Spruch:
Die Wiedereinsetzung wird verweigert.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die (verspätet ausgeführte, jedoch fristgerecht angemeldete) Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Robert Josef K*** auch die Kosten des ihn betreffenden bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der Angeklagte K*** hat gegen seine Verurteilung
fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet
(S 109/II).
Die für ihn bestimmte Urteilsausfertigung wurde am 23. September 1987 dem im Rahmen einer Beigebung nach § 41 Abs. 2 StPO zu seinem Verteidiger bestellten Rechtsanwalt Dr. M*** in dessen Kanzlei (an eine Angestellte) zugestellt (Rückschein bei S 150/II). Diese Zustellung war ungeachtet dessen, daß sich der genannte Verteidiger seit dem 15. dM in Spitalspflege befand, gemäß § 13 Abs. 4 erster Halbsatz ZustG wirksam (vgl. Mayerhofer/Rieder, Nebengesetze2, Anm. 5 hiezu). Eine fristgerechte Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel unterblieb jedoch vorerst wegen des Krankenhausaufenthalts des Verteidigers und in der Folge deswegen, weil sich jener im Anschluß daran aus gesundheitlichen Gründen noch nicht in der Lage sah, seiner Kanzleiarbeit nachzugehen (S 172, 185/II).
Als der solcherart jedenfalls an der uneingeschränkten Erfüllung seiner Vertretungspflicht nach wie vor gehinderte Verteidiger am 10. und 11.Oktober dJ, also schon nach dem Ablauf der Rechtsmittelausführungsfristen, anläßlich einer Durchsicht der seit seiner Erkrankung bei ihm angefallenen Geschäftsstücke feststellte, daß im vorliegenden Fall seine vormals aus dem Krankenhaus erteilte allgemeine Anweisung, wonach beim allfälligen Einlangen von Friststücken in Verfahrenshilfe-Sachen jeweils bei der Rechtsanwaltskammer eine Umbestellung des Verfahrenshelfers zu erwirken sei, versehentlich nicht befolgt worden war, stellte er am
13. dM unter Bekanntgabe des Sachverhalts, jedoch - seiner Verhinderung entsprechend - ohne gleichzeitige Nachholung der Rechtsmittelausführung, beim Erstgericht den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Fristen; zudem beantragte er, dem Angeklagten zur Rechtsmittelausführung die "Beistellung" eines anderen Verfahrenshelfers "zu bewilligen und zu bestellen" (ON 93).
Rechtliche Beurteilung
Im Hinblick darauf, daß die Fristen zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung bereits verstrichen waren, konnte einerseits der Wiedereinsetzungsantrag zu jener Zeit schon gestellt werden, obwohl das für die Fristversäumnis maßgebend gewesene Hindernis, nämlich die Verhinderung des Verteidigers, noch nicht weggefallen war (vgl. hiezu Mayerhofer/Rieder, StPO2, ENr. 13, 14 zu § 285); und anderseits stand dem Angeklagten eben deswegen zur notwendigen Ergänzung des Antrags durch eine Nachholung der versäumten Prozeßhandlung, also der Rechtsmittelausführung, weiterhin die hiefür bestimmte gesetzliche Frist von vierzehn Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses offen (§ 364 Abs. 1 Z 2 und 3 StPO), die entweder durch den Wegfall der Verhinderung des bestellten Verteidigers oder aber durch die Bestellung eines anderen, an der hier aktuellen Vertretung nicht gehinderten Verfahrenshelfers ausgelöst werden konnte.
Zu einer derartigen Umbestellung im Rahmen der seinerzeit beschlossenen (und durch die dargestellten prozessualen Vorgänge nicht berührten) Verteidiger-Beigebung war freilich - worüber sich auch der eingangs genannte Verteidiger nach dem zuvor Gesagten ersichtlich im klaren war - nicht das Gericht, sondern der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer zuständig (§ 42 Abs. 1 StPO). An diesen hätte daher der Schöffengerichts-Vorsitzende, wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei, das darauf abzielende Ansuchen in sinngemäßer Anwendung - zwar nicht des § 43 a StPO, weil die Ausführungsfrist schon verstrichen war und die Nachholungsfrist noch nicht zu laufen begonnen hatte, wohl aber - des § 42 Abs. 1 StPO (und zweckmäßigerweise unter Mitübersendung einer aufklärenden Note über den Verfahrensstand sowie einer Urteilsausfertigung) weiterleiten sollen.
