Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
I. Aus dem Akt AZ 6 b Vr 10.471/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sowie aus vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Ablichtungen aus Akten der Rechtsanwaltskammer Wien ergibt sich:
In dem - bereits teils nach § 227 Abs. 1 StPO, teils gemäß §§ 212 Abs. 1, 202 Abs. 3 FinStrG beendeten - gerichtlichen Finanzstrafverfahren AZ 6 b Vr 10.471/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gegen Dr.Friedrich Wilhelm K***** wegen der teils vollendeten, teils versuchten Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1, Abs. 2 lit. a sowie § 13 FinStrG wurde dem Angeklagten vorerst mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.Februar 1987 ein Amtsverteidiger gemäß § 41 Abs. 3 StPO beigegeben, dessen Kosten der Angeklagte nicht zu tragen hat (S 161/I). Dr.K***** hatte in einem Schriftsatz vom selben Tag die Beigabe eines Verteidigers abgelehnt und unter Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK den Anspruch erhoben, sich selbst zu verteidigen (S 167 ff/I). Er beharrte auf diesem Antrag in einer in der Hauptverhandlung vom 4.März 1987 vorgebrachten Rüge (S 184/I) und in einer Beschwerde gegen den Beschluß vom 16.Februar 1987 (S 199 ff/I), die vom Oberlandesgericht Wien mit einem Beschluß vom 5.Mai 1987 - als unzulässig - zurückgewiesen wurde (S 211 ff/I).
Mit Bescheid vom 18.Februar 1987 hatte der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien gemäß § 42 Abs. 1 StPO auf Grund der vom Gericht beschlossenen Beigebung eines Verteidigers den Rechtsanwalt Dr.M***** bestellt (S 174/I). Auch in einer gegen diesen Bestellungsbeschluß gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vertrat Dr.K***** die Ansicht, ihm stehe ein Recht auf Selbstverteidigung zu (S 145 f/II). Diese Ansicht vertrat er auch weiterhin gegenüber dem Gericht in einer Vernehmung vom 20. April 1990 (S 127/II) und in einem Schriftsatz vom 8.Mai 1990 (S 153 ff/II).
Nachdem die Rechtsanwaltskammer Wien in einer Note vom 30.April 1990 zum Ausdruck gebracht hatte, die Voraussetzung für die Bestellung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 3 StPO, dessen Kosten der Angeklagte nicht zu tragen hätte, seien nicht gegeben (S 137/II), wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Juni 1990 dem Angeklagten ein Verteidiger gemäß § 41 Abs. 3 StPO beigegeben, dessen Kosten er zu tragen hatte (S 169/II). Von der Rechtsanwaltskammer Wien wurde mit Bescheid vom 12.Juni 1990 Rechtsanwalt Dr.M***** im Rahmen der Beigebung bestellt (S 254/II). In der Hauptverhandlung vom 4.Juli 1990 beantragte Dr.K***** die Vernehmung des Rechtsanwaltes Dr.M***** als Zeugen und machte geltend, daß dieser gemäß § 40 Abs. 1 StPO von der Verteidigung ausgeschlossen sei (S 268 f/II). Auf Ersuchen des Gerichtes (S 277/II) bestellte daraufhin der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien am 12.Juli 1990 anstelle des Dr.Mü***** den Rechtsanwalt Dr.W***** (S 285/II). Diese Bestellung bekämpfte Dr.K***** mit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, weil der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer und nicht eine Abteilung dieses Auschusses entschieden hatte (S 307 ff/II). Mit Beschluß der Abteilung III des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 8.August 1990 wurde daraufhin Rechtsanwalt Dr.E***** als Verteidiger bestellt (S 303/II). Eine Vorstellung des Dr.K***** dagegen blieb erfolglos. In einer daraufhin erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vertrat Dr.K***** erneut den Standpunkt, es stehe ihm ein Recht auf Selbstverteidigung zu (S 341 ff/II). Die Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 4.Oktober 1991, Zahl 90/18/0230-9, abgewiesen.
