OGH 12Os163/93

OGH12Os163/9327.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Mag.Strieder und Dr. Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Straßegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dimiter P* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 1. Oktober 1993, GZ 16 Vr 645/92‑118, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Kovacsevic, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:E31819

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen, auf dem (einhelligen) Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der am 11. April 1921 geborene Dimiter P* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit zwischen 14. und 17. Dezember 1991 in G* oder einem anderen Ort seine Ehefrau Helga P* durch gewaltsame Einwirkung gegen ihren Kopf bzw. gegen den Hals im Sinne eines Würge‑ oder Drosselgeschehens oder auf sonstige Art und Weise vorsätzlich getötet hat.

Die vom Angeklagten dagegen aus § 345 Abs. 1 Z 1, 6 und 10 a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Unter dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund (Z 1) moniert der Beschwerdeführer "die mangelhafte Besetzung des Gerichtes", weil (wie er erst nach Ausfertigung des schriftlichen Urteils erfahren habe) Richter Dr. Manfred T* - ungeachtet einer inzwischen erfolgten Änderung der Geschäftsverteilung beim Landesgericht Feldkirch und seines Wechsels in das Zivilfach ‑ als Mitglied des Richtersenates für die Schwurgerichtsverhandlung am 27. September 1993 "besonders" zugewiesen und bestimmt worden sein soll. Dadurch sei das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter verletzt worden.

Diesem Vorbringen genügt es zu erwidern, daß Dr. Manfred T* nach der vom 1 .Jänner bis 31. August 1993 in Geltung gestandenen Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Feldkirch (erstgenanntes) Mitglied des unter dem Vorsitz des Richters Dr. M* stehenden Schwurgerichtshofes (Gerichtsabteilung 16 2. Senat) war und als solches an der Hauptverhandlung vom 10. und 11. Mai 1993 teilnahm. Mit Beschluß des Personalsenates des genannten Gerichtshofs wurde sodann ab 1. September 1993 eine geänderte Geschäftsverteilung in Kraft gesetzt, derzufolge Dr. T* zwar ohne fixe Zuweisung zu einem der drei Senate der Gerichtsabteilung 16, jedoch als "weiteres Mitglied des Schwurgerichtshofes" (bei Verhinderung eines der den vier Senaten zugeteilten Beisitzern) einzuschreiten hat. Für die gegenständliche Strafsache, AZ 16 Vr 645/92, wurde aber vom Personalsenat ausdrücklich bestimmt, daß "die bisherige Senatsbesetzung weiter gilt" (S 19 letzter Satz der bezüglichen Geschäftsverteilung).

In der Fragestellungsrüge (Z 6) behauptet der Rechtsmittelwerber (zusammengefaßt wiedergegeben), bereits aus der Fragestellung an die Geschworenen ergäbe sich, daß die Art der Tötung lediglich spekulativ sei; für eine vorsätzliche Tötung der Helga P* lägen weder gewichtigere noch überzeugendere noch lebensnahere Anhaltspunkte vor als etwa für ein Tatgeschehen nach § 80 bzw. § 86 StGB. Der Schwurgerichtshof wäre daher verpflichtet gewesen, zumindest je eine Eventualfrage nach § 86 und § 80 StGB den Geschworenen zur Beantwortung vorzulegen; wären die Laienrichter nämlich überzeugt gewesen, "daß der Angeklagte mit dem Tod seiner Frau 'etwas zu tun hatte', dh ursächlich durch Handlungen oder Unterlassungen zu ihrem Tod beitrug, jedoch nicht davon, daß er sie vorsätzlich töten wollte, hätten sie (was sie aber womöglich unter allen Umständen verhindern wollten) durch Verneinung der einzigen Hauptfrage einen Freispruch bewirkt; in gleicher Weise wäre auch eine Eventualfrage nach einem Tatgeschehen gemäß § 76 StGB zu stellen (und indiziert) gewesen".

Eventualfragen sind indes gemäß § 314 StPO nur zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, nach denen ‑ wenn sie als erwiesen angenommen werden ‑ ein eines vollendeten Verbrechens oder Vergehens Angeklagter nur des Versuches schuldig oder ein als unmittelbarer Täter Angeklagter als Bestimmungs‑ oder Beitragstäter anzusehen wäre oder wonach die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger als das in der Anklageschrift angeführte ist. Unabdingbare Voraussetzung für die der Stellung einer Eventualfrage ist demnach das Vorbringen von Tatsachen in der Hauptverhandlung, die einen gegenüber der Anklage geänderten Sachverhalt und damit eine andere rechtliche Beurteilung in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken, wobei nicht abstrakt denkbare Möglichkeiten, sondern immer nur ein tatsächliches Substrat Grundlage einer Eventualfrage sein kann (Mayerhofer‑Rieder aaO § 314 ENr. 16 a und 22).

