OGH 14Os193/93(14Os8/94)

OGH14Os193/93(14Os8/94)15.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Erika Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Obergmeiner als Schriftführerin in der beim Landesgericht Korneuburg zum AZ 10 Vr 949/82 anhängigen Strafsache gegen Dr. Friedrich Wilhelm K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und eines anderen Deliktes über die Grundrechtsbeschwerde des Verurteilten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg vom 1. Dezember 1993, GZ 10 Vr 949/82-1266, sowie gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. Jänner 1994, AZ 25 Bs 542/93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1Die - zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Beschwerden werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Dr. Friedrich Wilhelm K*****befindet sich in der Justizanstalt Mittersteig in Strafhaft.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Urteil vom 21. September 1993, Zl. 29/1992/374/448, u.a. "festgehalten", daß in dem diesem Strafvollzug vorausgegangenen Strafverfahren gegen Dr. K*****(AZ 10 Vr 949/82 des Kreisgerichtes - nunmehr Landesgerichtes - Korneuburg) im Zuge des Rechtsmittelverfahrens eine Verletzung des Art 6 Abs 1 iVm Art 6 Abs 3 c EMRK stattgefunden habe, "was die Abwesenheit des Beschwerdeführers (Dr. K*****) von der Berufungsverhandlung (vor dem Obersten Gerichtshof) betrifft", während welcher die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von 20 Jahren unter Ausschaltung der Anstaltsunterbringung nach § 21 Abs 2 StGB auf lebenslang erhöht worden war.

Der EGMR erachtete (zusammengefaßt, im wesentlichen wörtlich), daß der damalige Angeklagte "in Anbetracht der Schwere dessen, was für ihn auf dem Spiel stand", ungeachtet seines Versäumnisses, in der Berufung oder in der Gegenausführung zur Berufung der Staatsanwaltschaft die Vorführung zur mündlichen Berufungsverhandlung zu beantragen, in der Lage hätte sein müssen, sich persönlich selbst zu verteidigen, wie es von Art 6 Abs 3 c (EMRK) verlangt wird, und der belangte Staat (die Republik Österreich) unter solchen Umständen eine positive Verpflichtung hatte (§ 296 Abs 3 StPO), die Anwesenheit des Beschwerdeführers bei der mündlichen Berufungsverhandlung sicherzustellen. Das Verfahren sei für den Beschwerdeführer von "fundamentaler Bedeutung" gewesen. Die "persönliche Anwesenheit" des Beschwerdeführers wäre im Interesse der Fairneß des Verfahrens geboten" gewesen, weil dieses "nicht nur eine Bewertung des Charakters und des psychischen Zustandes des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Tat, sondern auch des Motivs der Tat erfordert" habe.

Gestützt auf dieses Urteil stellte der Beschwerdeführer am 24. September 1993 beim Landesgericht Korneuburg den Antrag, ein Verfahren nach Art 5 Abs 4 EMRK einzuleiten, eine mündliche Verhandlung vor dem Dreirichter-Senat durchzuführen, die Konventionswidrigkeit seines gegenwärtigen Strafvollzuges gemäß Art 5 Abs 4 EMRK iVm Art 5 Abs 1 lit a EMRK auf Grund des angeführten Urteiles des EGMR festzustellen und seine sofortige Entlassung aus der Strafhaft anzuordnen.

Das Landesgericht Korneuburg wies diese Anträge mit Beschluß vom 1. Dezember 1993, GZ 10 Vr 949/82-1266, das Oberlandesgericht Wien die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluß vom 10. Jänner 1994, AZ 25 Bs 542/93, als unzulässig zurück.

Gegen diese Beschlüsse richten sich die Grundrechtsbeschwerden des Dr. Friedrich Wilhelm K***** vom 15. Dezember 1993, 14 Os 193/93, bzw vom 19. Jänner 1994, 14 Os 8/94, die zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden.

Sie sind unzulässig.

Der Beschwerdeführer leitet aus seiner vom EGMR als konventionswidrig "festgehaltenen" Abwesenheit bei der Berufungsverhandlung vor dem Obersten Gerichtshof die Konventionswidrigkeit des gegenwärtigen Strafvollzuges und des damit verbundenen Eingriffes in das Grundrecht auf persönliche Freiheit ab.

Damit liegt aber ein die Verhängung (Erhöhung) und den Vollzug einer Freiheitsstrafe betreffender Beschwerdegegenstand vor, der nach § 1 Abs 2 GRBG von der Anfechtung im Grundrechtsbeschwerdeverfahren ausdrücklich ausgenommen ist.

Die Beschwerden waren daher ohne Kostenzuspruch zurückzuweisen.

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