Am 13.November 1990 stellte Dr.K***** bei der Rechtsanwaltskammer Wien den Antrag auf Enthebung des Rechtsanwaltes Dr.E***** als Verteidiger wegen Unterlassung einer Antragstellung im Gerichtsverfahren, wobei er unter anderem abermals einen Anspruch auf Selbstverteidigung behauptete. Dieser Antrag wurde von der Abteilung III des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien mit Beschluß vom 27. November 1990 abgewiesen. Einer Vorstellung des Dr.K***** gegen diesen Beschluß gab der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer mit Beschluß vom 8.Jänner 1991 nicht Folge. Die von Dr.K***** dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde von diesem mit Entscheidung vom 26.Februar 1992, Zahl 92/01/0032-6, abgewiesen. In dieser Entscheidung wurde unter anderem zum Ausdruck gebracht, daß gemäß § 45 Abs. 4 RAO eine Enthebung eines bestellten Verteidigers durch den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer nur aus den im § 10 Abs. 1 erster Satz, zweiter Halbsatz RAO angeführten Gründen oder wegen Befangenheit vorgesehen sei, der Beschwerdeführer aber keine dieser Gründe geltend gemacht habe; außer den Fällen des § 45 Abs. 4 RAO komme die Enthebung eines beigegebenen Rechtsanwaltes dem Gericht zu.
Am 1.Februar und am 11.Februar 1991 hatte Dr.K***** bei der Rechtsanwaltskammer Wien neuerlich den Antrag auf Enthebung des Rechtsanwaltes Dr.E***** als Verteidiger gestellt und Pflichtverletzungen behauptet, aber auch neuerlich ein Recht auf Selbstverteidigung geltend gemacht. Die Abteilung III des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien wies den Enthebungsantrag mit dem Beschluß vom 19.Februar 1991 ab, der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien gab einer von Dr.K***** dagegen erhobenen Vorstellung mit dem Beschluß vom 19.März 1992 keine Folge. Eine dagegen erhobene Beschwerde des Dr.K***** an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit dessen Entscheidung vom 26.Februar 1992, Zahl 92/01/0033-3, abgewiesen, in welcher auf die Erwägungen in der (oben erwähnten) Entscheidung vom gleichen Tag, Zahl 92/01/0032-6, verwiesen wurde.
Am 25.März 1991 hatte Dr.K***** beim Landesgericht für Strafsachen Wien den Antrag auf Enthebung des Verteidigers Dr.E***** wegen behaupteter Säumnisse und einer unrichtigen Erklärung über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gestellt (S 21 ff/III im eingangs erwähnten Gerichtsakt), den er in der Hauptverhandlung vom 3. April 1991 - abermals verbunden mit dem Vorbringen, es stehe ein Recht auf Selbstverteidigung zu - wiederholte (S 41 ff/III). Dieser Antrag wurde mit dem Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.April 1991 unter Bezugnahme auf die Entscheidung EvBl. 1969/353 im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß das Gericht nicht berufen und nicht verpflichtet sei, die Tätigkeit eines Verteidigers zu überprüfen; eine Auswechslung der Person des beigegebenen Rechtsanwaltes obliege der Rechtsanwaltskammer (S 79 f/III). Die von Dr.K***** dagegen erhobene Beschwerde wies das Oberlandesgericht Wien mit dem Beschluß vom 30.August 1991, AZ 25 Bs 346/91, (als unzulässig) zurück, trug jedoch gemäß § 15 StPO dem Landesgericht für Strafsachen Wien auf, den Antrag auf Enthebung des Pflichtverteidigers als Antrag auf Umbestellung des Pflichtverteidigers der örtlich (und sachlich) zuständigen Rechtsanwaltskammer zwecks Entscheidung durch deren zuständigen Organe zuzuleiten (S 205 ff/III).
Dr.K***** stellte sodann am 7.Mai 1991 beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes (S 217 ff/III).
Der Verfassungsgerichtshof wies mit dem Beschluß vom 10.Juni 1992, GZ K I-3/91-30, diesen Antrag zurück. Er begründete dies damit, daß der Rechtsanwaltskammer einerseits und dem Gericht andererseits verschiedene Anträge des Dr.K***** zur Entscheidung vorgelegen seien, nämlich der Rechtsanwaltskammer dahingehend, daß eine Selbstverteidigung ermöglicht werden solle, hingegen dem Gericht ein auf Enthebung des bestellten Verteidigers und auf Bestellung eines anderen Verteidigers gerichteter Antrag.
II. Der Generalprokurator vermeint in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, daß die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.April 1991, GZ 6 b Vr 10.471/85-203, und des Oberlandesgerichtes Wien vom 30.August 1991, AZ 25 Bs 346/91 insoweit, als dem Erstgericht gemäß § 15 StPO aufgetragen wurde, den Antrag auf Enthebung des Pflichtverteidigers als Antrag auf dessen Umbestellung der örtlich (und sachlich) zuständigen Rechtsanwaltskammer zwecks Entscheidung durch deren zuständige Organe zuzuleiten, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 41 Abs. 3, 42 Abs. 1 StPO (iVm Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK) und § 45 RAO verletze.
