OGH 4Ob8/94

OGH4Ob8/9415.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griss als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leonhard L***** KG,***** vertreten durch Dr.Martin Dellasega und Dr.Lucas Lorenz, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei H***** Gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert im Provisorialverfahren: 500.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 17.November 1993, GZ 2 R 280/93-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 28.September 1993, GZ 9 Cg 246/93x-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2, letzter Satz, ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gegen seinen bestätigenden Beschluß liegen die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO hier nicht vor:

Sowohl das Haupt- als auch das Sicherungsbegehren der Klägerin sind durch die ausdrückliche Bezugnahme auf das angeschlossene Foto auf ein Verbot der Produktion und des Vertriebes bestimmter EKG-Elektroden durch die Beklagte, nämlich runder Schaumstoffelektroden mit einem Durchmesser von 55 mm, eingeschränkt.

Das von der Klägerin angestrebte Verbot einer baugleichen Nachahmung solcher EKG-Elektroden wird von ihr auf einen "wesentlichen Vertrauensbruch" (vgl dazu Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 577 Rz 475 f zu § 1 dUWG) der beiden Geschäftsführer der Beklagten gestützt, welchen sie dadurch begangen hätten, daß sie als ehemalige leitende Angestellte der Klägerin über sämtliche Betriebsinterna in bezug auf die Herstellung und den Verkauf von EKG-Elektroden bestens informiert gewesen seien, nunmehr aber die ihnen so bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Klägerin im Unternehmen der von ihnen selbst gegründeten Beklagten verwendeten.

Hiezu haben aber die Tatsacheninstanzen als bescheinigt angenommen, daß die beiden Geschäftsführer der Beklagten bei ihrem Ausscheiden aus dem Angestelltenverhältnis zur Klägerin zum Jahresende 1992 keinerlei technische Unterlagen mitnahmen. Es war ihnen vielmehr schon auf Grund ihrer langjährigen theoretischen und praktischen Erfahrung - immerhin hatten sie als Angestellte der Klägerin in gemeinsamer Teamarbeit mit deren Komplementär bereits ab Herbst 1982 eine erste Maschine zur Produktion von EKG-Elektroden entwickelt, diese selbst gebaut und Ende des Jahres 1983 fertiggestellt, sowie in der Folge noch drei weiterentwickelte Produktionsmaschinen gebaut - möglich, für die von ihnen erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses gegründete Beklagte gleichfalls eine - ihrer Ansicht nach - verbesserte Produktionsmaschine zu bauen. Mit ihnen war auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis kein Konkurrenzverbot vereinbart.

Auf der Grundlage dieser Bescheinigungsannahmen kann aber in der Verneinung des von der Klägerin den Geschäftsführern der Beklagten angelasteten sittenwidrigen Vertrauensbruches durch das Rekursgericht schon deshalb keine die Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung gesehen werden, weil die Geschäftsführer der Beklagten nach Beendigung des Dienstverhältnisses nur ihr redlich erworbenes Wissen verwertet haben. Das ist aber selbst dann nicht sittenwidrig, wenn es Geschäfts- bzw Betriebsgeheimnisse des früheren Dienstgebers betrifft (Baumbach-Hefermehl aaO 578 Rz 478; ÖBl 1988, 13; ÖBl 1992, 231 ua).

Das von der Klägerin angestrebte Verbot eines verwechselbar ähnlichen Nachbaues von EKG-Elektroden beruht auf dem Vorwurf einer von der Beklagten herbeigeführten "vermeidbaren Herkunftstäuschung" (Schönherr in ÖBl 1980, 70; Baumbach-Hefermehl aaO 563 ff Rz 450 ff; ÖBl 1991, 209 und 213; MR 1992, 120; MR 1993, 30 und 72 uva). Diese setzt aber (ua) voraus, daß durch die Nachahmung die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird. Abgesehen davon, daß die Beurteilung der Verwechslungsgefahr stets eine Frage des Einzelfalles ist (eco 1993, 253; 4 Ob 1021/93; 4 Ob 167/93), kann deren Verneinung durch das Rekursgericht die Rechtssicherheit auch deshalb nicht beeinträchtigen, weil es den EKG-Elektroden der Klägerin nach den Bescheinigungsannahmen der Tatsacheninstanzen schon an der für die Annahme einer Verwechslungsgefahr notwendigen wettbewerblichen Eigenart mangelt:

Danach bestehen nämlich EKG-Elektroden aus einer - üblicherweise weißen - Scheibe aus verschiedenen Trägermaterialien. In der Mitte der Oberseite befindet sich ein bei sämtlichen Elektroden etwa gleich gestalteter Metallteil zum Anbringen der Kontakte; der Metallteil ist durch ein Etikett befestigt, das überwiegend mit einem Firmenaufdruck versehen ist.

Auf der Unterseite der Elektroden befindet sich unter einer ablösbaren Schutzfolie eine klebende Schaumgummimasse, damit die Scheibe auf der menschlichen Haut haftet. In der hier in Rede stehenden Größe sind runde Elektroden üblich; international am meisten gefragt sind runde Schaumstoffelektroden mit einem Durchmesser von 55 mm und 60 mm Tape-Elektroden.

Damit ist aber der Beklagten schon die Bescheinigung des von ihr der Sache nach behaupteten Mangels einer wettbewerblichen Eigenart der 55 mm-EKG-Elektroden der Klägerin gelungen, fehlt doch Merkmalen, die allgemein üblich sind und von den Mitbewerbern in gleicher oder ähnlicher Form benutzt werden, von vornherein die Eignung, Herkunftsvorstellungen auszulösen (Baumbach-Hefermehl aaO 565 Rz 452; ÖBl 1983, 70; BGH GRUR 1992, 329 mwN). Dazu kommt noch, daß es sich um einen medizinischen Massenbedarfsartikel handelt, der demgemäß auch Gegenstand einer Massenfabrikation ist. Bei solchen Massenartikeln ist aber an die Verkehrsbekanntheit ein strengerer Maßstab anzulegen, weil das Publikum bei ihnen meist nicht auf ihre betriebliche Herkunft achtet (ÖBl 1981, 154; ÖBl 1986, 43). Schließlich werden EKG-Elektroden nur an Fachkreise abgegeben, die regelmäßig an der Herkunft und der mit ihr verbundenen Qualität der Ware interessiert sind (Baumbach-Hefermehl aaO 568 Rz 460). Als Abnehmer kommen ja ausschließlich Spitäler und Facharztpraxen sowie fachkundige Händler in Betracht. Die Direktbelieferung eines Krankenhauses hat nach den Bescheinigungsannahmen sogar zur Voraussetzung, daß der Produzent oder Händler mit den jeweiligen EKG-Elektroden vorher an einem Ausschreibungsverfahren teilnimmt und sein Produkt die damit verbundene Erprobung erfolgreich besteht.

Schon aus diesen Erwägungen war der Revisionsrekurs zurückzuweisen (§§ 78, 402 Abs 4 EO; § 510 Abs 3, letzter Satz, § 528 a ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Das gilt auch für die Revisionsrekursbeantwortung der Beklagten, welche auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht hingewiesen hat, so daß ihre Rechtsmittelgegenschrift zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war.

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