrt von der Autobahn in eine enge Rechtskurve überging. Bedingt durch den Kurvenradius von nur ca. 100 m und den Regen betrug die Grenzgeschwindigkeit, mit der diese Kurve befahren werden konnte, 80 bis 88 km/h. Der Beklagte befuhr diese Kurve jedoch mit 95 km/h. Der PKW kam aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit ins Schleudern und stieß zunächst gegen die linke und nach ca. 38 m gegen die rechte Leitplanke. Der Beklagte kam nicht deshalb ins Schleudern, weil er einem Ölfleck ausgewichen ist oder ausweichen wollte. Bei diesem Unfall entstand am PKW ein Schaden in Höhe von S 120.110,--, der der Firma Ing. H***** von der klagenden Partei ersetzt wurde. Die klagende Partei stellte ihre Regreßforderung in dieser Höhe gegenüber dem Beklagten mit 11.5.1992 fällig.
Die klagende Partei begehrt diesen Betrag samt 4% Zinsen seit 12.5.1992 gemäß § 67 VersVG mit der Behauptung, den Beklagten treffe ein grobes Verschulden am Unfall (Art 6 KKB 1986).
Der Beklagte bestritt dies und wendete ein, daß das Hantieren am Radio nicht unfallskausal gewesen sei, weil er die Fahrbahn weiterhin beobachtet habe. Er sei deshalb ins Schleudern gekommen, weil er versucht habe, einer im Kreuzungsbereich befindlichen Ölspur auszuweichen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Beklagten sei bloß vorzuwerfen, daß er die verschiedenen Verkehrszeichen und die bevorstehende Änderung des Straßenverlaufes nicht bemerkt habe, weil er durch das Hantieren am Autoradio abgelenkt gewesen sei. Zudem verliere ein Autofahrer nach längerer Autobahnfahrt das Gefühl für die Geschwindigkeit.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Hantieren am Autoradio stelle eine Routinehandlung dar, bei der der Lenker nicht damit rechnen müsse, die bedeutsame Änderung des Straßenverlaufes zu spät zu bemerken. Dem Beklagten könne demnach im wesentlichen nur eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen werden, sodaß grobe Fahrlässigkeit noch nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
Der zugrundeliegende Sachverhalt ist entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz und der Revisionsbeantwortung durchaus mit den Fällen vergleichbar, die den Entscheidungen 7 Ob 10/93 (= VR 1993, 392) und 7 Ob 30/93 zugrunde lagen. Der Lenker hantierte in beiden Fällen ebenfalls an einem Musikgerät (einmal an einem Kassettenrecorder, einmal am Autoradio) vor dem bzw im Bereich einer Kurve und hielt eine überhöhte Geschwindigkeit ein, wodurch er von der Fahrbahn abkam. In beiden Fällen wurde das Verhalten des Lenkers vom erkennenden Senat des Obersten Gerichtshofes als grob fahrlässig beurteilt.
Auch im vorliegenden Fall liegen dem Beklagten mehrere Fehlhandlungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit (VersR 1989, 884; VR 1988, 329; VR 1991, 325) den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründen: Der Beklagte hantierte am Autoradio im Bereich des Überganges der Autobahn in die Abfahrt und demnach in einer Situation, die für sich allein schon dem Autolenker besondere Aufmerksamkeit abverlangt. Dazu kommt, daß er die Strecke zum erstenmal fuhr und die Sicht durch den Regen behindert war. Er mißachtete - sei es aufgrund eines groben Aufmerksamkeitsfehlers oder aufgrund besonderen Leichtsinns - mehrere, die nahende Gefahrenstelle und insbesondere die Kurve ankündigende Verkehrszeichen sowie zwei Vorschriftszeichen mit der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h. Er hielt nicht nur eine die verfügte Geschwindigkeitsbeschränkung beinahe um das Doppelte übersteigende, sondern auch eine für die Straßenverhältnisse zu hohe Fahrgeschwindigkeit ein.
Der in der Revisionsbeantwortung dargelegten Ansicht des Beklagten, das Hantieren am Autoradio sei vor dem Befahren der Kurve bereits abgeschlossen gewesen und habe daher mit dem Unfall nichts zu tun, sind die Feststellungen der Untergerichte entgegenzuhalten, daß der Beklagte (gerade) deshalb, weil er am Autoradio hantierte, das Nahen der engen Rechtskurve zu spät bemerkt hat.
Der Beklagte hat daher grobe Fahrlässigkeit zu verantworten und ist gegenüber der klagenden Partei gemäß § 67 VersVG iVm Art 6 KKB 1986 regreßpflichtig, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern waren.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahren erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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