Er führt hiezu aus:
"Es mag zwar dahingestellt bleiben, ob der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer - wie der Verwaltungsgerichtshof vermeint hat - zur Enthebung eines bestellten Rechtsanwaltes ausschließlich in den im ersten Satz des § 45 Abs. 4 RAO bezeichneten Fällen - also nur dann, wenn der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der in § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen kann, berufen ist (vgl. 15 Os 6/88 sowie EBRV zu BGBl.1973/569, 846 BlgNR 13.GP, S 17 über die Umbestellung bei plötzlicher Erkrankung des Verteidigers); jedenfalls kann aber der noch vor Inkrafttreten des Verfahrenshilfegesetzes BGBl. 1973/569 in EvBl. 1969/353 (gegenteilig jedoch bereits EvBl. 1970/105 und SSt. 42/4) zum Ausdruck gelangten Auffassung, die Tätigkeit des bestellten Verteidigers unterliege überhaupt keiner Überprüfung durch das Gericht, wenigstens für jene Fälle nicht beigepflichtet werden, in welchen die in Art. 6 Abs. 1 und - insbesondere - Abs. 3 lit. c MRK gewährleisteten Rechte betroffen sind. Zwar ist aus der Unabhängigkeit des Anwaltstandes vom Staat zu schließen, daß die Führung der Verteidigung im wesentlichen eine Angelegenheit zwischen dem Angeklagten und seinem Rechtsbeistand ist und der Staat daher nicht für jeden Mangel auf der Seite des Pflichtverteidigers verantwortlich gemacht werden kann. Dies enthebt aber innerstaatliche Behörden, insbesondere die Gerichte, nicht der Verpflichtung, jedenfalls dann einzugreifen, wenn ihnen ein offensichtlicher Mangel an wirksamer Verteidigung zur Kenntnis gelangt (EGMR 19.Dezember 1989, Nr. 9/1988/153/207, im Fall Kamasinski gegen Österreich, veröffentlicht in ÖJZ 1990, 412, MRK - E 10 - mit dem Hinweis auf eine Vorentscheidung). Im vergleichbaren Fall des Auftretens eines Widerstreits der Interessen von mehreren Angeklagten, denen ein gemeinschaftlicher Verteidiger beigegeben wurde, ist eine amtswegige Veranlassung der gesonderten Vertretung daher sogar ausdrücklich vorgesehen (§ 43 StPO).
Daß diese "Fürsorgepflicht des Richters" (Bertel in AnwBl. 1977, 158; vgl. denselben in Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts3, Rz 283) nicht auf den von einem Verfahrenshelfer (§ 41 Abs. 2 StPO) verteidigten Angeklagten beschränkt bleibt, sondern - ungeachtet der Möglichkeit, bei Unzufriedenheit einen Wahlverteidiger zu bevollmächtigen - auch in den Fällen der Amtsverteidigung nach § 41 Abs. 3 StPO besteht, ergibt sich - abgesehen von der Analogie zu § 43 StPO - auch aus der Erwägung, daß ein Angeklagter ansonsten bei offensichtlicher Pflichtverletzung seines Amtsverteidigers wenigstens in Fällen notwendiger Verteidigung gezwungen wäre, einen Wahlverteidiger zu bevollmächtigen und damit die Kosten der Verteidigung auf sich zu nehmen, wogegen er bei Fortbestand der Verteidigung nach § 41 Abs. 3 StPO im Falle der - unter Umständen erst nachträglich feststellbaren - Erfüllung der Voraussetzung des § 41 Abs. 2 StPO hievon befreit wäre.
Der Antrag eines von einem Verteidiger nach § 41 Abs. 2 oder 3 StPO vertretenen Angeklagten auf Enthebung dieses Verteidigers und Veranlassung der Bestellung eines anderen kann sohin jedenfalls dann, wenn er damit begründet wird, der bestellte Verteidiger komme seiner Aufgabe nicht nach, ebensowenig wie ein auf Interessenkollision im Sinne des § 43 StPO gestützter Enthebungsantrag mangels Zuständigkeit des Gerichtes zurückgewiesen werden; er ist vielmehr einer sachlichen Prüfung und Erledigung zu unterziehen.