Diese Voraussetzungen treffen im vorliegenden Fall nicht zu, weil der Beschwerdeführer stets jede Beteiligung am Tod seiner Ehegattin, ja sogar jedes Wissen darum bestritten hat und ein bloßes Leugnen keineswegs eine Verantwortung dahin einschließt, nicht mit dem zur Last gelegten (hier: Tötungs‑)Vorsatz, sondern einem anderen dolus (oder auch nur fahrlässig) vorgegangen zu sein (Mayerhofer‑Rieder aaO § 314 ENr. 23 und 24). Die in der Nichtigkeitsbeschwerde begehrten Eventualfragen wurden daher zu Recht nicht gestellt, sodaß der behauptete Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt.

In der Tatsachenrüge (Z 10 a) werden ‑ abgesehen von dem globalen und unsubstantiierten Einwand, sowohl Schuldform als auch Tötungshandlung beruhten auf purer Spekulation, für die aus den Akten keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich seien ‑ keinerlei konkrete Umstände dargetan, die geeignet sein könnten, Bedenken gegen die im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Sie entzieht sich damit einer sachbezogenen Erörterung und muß mithin auf sich beruhen.

Das weitere Vorbringen, angesichts des Fehlens einer Urteilsbegründung, die sich hier als bloße Scheinbegründung darstelle, sei der Wahrspruch unüberprüfbar, führt den relevierten Nichtigkeitsgrund ebenfalls nicht gesetzmäßig aus. Es ist auch deshalb nicht zielführend, weil Beweisergebnisse dem Wahrspruch unmittelbar gegenübergestellt werden können, wenn es solche (zur Erweckung von Zweifeln an der Richtigkeit des Wahrspruchs geeignete) überhaupt gibt. Derartige Verfahrensergebnisse werden indes in der Beschwerdeschrift nicht substantiiert.

Ebenso verfehlt ist die Behauptung des Nichtigkeitswerbers, er könne mangels begründeter Feststellungen die rechtliche Richtigkeit des Schuldspruchs nicht bekämpfen. Denn wenngleich sich aus § 342 StPO ergibt, daß die Urteilsausfertigung im Geschworenengerichtsverfahren keine Sachverhaltsschilderung zu enthalten hat und nur formal unter Hinweis auf den Wahrspruch der Geschwornen zu begründen ist (EvBl. 1971/48; Foregger‑Serini StPO5 § 342 Erl. I), ist daraus nur das Fehlen eines dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO entsprechenden Nichtigkeitsgrundes, nicht aber eine Erschwernis der Darstellung der im § 345 Abs. 1 StPO vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der Z 10 a und 11 StPO abzuleiten.

Da weder die EMRK ‑ was der Beschwerdeführer selbst zugibt ‑ noch eine andere im Verfassungsrang stehende Vorschrift ‑ wie etwa das zitierte 7. Zusatzprotokoll zur EMRK ‑ dem Angeklagten das Recht auf eine begründete Urteilsausfertigung einräumt, das Fehlen einer Begründung im Sinne des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO im Geschworenenverfahren hingegen eine zwingende Folge der in der Bundesverfassung vorgesehenen Entscheidung von Geschworenen bei mit schwerer Strafe bedrohten Verbrechen (§ 14 StPO) über die Schuld des Angeklagten (Art. 91 Abs. 2 B‑VG) ist, vermag der Oberste Gerichtshof die in der Rechtsmittelschrift aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zu teilen.

Demnach war die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde ‑ in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur ‑ zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14. Mai 1992, GZ 17 E Vr 1668/91 (womit der Angeklagte wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 300 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt worden war), eine lebenslange (Zusatz‑)Freiheitsstrafe, wobei es als erschwerend wertete, "daß der Angeklagte aus besonders verwerflichen Beweggründen gehandelt hat und grausam und gefühlskalt vorgegangen ist"; mildernd war demgegenüber nichts.

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung strebt der Angeklagte (allenfalls unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung) die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe an.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Mit Recht reklamiert der Berufungswerber zwar den Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels (§ 34 Z 2 StGB), und ‑ angesichts der im Dunkeln gebliebenen Tatmodalitäten ‑ den Entfall des Erschwerungsgrundes nach § 33 Z 6 StGB; berücksichtigt man jedoch den zusätzlichen Erschwerungsgrund des Zusammentreffens eines Verbrechens mit einem Vergehen (§ 33 Z 1 StGB) und legt man namentlich dem in den Verfahrensergebnissen begründeten Erschwerungsgrund, wonach der Angeklagte aus besonders verwerflichen Beweggründen gehandelt hat (Z 5 des § 33 StGB), die gebührende Bedeutung bei, dann erscheint auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die vom Erstgericht geschöpfte (höchste) Unrechtsfolge ‑ ungeachtet der korrigierten Strafzumessungsbasis ‑ tatschuldadäquat und damit einer Ermäßigung unzugänglich.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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