OGH 7Ob1650/93

OGH7Ob1650/932.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Agrargemeinschaft D*****, vertreten durch Dr.Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ö*****verein, ***** vertreten durch Dr.Karl G. Aschaber und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung, in eventu Eigentumsübertragung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. September 1993, GZ 3 R 154, 155/93-34, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Es liegt auf der Hand, daß die nach einer Luftbildaufnahme (ohne jegliche Vermessungen) händisch vom Klagevertreter auf einem Grundstücksplan eingezeichnete, behauptete Ersitzungsgrenze (Beilage B), die zahllose Bögen aufweist, auch von einem Vermessungsspezialisten nicht exakt eingemessen werden (noch dazu im hochalpinen Gelände) und nicht Grundlage einer entsprechenden Verbücherung sein kann. Dies gilt auch dann, wenn die eingezeichneten Linien drei in der Natur nachvollziehbare Bezugspunkte (zwei Hütten und eine Liftstation) tangieren sollten. Der Entscheidung EvBl 1970/117 (ein Teilungsplan muß der Klage nicht angeschlossen sein) liegt ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde, weil es dort um einen ein Meter breiten Grundstreifen entlang einer bestimmten Grenze eines Grundstückes ging.

Das Vorliegen eines Verfahrensmangels (Verletzung der Anleitungspflicht; Erfordernis der Beiziehung eines Sachverständigen seitens des Gerichtes) wurde bereits von der zweiten Instanz verneint.

Sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren wurden daher zutreffend bereits mangels Bestimmtheit abgewiesen. Im übrigen haben die Unterinstanzen festgestellt, daß die Linie auf dem Plan die Ersitzungsfläche nicht richtig wiedergibt.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt Ersitzung, (auf die sich die klagende Partei in erster Instanz berufen hat), den Besitz eines Rechtes voraus, das seinem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entsprechen muß (SZ 45/45 ua). Die Besitzausübung muß so beschaffen sein, daß derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, die Ausübung eines bestimmten, individuellen Rechtes erkennen kann (SZ 55/30 mwN). In welchem Umfang Besitz erworben wird, hängt davon ab, welches Recht der eine Teil ausüben und der andere Teil dulden wollte (SZ 55/19 mwN). Es kommt in erster Linie auf die Art der Benützung an. Deckt sich die Art der Benützung der Ausübung einer Grunddienstbarkeit mit der Art der Benützung aufgrund des Eigentumsrechtes, so wird in der Regel Ersitzung einer Grunddienstbarkeit auch dann anzunehmen sein, wenn der Benützer irrtümlich der Meinung war, er übe ein Eigentumsrecht aus (JBl 1976, 642). Zur Ersitzung des Eigentumsrechtes ist Sachbesitz erforderlich, dessen typische Ausübungsarten im § 312 ABGB aufgezählt sind. Allen diesen Arten der Besitzausübung ist gemeinsam, daß sie die volle Zugehörigkeit der Sache zu dem ausübenden sichtbar zum Ausdruck bringen; daß sie die Besitzausübung dritter Personen für jedermann erkennbar nicht zulassen (SZ 39/77; 4 Ob 609, 610/75).

Da die Mitglieder der klagenden Partei auf den strittigen Flächen (lediglich) ihr Vieh weideten und ausschließlich damit unmittelbar zusammenhängende Handlungen setzten (Errichtung von Stützmauern und Drahtzäunen an exponierten Stellen, um ein Abstürzen des Viehs zu verhindern), käme somit nur die Ersitzung einer Weideservitut, nicht aber die Ersitzung von Eigentum in Betracht. Die Entscheidung 4 Ob 609, 610/75 und die Entscheidung SZ 39/77 sprechen aufgrund völlig anders gelagerter Sachverhalte nicht für den Standpunkt der klagenden Partei.

Wenn auch nach der Entscheidung 4 Ob 609, 610/75 Ersitzung des Eigentumsrechtes durch das Servitutenpatent bzw das Tiroler Wald- und Weideservituten - Landesgesetz (LGBl Nr. 2/1953) nicht ausgeschlossen ist (bei über das Weidenlassen hinausgehenden Besitzhandlungen wie Mähen, Aufforsten, Holzschlägerungen usw), ist der Ansicht der Untergerichte beizupflichten, daß durch das bloße Weidenlassen des Viehs weder eine Weideservitut noch - umso weniger - Eigentum ersessen werden kann.

Daß die in Beilage B händisch eingezeichneten Grenzen seit jeher (bereits im Zeitpunkt des derivativen Eigentumserwerbes der Grundstücke durch die jeweiligen Streitteile) in dieser Form die jeweils von der einen und von anderen Partei erworbenen Grundstücke abgegrenzt hätten, wurde in erster Instanz nicht einmal behauptet und ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Im Gegenteil: Die Ausdehnung der Weidegebiete seitens der klagenden Partei erfolgte offenbar kontinuierlich mit dem Rückgang der Gletscher. Ein derartiges Naturereignis bildet aber keinen Titel zum Eigentumserwerb.

Auf die Frage der Redlichkeit der klagenden Partei kommt es daher gar nicht mehr an (Eintragung der Mappengrenzen in Wanderkarten usw).

Stichworte