Die Zurückweisung des entsprechenden Antrages des Angeklagten Dr.K***** mit der Begründung, zur Umbestellung des Pflichtverteidigers sei gemäß § 45 RAO generell der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer berufen, stellt daher eine unrichtige (analoge) Anwendung dieser Bestimmung dar. Gleiches gilt aber auch für den vom Oberlandesgericht Wien gemäß § 15 StPO dem Landesgericht für Strafsachen Wien erteilten Auftrag, den Antrag auf "Umbestellung" der örtlich und sachlich zuständigen Rechtsanwaltskammer zwecks Entscheidung durch deren zuständige Organe zuzuleiten. Da der landesgerichtliche Zurückweisungsbeschluß bei richtiger Rechtsauffassung der ungerechtfertigten Ablehnung einer sachlichen Erledigung des Antrages, mithin einer Rechtsverweigerung, gleichzuhalten war, hätte das Oberlandesgericht Wien in Ausübung seiner Dienstaufsicht gemäß § 15 StPO den Zurückweisungsbeschluß aufheben und dem Erstgericht auftragen müssen, über die beantragte Enthebung des von ihm gemäß § 41 Abs. 3 StPO beigegebenen Verteidigers unter Abstandnahme vom vorher herangezogenen Zurückweisungsgrund zu entscheiden und im Falle der Stattgebung nach § 42 Abs. 1 StPO vorzugehen."
Rechtliche Beurteilung
III. Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf den von Dr.K***** im vorliegenden Strafverfahren stets verfochtenen Standpunkt, ein aus Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK erfließendes (verfassungsgesetzliches) "Wahlrecht" auf Selbstverteidigung zu haben, weshalb die ein "Aufdrängen" eines Verteidigers normierende Bestimmung des § 41 Abs. 3 StPO verfassungswidrig sei (s. hiezu die unter I. angeführten Belegstellen und das dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfGH-Slg. 10.326/1985 zugrundeliegende Vorbringen), ist vorerst darauf zu verweisen, daß eine innerstaatliche gesetzliche Verpflichtung zur Vertretung durch einen Verteidiger in bestimmten Verfahrensarten als solche nicht Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK verletzt. Dies wurde zuletzt von der Europäischen Kommission für Menschenrechte in ihrer ein anderes gerichtliches Strafverfahren gegen Dr.K***** betreffenden Entscheidung vom 5.September 1990 (veröffentlicht ÖJZ 1991, 319) unter Hinweis auf ihre ständige Rechtsprechung ausgesprochen (siehe auch Vogler in Golsong ua Internationaler Kommentar zur EMRK Art. 6 Rz 507). Demnach ist auch die Regelung der §§ 41 Abs. 3 und 42 Abs. 1 StPO (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem Strafprozeßänderungsgesetz 1993, BGBl. 1993/526) verfassungskonform.
Zur Frage der Zuständigkeit für die Beigebung eines Verteidigers, dessen Bestellung (und dessen allfällige Enthebung) bedarf es eines Rückblickes auf die rechtshistorische Entwicklung der letzten Jahrzehnte.
Vor dem Verfahrenshilfegesetz, BGBl. 1973/569, lauteten die maßgeblichen Bestimmungen wie folgt:
"§ 41 (3) Wenn für die Hauptverhandlung vor dem Geschwornengericht weder der Angeklagte selbst noch sein gesetzlicher Vertreter für ihn einen Verteidiger wählt und ihm auch kein Armenvertreter beigegeben wird, ist ihm von Amts wegen ein Verteidiger zu bestellen; dasselbe gilt für die Hauptverhandlung vor dem Schöffengerichte, wenn die Anklage wegen einer Handlung erhoben ist, die mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
§ 42 (1) In allen Fällen, in denen vom Gericht ein Verteidiger zu bestellen ist, hat es ihn, soweit tunlich, aus der Zahl der am Orte des Gerichtes wohnhaften Verteidiger (§ 39) zu nehmen.
(2) An Orten, wo sich der Ausschuß einer Rechtsanwaltskammer befindet, steht diesem die Benennung der aus dem Stande der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter zu bestellenden Verteidiger zu.
§ 43 (1) Jeder in der Verteidigerliste Eingetragene ist verpflichtet, in seinem Wohnorte die ihm übertragenen Verteidigungen zu übernehmen, sofern er nicht für die Ablehnung Gründe geltend macht, über deren Erheblichkeit die Ratskammer entscheidet.
(2) In dringenden Fällen oder zur Entlastung des Rechtsanwaltsstandes kann der Gerichtsvorsteher auch bei Gericht angestellte, zum Richteramte befähigte Beamte zu Verteidigern bestellen ...".
Verteidiger waren nach § 39 Abs. 3 StPO (in der damaligen Fassung) alle im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte sowie die auf ihr Ansuchen in die Verteidigerliste aufgenommenen, für das Richteramt, die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüften Rechtsverständigen sowie alle Doktoren der Rechte, die Mitglieder des Lehrkörpers einer rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät waren.
