OGH 2Ob585/93

OGH2Ob585/9317.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Dominik S*****, geboren ***** 1977, infolge Revisionsrekurses der Republik Österreich, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, Schmerlingplatz 11, 1016 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 22.September 1993, GZ 47 R 382/93-122, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 6. Mai 1993, GZ 1 P 109/78-115, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Beim Bezirksgericht Fünfhaus wird zu 1 P 109/78 das Pflegschaftsverfahren für den ***** 1977 geborenen Dominik S*****, in Pflege und Erziehung bei seiner Mutter Martha P*****, geb. S*****, geführt. Mit Beschluß dieses Gerichtes vom 12.Mai 1980, GZ 1 P 109/78-41 wurde der uneheliche Vater Dietrich Theodor S***** zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.500,-- verpflichtet.

Am 13.August 1992 beantragte das Amt für Jugend und Familie für den ***** Wiener Gemeindebezirk als Unterhaltssachwalter des Minderjährigen die Gewährung eines monatlichen Unterhaltsvorschusses von S 2.500,--, weil der Vater in Deutschland selbständig erwerbstätig und eine Exekutionsführung schwierig und langwierig sei. Das zuständige deutsche Jugendamt sei deshalb um Amtshilfe gebeten worden; es bestehe ein Unterhaltsrückstand in der Höhe von S 17.500,--.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 18.August 1992 für die Zeit vom 1.August 1992 bis zum 31.Juli 1995 den beantragten Unterhaltsvorschuß. Dieser Beschluß wurde dem unterhaltspflichtigen Vater am 25.August 1992 zugestellt.

Am 12.November 1992 teilte das Amt für Jugend und Familie dem Erstgericht mit, daß die Mutter seit der Vorschußgewährung für die Monate August, September und Oktober 1992 direkte Unterhaltsleistungen in der Höhe von je S 2.500,-- erhalten habe, die für den laufenden Unterhalt verbraucht worden seien.

Darauf wurden mit Beschluß vom 26.November 1992 (ON 100) die Unterhaltsvorschußzahlungen für die Zeit vom 1.August 1992 bis 31. Oktober 1992 rückwirkend eingestellt.

Am 11.Dezember 1992 gab das Amt für Jugend und Familie neuerlich bekannt, daß die Kindesmutter im November 1992 eine Direktzahlung erhalten habe und ersuchte um Einstellung des Unterhaltsvorschusses, weil der Kindesvater derzeit laufend direkte Unterhaltszahlungen leiste. Mit Beschluß vom 11.Jänner 1993 (ON 102) wurden die bewilligten Unterhaltsvorschüsse mit Wirkung vom 31.Oktober 1992 zur Gänze eingestellt.

Am 12.Jänner 1993 bzw 9.Februar 1993 beantragte der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien als Vertreter des Bundes das Kind, den gesetzlichen Vertreter des Kindes, die Pflegeperson und den Unterhaltsschuldner zum Rückersatz der geleisteten Vorschüsse in der Höhe von S 15.000,-- zu verpflichten. Dieses Begehren wurde infolge Zahlung eines Teilbetrages von S 2.500,-- (für den im Jänner 1993 geleisteten Vorschuß) auf S 12.500,-- eingeschränkt.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es vertrat die Ansicht, daß die ausbezahlten Beträge für den Unterhalt des Minderjährigen verbraucht worden seien und eine Rückzahlung durch ihn daher nicht in Betracht komme. Das Jugendamt habe seine Mitteilungspflicht nicht verletzt, weil es das Gericht unverzüglich nach der Mitteilung der Mutter über die Direktzahlungen verständigt habe. Eine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht durch die Mutter liege ebenfalls nicht vor; diese sei der Meinung gewesen, die vom Kindesvater erhaltenen Direktzahlungen seien auf den rückständigen Unterhalt anzurechnen. Zwar habe der Unterhaltsschuldner die ihn treffende Mitteilungspflicht verletzt, doch könne er nicht zum Rückersatz herangezogen werden, weil dadurch der laufende Kindesunterhalt gefährdet werde.

