Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen, soweit mit dem angefochtenen Beschluß über die vorläufige Unterhaltspflicht der Revisionsrekurswerberin gegenüber der Minderjährigen Katrin P***** entschieden wurde.
Im übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahingehend abgeändert, daß die einstweiligen Verfügungen des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 5.2.1992, 16 P 4/90-69 und 70, betreffend die Minderjährigen Stefanie und Martin P*****, bereits ab 2.3.1992 aufgehoben werden.
Text
Begründung
Die Minderjährigen Stefanie, Martin und Katrin P***** befinden sich in der Obsorge ihrer väterlichen Großeltern, nachdem ihrer Mutter, der nunmehrigen Revisionsrekurswerberin, mit Beschluß des Pflegschaftsgerichtes vom 6.12.1991 gemäß § 176 ABGB die Obsorge entzogen worden war. Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche der Minderjährigen ist das Amt für Jugend und Familie für den *****Bezirk der Stadt Wien.
Gegen die Mutter behängt seit 23.1.1992 ein Unterhaltsfestsetzungsverfahren. Sie wurde im Zuge dieses Verfahrens mit einstweiligen Verfügungen des Pflegschaftsgerichtes vom 5.2.1992 verpflichtet, ihren Kindern gemäß § 382a EO ab 23.1.1992 vorläufigen Unterhalt zu leisten, und zwar der Mj.Stefanie monatlich S 1.400,-
(ON 69), dem Mj.Martin ebenfalls S 1.400,- monatlich (ON 70) und der Mj.Katrin S 1.200,- monatlich (ON 71).
Bereits am 6.3.1992 legte die in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Revisionsrekurswerberin dem Pflegschaftsgericht Urkunden über ihre Körperbehinderung sowie zahlreiche ergebnislose Bewerbungsgesuche um einen Arbeitsplatz vor (ON 80). Am 22.2.1993 beantragte sie dann die Aufhebung der einstweiligen Verfügungen vom 5.2.1992 unter Berufung auf eine in Fotokopie vorgelegte Bescheinigung des Arbeitsamtes Bonn vom 10.9.1992, wonach sie seit 8.1.1991 als arbeitslos gemeldet ist und zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, aber nicht in Arbeit vermittelt werden konnte. Als weitere Begründung für ihren Aufhebungsantrag führte die nunmehrige Revisionsrekurswerberin an, daß eine sichtbar Schwerbehinderte auf dem angespannten Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit keine Chance auf eine Anstellung habe.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß Marianne N***** aus medizinischer Sicht durchaus einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne und der österreichische Arbeitsmarkt die - von einem berufskundlichen Sachverständigen noch näher abzuklärende - Möglichkeit einer erfolgreichen Arbeitsplatzvermittlung biete. Die Situation in der Bundesrepublik Deutschland sei nicht ausschlaggebend, weil die unterhaltsberechtigten Kinder ihren ständigen Aufenthalt in Österreich haben und auch die nunmehrige Revisionsrekurswerberin, die ja österreichische Staatsbürgerin sei, wiederholt erklärt habe, wieder in Österreich zu wohnen.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, daß es die einstwilligen Verfügungen des Erstgerichtes mit Wirkung vom 1.3.1993 aufhob. Es führte aus:
Gemäß § 382a Abs 4 EO sei das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten, sofern es nicht aktenkundig unrichtig ist, ohne weiteres Verfahren für bescheinigt zu halten. Da zum Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügungen weder eine körperlich bedingte Arbeitsunfähigkeit noch die Aussichtslosigkeit der Arbeitsplatzfindung für die Mutter in Deutschland aktenkundig war, habe also nach dem Vorbringen der Kinder die Unterhaltsverpflichtung ihrer Mutter für bescheinigt angesehen und dem vorläufigen Unterhaltsbegehren stattgegeben werden können. § 399a EO biete allerdings dem Unterhaltsschuldner die Möglichkeit, die Aufhebung oder Einschränkung der einstweiligen Verfügung durch den Nachweis im Unterhaltsverfahren zu erreichen, daß er zur Unterhaltsleistung nicht oder nicht in diesem Umfang verpflichtet ist. Im Provisorialverfahren habe er solche Umstände bloß zu bescheinigen.
Im vorliegenden Fall, in dem zur Unterhaltsbemessung keine tatsächlichen Einkünfte der geldunterhaltspflichtigen Mutter herangezogen werden könnten, sei zu prüfen, ob sie im Sinne der Anspannungstheorie zu Unterhalt verpflichtet werden kann.
Die Mutter sei gelernte Betriebstechnikerin, habe aber diesen Beruf offenbar nur vor ihrer Eheschließung von 1972 bis 1976 ausgeübt. Danach sei sie nicht beschäftigt gewesen; von 1984 bis 1988 habe sie dann selbständig ein Second-Hand-Shop geführt. Da sie sich hauptsächlich der Betreuung ihrer Kinder widmete, sei ihr die derzeitige Arbeitslosigkeit nicht anzulasten. Sie könne nach der Anspannungstheorie nur dann zu Unterhalt verpflichtet werden, wenn sie nicht alle zumutbaren Anstrengungen für eine Wiedereingliederung am Arbeitsmarkt unternommen hat.