Aus der aufgezeigten Rechtslage vor dem Verfahrenshilfegesetz, namentlich aus den Bestimmungen der §§ 41 Abs. 3 und 43 Abs. 1 StPO aF, ergibt sich somit, daß die Bestellung und die Enthebung eines Verteidigers dem Gericht zukam. Eine - ohnedies nur an Orten, wo sich der Ausschuß einer Rechtsanwaltskammer befand, vorgesehene - Mitwirkung der Rechtsanwaltskammer erschöpfte sich in einer Benennung des vom Gericht zu bestellenden Verteidigers (§ 42 Abs. 2 StPO aF), wobei überdies allenfalls von einem derartigen Vorgang zur Entlastung des Rechtsanwaltsstandes abgesehen werden konnte (§ 43 Abs. 2 StPO aF).
Folgerichtig hatte der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer die ihm vom Gericht übermittelte Beschlußausfertigung des Gerichtes (nur) durch Eintragung des Namens und der Anschrift des von ihm benannten Anwaltes "zu ergänzen" und in (dem Ersuchen um Benennung) beigeschlossenen gerichtlichen Briefumschlägen zu versenden (§ 588 Abs. 4 Geo in der damals geltenden Fassung). Diese "Ergänzung" stellte sich nicht als Bescheid dar und änderte nichts am rechtlichen Charakter der Bestellung des Rechtsanwaltes durch das Gericht (Erkenntnis des Verfassungsgerichtes VfGH-Slg. 6185/1970).
Während der Geltungsdauer dieser Regelung konnte demnach nicht zweifelhaft sein, daß die Bestellung und damit - als contrarius actus - die Enthebung (oder Umbestellung) allein Sache des Gerichtes war (RZ 1971/81).
Im Jahr 1972 hatte der Verfassungsgerichtshof ein amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren in Ansehung des § 66 ZPO in der damals geltenden Fassung eingeleitet, der - ähnlich den bis 31.Dezember 1993 geltenden Bestimmungen der §§ 41 Abs. 3 und 42 Abs. 1 StPO - die Entscheidung über die Beigebung eines Rechtsanwaltes dem Prozeßgericht (§ 66 Abs. 1 ZPO) und die Bestellung eines Rechtsanwaltes dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer (§ 66 Abs. 2 ZPO) zuweist. Im Erkenntnis vom 19.Dezember 1972, VfGH-Slg. 6945/1972, erachtete der Verfassungsgerichtshof seine ursprünglichen Bedenken gegen die Verfassungskonformität dieser Regelung als nicht zutreffend und sprach aus, daß die Regelung des § 66 ZPO nicht gegen den im Art. 94 B-VG enthaltenen Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung verstößt, weil die Entscheidungskompetenz des Gerichtes einerseits über die Beigabe eines Rechtsanwaltes und jene der Rechtsanwaltskammer andererseits über die Bestimmung der Person des Rechtsanwaltes verschiedene Themenkreise betreffen.
Ein Umkehrschluß aus den Gründen dieser Entscheidung ließ aber die damalige Regelung der Strafprozeßordnung über eine "Ergänzung" eines Gerichtsbeschlusses durch die Rechtsanwaltskammer als verfassungsrechtlich bedenkliche Verflechtung von Organen der Justiz und der Verwaltung erscheinen.
Der Gesetzgeber des Verfahrenshilfegesetze, BGBl. 1973/569 sah sich daher - worauf er in den Gesetzesmaterialien (846 BlgNR 13.GP S 16 f) ausdrücklich hinwies - zur Herstellung eines verfassungsrechtlich einwandfreien Zustandes veranlaßt, im Strafverfahren eine den zivilprozessualen Bestimmungen des § 66 ZPO nachgebildete Regelung zu schaffen, nach der den Gerichten nur noch die Beschlußfassung über die Beigebung eines Verteidigers zukommt, jedoch die Bestellung - von den Dringlichkeitsfällen des § 42 Abs. 2 StPO abgesehen - ausschließlich in die Kompetenz der zuständigen Rechtsanwaltskammer überwiesen wird (womit eine Bestellung sogenannter "Nur-Verteidiger" nicht mehr möglich ist), die die Bestellung mit Bescheid vorzunehmen hat (EB zur gleichzeitig mit dem Verfahrenshilfegesetz vorgenommenen Änderung der RAO BGBl. 1973/570 847 BlgNR 13.GP S 13).
Die Bestimmung des § 45 Abs. 1 RAO in der Fassung BGBl. 1973/570 lautete:
"Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen oder schließt die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ein, so hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer."