Das folgende Unterbleiben einer dahingehenden Veranlassung (in bezug auf den unrichtigerweise bei Gericht eingebrachten Umbestellungs-Antrag), womit eine Beeinträchtigung der - hier entscheidend aktuellen - Nachholungsfrist (und damit des Wiedereinsetzungs-Anspruchs) von vorherein nicht verbunden sein konnte, blieb jedoch auch unter dem Gesichtspunkt einer Verfahrensverzögerung ohne Belang. Denn der an der Rechtsmittelausführung verhinderte Verteidiger ersuchte außerdem - ohne daß jene Vorgänge zunächst aktenkundig wurden - schon drei Tage später, also am 16.Oktober dJ, den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Tirol unmittelbar um eine Umbestellung, worauf vorerst mit Bescheid vom 19. dM an seiner Stelle der Rechtsanwalt Dr. H***, sodann auf dessen Ersuchen hin wegen Kollision mit Bescheid vom 29. dM an dessen Stelle der Rechtsanwalt Dr. K*** und in weiterer Folge über Initiative des Letztgenannten gleichfalls wegen Kollision mit Bescheid vom 9.November dJ an seiner Stelle der Rechtsanwalt Dr. P*** gemäß § 45 Abs. 1 RAO für den Angeklagten K*** im Umfang der Beigebung zum Verteidiger bestellt wurde.
Inzwischen hatte allerdings der Vorsitzende bereits am 19. Oktober dJ die Aktenvorlage an das Rechtsmittelgericht verfügt; der Oberste Gerichtshof hatte daraufhin die (nach der Erledigung einer weiteren Verfügung am 27. dM eingelangten) Akten zunächst mit dem Ersuchen zurückgestellt, (unter anderem) die Dauer der krankheitsbedingten Berufsunfähigkeit des bis dahin als bestellt ausgewiesenen Verteidigers Dr. M*** im kurzen Weg zu überprüfen und entweder, für den Fall ihres Fortbestandes, in sinngemäßer Anwendung des § 42 Abs. 1 StPO beim Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Tirol die Bestellung eines anderen Verfahrenshelfers in die Wege zu leiten, der diesfalls zugleich (unter Mitübersendung einer Urteilsausfertigung, einer Fotokopie des Antrags und einer entsprechenden Note) darauf aufmerksam zu machen sei, daß mit der Zustellung der Bestellungsurkunde an ihn die Frist zur Ergänzung des (vorzeitig gestellten) Wiedereinsetzungsantrags durch eine Nachholung der Rechtsmittelausführung (§ 364 Abs. 1 Z 2 und 3 StPO) zu laufen beginne, oder aber, falls der Hinderungsgrund mittlerweile weggefallen sei, den Ablauf der damit in Gang gesetzten Nachholungsfrist abzuwarten (ON 94, 96). Während der demzufolge eingeleiteten Überprüfung (ON 97) langte beim Erstgericht am 10. November 1987 eine Ausfertigung des Bescheides vom 9. dM über die Bestellung Dris. P*** zum Verteidiger ein (ON 98). (Die übrigen zuvor beschriebenen Umbestellungsvorgänge waren im Akt weiterhin nicht ersichtlich.)
Dem zuletzt genannten Verfahrenshelfer wurde die betreffende Bestellungsurkunde von der Rechtsanwaltskammer am folgenden Tag zugestellt; da ihr und dem ihr zugrunde gelegenen (beigefügten) Ersuchen Dris. K*** über den Verfahrensstand nichts zu entnehmen war, kam Dr. P*** der ihm demgemäß oblegenen Verpflichtung (§ 9 Abs. 1 RAO), sich unverzüglich und gewissenhaft darüber zu informieren, derart nach, daß er letzteren in der zuständigen Geschäftsabteilung des Erstgerichts durch einen Konzipienten erfragen ließ, wobei er die Auskunft erhielt, daß in dieser Strafsache Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zu verfassen seien und daß der Akt derzeit wegen laufender Erhebung hinsichtlich des von Rechtsanwalt Dr. M*** eingebrachten Wiedereinsetzungsantrags auf Kalender liege (ON 113).
Schon auf Grund jener Information hätte dem (nunmehrigen) Verteidiger bei pflichtgemäßer Sorgfalt klar sein müssen, daß es bei der darnach zu erstattenden Rechtsmittelausführung nur um die für eine Bewilligung der betreffenden Wiedereinsetzung vorauszusetzende Nachholung der in concreto versäumten Prozeßhandlung gehen konnte; hätte er doch dann, wenn die Erteilung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Ausführungsfristen von einer anderen Prämisse abhängig (oder etwa über einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Anmeldungsfristen zu entscheiden) gewesen wäre, nicht auf eine unbedingte Notwendigkeit zur Verfassung der Rechtsmittelausführung hingewiesen werden können.
Selbst wenn dem rechtskundigen Mitarbeiter des Verteidigers in der Geschäftsabteilung - nach der plausiblen Ansicht ihres Leiters (ON 117) im Hinblick auf die Verfügbarkeit des Aktes und auf die rechtliche Tragweite eines solchen Hinweises unwahrscheinlicherweise - die weitere Auskunft erteilt worden sein sollte, daß nach der noch ausstehenden Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag letzterem eine Urteilsausfertigung zugestellt und daß dann (erst) die Rechtsmittelausführungsfrist zu laufen beginnen werde (ON 113), wäre dieser daher in der Lage gewesen, die rechtliche Unschlüssigkeit einer derartigen Information zu erkennen; auf jeden Fall aber wäre er im Interesse einer sachgerechten Vertretung seines Klienten - an der er sich dementsprechend durch eine solche Auskunft nicht hätte beirren lassen dürfen - zum mindesten verhalten gewesen, selbst (oder durch einen geeigneten Mitarbeiter) in den (verfügbaren) Akt Einsicht zu nehmen, aus dem er seine Verpflichtung zur Nachholung der Rechtsmittelausführung binnen vierzehn Tagen nach dem Erhalt der Bestellungsurkunde, also bis spätestens zum 25.November dJ, hätte ersehen können.