Das Rekursgericht gab dem auf die Verpflichtung zum Rückersatz der geleisteten Vorschüsse durch die Kindesmutter, das Land Wien als Rechtsträger des Amtes für Jugend und Familie für den ***** Wiener Gemeindebezirk und allenfalls durch den Unterhaltsschuldner abzielenden Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien im Ergebnis nicht Folge.

Es erörterte rechtlich, daß die amtswegige Einstellung der Vorschußleistungen nur dann in Betracht kommt, wenn eine der Voraussetzungen der Gewährung weggefallen ist oder die Vorschüsse nach § 7 Abs 1 UVG (bei begründeten Bedenken hinsichtlich des Bestehens der im Exekutionstitel festgesetzten Unterhaltspflicht) zur Gänze zu versagen sind. Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen zur Vorschußgewährung nicht weggefallen. Die Wiederaufnahme der direkten Unterhaltszahlungen stelle für sich allein keinen Grund für die amtswegige Einstellung der Unterhaltsbevorschussung dar. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Mutter als Pflegeperson, das Jugendamt als gesetzlicher Vertreter oder der Vater die Mitteilungspflicht verletzt und dadurch die Vorschußzahlung veranlaßt hätten, weil die Bekanntgabe der mitteilungsbedürftigen Tatsache über die Wiederaufnahme der Unterhaltszahlungen nicht zur amtswegigen Vorschußeinstellung und damit zur Verhinderung der Auszahlung dieser Vorschüsse geführt hätte.

Über einen möglichen Bereicherungsanspruch gegen die Mutter bzw den Unterhaltsschuldner, soweit dessen Zahlungen keine schuldbefreiende Wirkung zukomme, sei auf dem streitigen Rechtsweg zu erkennen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Verletzung der Mitteilungspflicht über für eine amtswegige Einstellung der Unterhaltsvorschüsse nicht maßgebliche Umstände nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien als Vertreter des Bundes mit dem Antrag, die Mutter, das Land Wien und allenfalls den Unterhaltsschuldner zum Rückersatz der geleisteten Vorschüsse zu verpflichten, allenfalls den Vorinstanzen eine Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach § 22 Abs 1 UVG sind Unterhaltsvorschüsse, die ... entgegen einer

Einstellung der Vorschüsse zu Unrecht gezahlt worden sind,

zurückzuzahlen, soweit sie nicht ... für den Unterhalt des Kindes

verbraucht worden sind. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung haften der gesetzliche Vertreter des Kindes und die Pflegeperson zur ungeteilten Hand für zu Unrecht gewährte Vorschüsse, die vom Kind nicht hereingebracht werden können, hilfsweise auch der Unterhaltsschuldner, jedoch nur, wenn die Gewährung der Vorschüsse durch unrichtige Angaben in der Erklärung (§ 11 Abs 2) oder durch Verletzung der Mitteilungspflicht (§ 21) vorsätzlich oder grob fahrlässig veranlaßt wurde.

Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Veranlassung der Vorschußgewährung durch unrichtige Angaben in der Erklärung wird keinem der Beteiligten vorgeworfen. Haftungsbegründend soll vielmehr die Unterlassung der Mitteilung über die vom Unterhaltsschuldner direkt an die Kindesmutter geleisteten Unterhaltszahlungen sein.

Nach der Bestimmung des § 22 Abs 1 zweiter Satz UVG begründet aber die Verletzung der Mitteilungspflicht nur dann die Haftung für die zu Unrecht geleisteten Vorschüsse, wenn dadurch die Auszahlung der Vorschüsse veranlaßt wurde, die Verletzung der Mitteilungspflicht daher kausal für die Bezahlung der Unterhaltsvorschüsse war (6 Ob 687/86).