Der Verfassungsgerichtshof hob diese Bestimmung mit dem Erkenntnis vom 9.Oktober 1982, VfGH-Slg. 9535/1982, in einem von ihm auf Grund von Beschwerden über Entscheidungen einer Rechtsanwaltskammer über Enthebungsanträge eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren deshalb auf, weil sich in dieser Gesetzesbestimmung keine aus dem Gesetz ableitbaren Entscheidungsmaßstäbe fanden und sie daher nicht dem in Art. 18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernis entsprach (4.3.2. des Erkenntnisses). Keinen Zweifel ließ der Verfassungsgerichtshof jedoch daran, daß an die Rechtsanwaltskammern - und nicht etwa an die Gerichte - das Gebot gerichtet ist, alle Verwaltungsakte zu setzen, eine dem Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK nicht bloß die "Bestellung", sondern den wirksamen "Beistand" gewährleistende Pflichtverteidigung sicherzustellen und daher auch eine allenfalls erforderliche Enthebung und Neubestellung (Umbestellung) eines Verfahrenshelfers vorzunehmen (4.2.4. des genannten Erkenntnisses).
Durch das Bundesgesetz über die Änderung der RAO, BGBl. 1983/383 wurde daraufhin (ua) § 45 Abs. 1 RAO erneut im bisherigen Wortlaut beschlossen, jedoch als § 45 Abs. 4 RAO eingefügt:
"Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführte Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen. Im Fall des Todes des bestellten Rechtsanwaltes oder des Verlustes seiner Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist von Amts wegen ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen."
Den Gesetzesmaterialien zu diesem Bundesgesetz (5 BlgNR 16.GP) ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß mit dieser Novellierung eine teilweise (Rück-)Übertragung der Entscheidungskompetenz über die Enthebung (Umbestellung) eines Rechtsanwaltes - außer in den im § 45 Abs. 4 RAO nF ausdrücklich aufgezählten Fällen - an das Gericht in Erwägung gezogen worden wäre. Es sollte vielmehr - wie ausdrücklich angeführt wird - eine dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH-Slg 9535/1982) entsprechende Gesetzeslage geschaffen werden, der - wie erwähnt - davon ausging, daß Enthebung und Neubestellung eines Rechtsanwaltes den Rechtsanwaltskammern zukommt.
Dem Gesetzgeber kann auch sonst mit Fug nicht zugesonnen werden, eine - nur durch einen Umkehrschluß deduzierbare - Regelung einer teilweisen Rückübertragung der Entscheidungskompetenz an das Gericht gewollt zu haben.
Zum ersten wäre es bereits unter dem Blickwinkel des Art. 94 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich, eine Enthebung des Verteidigers als contrarius actus zu der in jedem Fall durch die Rechtsanwaltskammer bescheidmäßig vorzunehmenden Bestellung teilweise wieder den Gerichten zuzuweisen, wobei unklar bliebe, nach welchen sachlich gerechtfertigten Gesichtspunkten die Zuweisung einer Entscheidungskompetenz in einer Reihe von Fällen an die Rechtsanwaltskammer und in einer anderen Reihe von ihrer Bedeutung nach durchaus gleichwertigen Fällen an das Gericht vorgenommen worden wäre.
Zum zweiten sind Fälle vorstellbar, in denen ein Angeklagter die Enthebung des bestellten Verteidigers sowohl aus einem der in § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz RAO namentlich angeführten Gründe und/oder wegen Befangenheit als auch aus anderen Gründen - etwa wie hier unter Behauptung mangelnder fachlicher Fähigkeiten des Rechtsanwaltes auf einem bestimmten Sachgebiet - begehrt. Diesfalls käme es zu einer Doppelkompetenz des Gerichtes und der Rechtsanwaltskammer zur Entscheidung über ein und denselben Gegenstand, nämlich die Enthebung eines bestimmten bestellten Rechtsanwaltes, bei der im Fall des Vorliegens von Enthebungsgründen beider Arten das Zuvorkommen ausschlaggebend wäre. Eine Verfassungswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt des Art. 94 B-VG läge klar auf der Hand.
Aus diesen Überlegungen vermag der Oberste Gerichtshof auch nicht der vom Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 26.Februar 1992, Zahl 92/01/0032, und Zahl 92/01/0033, zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht beizutreten, wonach nur in den im § 45 Abs. 4 RAO namentlich aufgezählten Fällen die Enthebung eines Rechtsanwaltes der Rechtsanwaltskammer zufällt, in sonstigen Fällen jedoch die Enthebung durch das Gericht zu erfolgen hätte (wobei sich - wie angemerkt sei - der Verwaltungsgerichtshof auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes bezog, die vor dem Verfahrenshilfegesetz BGBl. 1973/569 ergingen und somit - wie dargestellt - im hier interessierenden Bereich auf einer anderen Rechtslage beruhten).