Gleiches gilt auch für jenen vom Schöffengerichts-Vorsitzenden als möglich bezeichneten Fall, wonach er am 20. oder 23. dM im Zusammenhang mit einer Mitteilung des - nach einer weiteren Vorsprache in der Geschäftsabteilung an ihn
verwiesenen - Konzipienten dahin, daß dem Verteidiger noch keine Urteilsausfertigung zugestellt wurde, von einem Versehen der Geschäftsstelle gesprochen habe; denn abgesehen davon, daß der Vorwurf eines derartigen Versehens objektiv gar nicht aktuell gewesen sein konnte, weil eine ihm angeblich zugrunde gelegene Zustellung des Umbestellungsdekrets an den Verteidiger durch die Geschäftsabteilung, bei der die Mitübersendung einer Entscheidungsausfertigung versehentlich unterblieben sei, in Wahrheit überhaupt noch nicht stattgefunden hatte, trifft es nach der glaubhaften Darstellung des Erstgenannten jedenfalls nicht zu, daß er dabei die (rechtlich verfehlte) Erklärung abgegeben hätte, der Lauf der Rechtsmittelausführungsfrist habe mit der Erledigung des Wiedereinsetzungsantrags nichts zu tun (ON 117 iGgs zu ON 113). Die Überreichung der Rechtsmittelschrift am 7.Dezember 1987 (ON 102 samt Kouvert) war daher, da die Nachholungsfrist durch die - vom Vorsitzenden (ersichtlich auf Grund der zuvor relevierten Vorsprache eines Konzipienten bei ihm, jedoch) im Widerspruch zum Ersuchen des Rechtsmittelgerichts (ON 96) verfügte
(ON 101) - neuerliche Zustellung der Umbestellungsurkunde (in Fotokopie unter Mitübersendung einer Urteilsausfertigung sowie von Ablichtungen des Wiedereinsetzungsantrags und des Erhebungsersuchens des Obersten Gerichtshofes) an den Verteidiger am 24.November dJ (Rückschein bei S 189/II) nicht hatte wiederhergestellt werden können und nunmehr bereits verstrichen war, nach § 364 Abs. 1 Z 2 und 3 StPO verspätet.
Dementsprechend mußte die begehrte Wiedereinsetzung verweigert werden, und zwar ungeachtet dessen, daß es dem Angeklagten - im Hinblick auf Art und Dauer der Erkrankung seines ersten Verteidigers, dem deswegen und wegen seiner aus dem Krankenhaus erteilten allgemeinen Kanzleianweisung über das Vorgehen in Verfahrenshilfe-Fristsachen eine Vernachlässigung der pflichtgemäßen Vorsorge für die Vertretung der Interessen der betreffenden Klienten nicht vorzuwerfen ist (vgl. Mayerhofer/Rieder aaO ENr. 36 zu § 364 StPO), sowie mit Rücksicht darauf, daß die Beachtung jener Anweisung durch deren Adressaten versehentlich unterblieb - in der Tat ohne sein oder seines (damaligen) Vertreters Verschulden durch unabwendbare Umstände unmöglich gewesen war, die Rechtsmittelausführungsfristen einzuhalten (§ 364 Abs. 1 Z 1 StPO). Die verspätet ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*** war daher unter Bedacht darauf, daß auch bei ihrer Anmeldung keiner der in § 281 Abs. 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Gründe bezeichnet wurde, nach Anhörung der Generalprokuratur( gleichfalls schon bei der nichtöffentlichen Beratung) sofort zurückzuweisen (§§ 285 d Abs. 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO). Zur Entscheidung über die fristgerecht angemeldete Berufung dieses Angeklagten hingegen ist im Hinblick darauf, daß er durch einen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche nicht beschwert und auch nicht zu mehr als einer Strafe (oder Unrechtsfolge) verurteilt wurde, sodaß eine Bezeichnung einzelner von mehreren in Betracht kommenden Punkten des Erkenntnisses, durch die er sich in der Straffrage denkbarerweise hätte beschwert finden können, für ihn nicht aktuell war (§§ 294 Abs. 2 und 4, 296 Abs. 2 StPO nF), ungeachtet des Unterbleibens einer rechtzeitigen Ausführung jenes Rechtsmittels das Oberlandesgericht Innsbruck zuständig (§ 285 i StPO nF).
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