Zu prüfen ist daher, ob auch bei Bekanntgabe der vom Unterhaltsschuldner geleisteten Direktzahlungen die Unterhaltsvorschüsse weiterhin ausbezahlt werden mußten oder von Amts wegen eingestellt hätten werden können.

Eine amtswegige Einstellung der Unterhaltsvorschüsse kommt aber gemäß § 20 Abs 2 UVG nur dann in Betracht, wenn eine der Voraussetzungen der Gewährung der Vorschüsse, ausgenommen die des § 3 Z 2 (mangelnde Einbringlichkeit auch nur eines in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung fälligen Unterhaltsbetrages trotz Exekutionsführung) weggefallen ist oder die Vorschüsse überhaupt nach § 7 Abs 1 (begründete Bedenken hinsichtlich des Bestehens der im Exekutionstitel festgesetzten Unterhaltspflicht) zur Gänze zu versagen sind. Die Einhaltung der den Unterhaltsschuldner treffenden Rückzahlungspflicht für sich allein rechtfertigt daher noch nicht die Einstellung der Vorschüsse, könnte aber allenfalls zur Verweigerung der Weitergewährung führen (EBRV BlgNR 5, 14.GP, 19). Selbst dann, wenn der Unterhaltsschuldner nach erfolgter Bewilligung von Titelvorschüssen in ein Dienstverhältnis eintritt, das durch Lohnexekution den Unterhalt sichern könnte, ist der Einstellungsgrund nicht gegeben, weil das Gesetz den Wegfall der Voraussetzungen nach § 3 Z 2 ausgenommen hat. Aus den gleichen Überlegungen kann aber auch die Wiederaufnahme von direkten Unterhaltszahlungen an die Kindesmutter nicht zur amtswegigen Einstellung der Vorschüsse führen.

Im vorliegenden Fall ist ebenfalls zu beachten, daß keine der Voraussetzungen zur Gewährung der Unterhaltsvorschüsse weggefallen sind. Mangels bekannten inländischen Vermögens des Unterhaltspflichtigen ist vielmehr weiterhin davon auszugehen, daß die Führung einer Exekution aussichtslos erscheint und Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeträge deckenden Betrag erwarten läßt, nicht bekannt ist.

Selbst dann, wenn sowohl die Kindesmutter, das Amt für Jugend und Familie als auch der Kindesvater verpflichtet gewesen sein sollten, die Tatsache der Wiederaufnahme der direkten Unterhaltszahlung trotz Vorschußgewährung dem Gericht bekanntzugeben, hätte eine amtswegige Einstellung dieser Vorschüsse nicht erfolgen können. Die tatsächlich erfolgte Auszahlung der bewilligten Vorschüsse wäre auch bei Bekanntgabe über die Wiederaufnahme der Direktzahlungen nicht gehindert worden. Die Unterlassung dieser Mitteilung war daher für die Auszahlung der Vorschüsse nicht kausal, weshalb sich eine nähere Prüfung der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Kindesmutter und das Amt für Jugend und Familie von der Wiederaufnahme der Zahlungen erfuhren, erübrigt. Die gleichen Überlegungen gelten aber auch für den Kindesvater, weil auch dieser selbst bei pünktlicher Rückzahlung der Vorschüsse eine Einstellung dieser Vorschüsse nicht erreicht hätte. Hiefür wäre es gemäß § 20 Abs 1 Z 3 UVG erforderlich gewesen, daß er alle fälligen Unterhaltsbeiträge gezahlt und den Unterhaltsbeitrag für die kommenden zwei Monate entweder gleichfalls gezahlt oder zugunsten des Kindes gerichtlich erlegt hat. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß gemäß § 27 Abs 1 UVG selbst aus hereingebrachten Unterhaltsbeiträgen die Forderung des Kindes auf die innerhalb von sechs Monaten vor der Stellung des Antrages auf Vorschußgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge vor der Forderung des Bundes auf Rückzahlung der Vorschüsse zu befriedigen ist.

Dem Revisionsrekurs war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

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