Zwar erweckt § 45 Abs. 4 RAO - streng grammatikalisch betrachtet - den Anschein einer taxativen Aufzählung jener Enthebungsgründe, über die die Rechtsanwaltskammer zu entscheiden hätte. Indes ist im Licht der dargestellten Entstehungsgeschichte, wonach der Gesetzgeber im Jahr 1973 mit dem Verfahrenshilfegesetz und der gleichzeitigen Novellierung der Rechtsanwaltsordnung die Kompetenz für die Bestellung (und damit für eine Enthebung) eines namentlich bestellten Rechtsanwaltes uneingeschränkt den Rechtsanwaltskammern zuwies und - klar erschließbar - an dieser Kompetenzregelung durch die RAO-Novelle des Jahres 1983 nichts ändern wollte, die weiterhin uneingeschränkt gegebene Kompetenz der Rechtsanwaltskammern zur Bestellung und Enthebung (Umbestellung) anzunehmen. Ausgehend davon bietet sich als verfassungskonforme Lösung ein Analogieschluß dahin an, daß auf Antrag des Rechtsanwaltes oder der Partei oder von Amts wegen auch andere als die in § 45 Abs. 4 RAO namentlich aufgezählten, ihrem Gewicht nach gleichwertigen Gründe - vor allem unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines wirksamen Beistandes im Sinn des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK - zur Enthebung eines Rechtsanwaltes (Umbestellung) durch die Rechtsanwaltskammer führen können. Dies umso mehr als durch die Änderung der Rechtsanwaltsordnung BGBl. 1983/383, durch Wiedereinführung des § 45 Abs. 1 RAO der Sache nach eine neben § 45 Abs. 4 RAO bestehende Generalklausel zur Gewährleistung wirksamen Beistandes geschaffen wurde.
Außer Frage steht nämlich, daß eine bloße Bestellung eines Verteidigers für sich allein noch keinen wirksamen Beistand im Sinn des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK gewährleistet, sondern erst (und nur) eine diesem Verfassungsgebot entsprechende materielle Verteidigung (Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 13. Mai 1980 im Fall Artico gegen Italien EuGRZ 1980, 662, [von Dr.K***** im übrigen beharrlich falsch "S 602" zitiert - s.S 87/III, 223/III des Gerichtsaktes, seine Anträge an die Rechtsanwaltskammer Wien vom 1.Februar 1991 und vom 21.Februar 1991, seine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom 11.Februar 1991 und seine Äußerung zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes] sowie vom 19.Dezember 1989 im Fall Kamasinski gegen Österreich ÖJZ 1990, 412; Entscheidung des Verfassungsgerichtes vom 19.Dezember 1982 VfGH-Slg. 9535/1982 ua; Vogler in Golsong, Internationaler Kommentar zur EMRK Art. 6 Rz 540 f).
Soweit aber die Meinung vertreten wird, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte obliege die Prüfung der Tätigkeit des beigegebenen und bestellten Verteidigers dem Gericht (so etwa Frowein-Peukert EMRK-Kommentar Art. 6 Rz 135) und hiebei auf die Artico-Entscheidung verwiesen wird, wird diese - ersichtlich ausgelöst durch die in dem Fall Artico zugrundeliegende italienische Rechtsordnung - zu eng interpretiert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte brachte vielmehr zum Ausdruck, daß die Behörden (in den authentischen französischen und englischen Texten: "autorites" und "authorities") eines Staates zur Gewährleistung eines wirksamen Beistandes unter Umständen den Anwalt entweder zu ersetzen oder darauf hinzuwirken haben, daß er seiner Verpflichtung nachkommt (EuGRZ 1980, 662 [Z 33 S 664]). Daß diese Behörden - in den Leitsätzen des Bearbeiters der EuGRZ verengend als "Justizbehörden" bezeichnet - die Gerichte sein müssen, läßt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen. Es entspricht vielmehr der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen, die Gestaltungsmöglichkeit zur wirksamen Gewährleistung der in der EMRK verbrieften Rechte der innerstaatlichen Gesetzgebung zu überlassen.
Soweit der Generalprokurator unter Berufung auf die Kamasinski-Entscheidung vermeint, "innerstaatliche Behörden, insbesondere die Gerichte" hätten die Verpflichtung, bei einem Mangel am wirksamen Beistand einzugreifen, entspricht auch dies hinsichtlich einer speziellen Überbindung dieser Aufgabe an die Gerichte nicht der genannten Entscheidung. Auch hier wird unter Bezugnahme auf die Artico-Entscheidung lediglich eine Verpflichtung innerstaatlicher Behörden statuiert (ÖJZ 1990, 414 rechte Spalte; in den authentischen französischen und englischen Texten: "les autorites nationales" und "national authorities").
Ausgehend von diesen auf den authentischen Wortlaut der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zurückgeführten Klarstellungen ergibt sich somit, daß es der innerstaatlichen Gesetzgebung überlassen bleibt, welche Behörde sie mit der Aufgabe der Wahrnehmung eines wirksamen Beistandes und der damit allenfalls notwendig werdenden Prüfung der Tätigkeit eines beigegebenen Rechtsanwaltes betraut.
Gegen diese Erwägungen spricht - wie beigefügt sei - auch nicht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 9. April 1984 im Fall Goddi gegen Italien (EuGRZ 1985, 234); wird doch hier unter der Aufgabe des Gerichtes, positive Maßnahmen mit dem Ziel, dem Pflichtverteidiger die Erfüllung seiner Aufgabe unter den bestmöglichen Umständen zu ermöglichen, exemplarisch eine Vertagung oder eine Unterbrechung der Sitzung für eine genügend lange Zeitspanne (zur Ermöglichung einer Informationsaufnahme durch den Verteidiger) - also eine jedenfalls in die Kompetenz des Gerichtes fallende Maßnahme - genannt und dabei die völlige Rücksichtnahme auf das grundlegende Prinzip der Unabhängigkeit der Anwaltschaft betont (aaO S 237).
Daß der österreichische Gesetzgeber mit und seit dem Verfahrenshilfegesetz zur Kontrolle der Gewährleistung wirksamen Beistandes die Rechtsanwaltskammern bestimmt hat, erscheint im übrigen als durchaus sachgerechte Lösung. Wird doch bei behaupteter Fehlleistung oder bei behauptetem unsachgemäßen Vorgehen eines Rechtsanwaltes unter Umständen der Inhalt der dem Rechtsanwalt erteilten Informationen in Betracht zu ziehen sein, der nach österreichischem Prozeßverständnis grundsätzlich der Geheimhaltung unterliegt (§ 9 Abs. 2 RAO, § 152 Abs. 1 Z 2 StPO, § 104 Abs. 1 lit. d FinStrG). So gesehen verdient ein System, in welchem eine nicht dem Gericht unterstehende oder zur Auskunftserteilung verpflichtete Standesbehörde zur Entscheidung berufen ist, den Vorzug gegenüber einem, in welchem das zur Entscheidung in der Strafsache selbst berufene Gericht - von prozeßleitenden Maßnahmen zur Ermöglichung des erforderlichen Ausmaßes an Kontakt zwischen Angeklagtem und Rechtsanwalt abgesehen - auch meritorisch über die Wirksamkeit des Beistandes zu entscheiden hätte.
Die vom Generalprokurator unter Berufung auf Bertel (AnwBl. 1977/158; derselbe Grundriß des Strafprozeßrechtes3 Rz 283) ins Treffen geführte Fürsorgepflicht des Richters kann keinen Kompetenzübergang von der Rechtsanwaltskammer an das Gericht bewirken, sondern verpflichtet den Richter gegebenenfalls, den rechtsunkundigen Angeklagten zur Stellung von zweckdienlichen Anträgen anzuleiten und allenfalls von Amts wegen der Rechtsanwaltskammer davon Mitteilung zu machen, daß seiner Ansicht nach ein wirksamer Beistand nicht gewährleistet sei (so auch jüngst Tipold, Die Beistellung des Verteidigers im Strafprozeß, Juristische Schriftenreihe Band 65, 185).
Letztlich sei der Vollständigkeit halber bemerkt, daß auch die Entscheidung EvBl. 1978/95 = JBl. 1978, 327 (mit Anmerkung von Liebscher) den Gedanken einer Kompetenz der Gerichte zur Prüfung der Wirksamkeit des einem Angeklagten gewährten Beistands und zur allfälligen Enthebung eines Rechtsanwaltes nicht zu stützen vermag. Betrifft doch diese Entscheidung die Bestellung eines Notverteidigers durch den Präsidenten eines Gerichtes nach § 42 Abs. 2 StPO idF vor dem StrafprozeßänderungsG 1993 (jetzt: § 42 Abs. 4 StPO). Daß in einem solchen (außergewöhnlichen) Fall der Gerichtshofpräsident auch die Enthebung (als contrarius actus) vorzunehmen hat, entspricht den vorstehend entwickelten Gedanken.
Aus den angeführten Gründen entsprechen die angefochtenen Beschlüsse dem Gesetz und es war somit die zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
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