Nun habe die Mutter durch Vorlage von Ablichtungen bescheinigt, daß sie bereits beim zuständigen Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet war, als die Kinder noch in ihrer Pflege und Erziehung in Deutschland waren. Das Arbeitsamt B***** habe bestätigt, daß sie seit 8.1.1991 nicht vermittelt werden konnte. Die Meldung beim Arbeitsamt reiche zwar nicht aus, weil vor allem dann, wenn den Kindern nicht einmal Unterhalt in der Höhe des Durchschnittsbedarfes gereicht wird, von einem Unterhaltspflichtigen erwartet werden müsse, daß er zufolge seiner Unterhaltspflicht überdurchschnittliche Bemühungen zum Erlangen eines Arbeitsplatzes aufwendet. Erst wenn diese verstärkten Bemühungen keinen Erfolg gebracht haben, könne unter der Voraussetzung ihres Nachweises die Unmöglichkeit angenommen werden, einen solchen Arbeitsplatz zu finden (EFSlg 45.090). Die Mutter habe aber im konkreten Fall ohnehin insgesamt 15 erfolglose Bewerbungen bescheinigt. Dem Erstgericht sei schon beizupflichten, daß nach dem medizinischen Gutachten eine, wenn auch eingeschränkte, Arbeitsfähigkeit der Mutter vorhanden ist. Die Mutter stütze ihren Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügungen aber insbesondere darauf, daß sie trotz intensiver Bemühungen bisher keine Arbeitsstelle finden konnte. Diesen Umstand habe sie im Provisorialverfahren bloß zu bescheinigen, und sei ihr dies auch gelungen. Denn im Hinblick auf das Alter der Mutter, ihre Behinderung, ihre mangelnde Berufspraxis sei schon auf Grund der vorgelegten Ablichtungen dargetan, daß sie bisher in ihrer Umgebung keinen Arbeitsplatz finden konnte. Da die Mutter ihren ständigen Aufenthalt in Deutschland hat, könne sie auch bloß auf einen Arbeitsplatz in dieser Umgebung verwiesen werden. Es sei schon richtig, daß das Erstgericht im gegenständlichen Unterhaltsverfahren noch ein berufskundliches Sachverständigengutachten darüber einzuholen haben wird, ob die Mutter bei ihrer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit und fehlenden Berufspraxis in ihrer Umgebung tatsächlich keinen Arbeitsplatz hätte finden können. Derzeit sei jedoch davon auszugehen, daß die Mutter bescheinigte, trotz intensiver Bemühungen keinen Arbeitsplatz gefunden zu haben, weshalb nach der derzeitigen Sachlage die einstweiligen Verfügungen aufzuheben gewesen seien.
Gemäß § 399a Abs 3 EO wirke die Aufhebung oder Einschränkung der einstweiligen Verfügung nach § 382a ab der Verwirklichung des Aufhebungsgrundes. Dieser Zeitpunkt sei im Beschluß über die Aufhebung oder Einschränkung der einstweiligen Verfügung festzustellen. Der Aufhebungstatbestand sei im vorliegenden Fall aber erst weggefallen, als die unterhaltspflichtige Mutter bescheinigte, daß sie auf Grund erfolgloser ausreichender Bemühungen auf die Erzielung eines Erwerbseinkommens nicht angespannt werden könne. Die Mutter habe zwar schon im Laufe des Unterhaltsverfahrens ihre privaten Bemühungen zur Arbeitsplatzfindung dargetan, daß sie auch beim Arbeitsamt ständig als arbeitssuchend gemeldet war, aber nicht vermittelt werden konnte, habe sie aber erst in ihrem Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung bescheinigt. Dieser Antrag sei im Februar 1993 gestellt worden. Da die vorläufige Unterhaltsverpflichtung der Mutter an jedem Ersten eines jeden Monats im vorhinein gegeben war, seien die einstweiligen Verfügungen ab dem nächstfolgenden Monat aufzuheben gewesen.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß vorwiegend Tatfragen und keine Rechtsfragen zu lösen gewesen seien.
Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs macht die Mutter geltend, daß die Aufhebung der einstweiligen Verfügungen bereits mit 2.3.1992 hätte verfügt werden müssen, weil sie nämlich schon damals ihre erfolglosen Bemühungen um einen Arbeitsplatz bescheinigt habe. Der Revisionsrekurs enthält einen darauf abzielenden Abänderungsantrag; hilfsweise wurde beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Dem Sachwalter der unterhaltsberechtigten Kinder wurde im Hinblick auf RZ 1990, 284/119 die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung eröffnet (die nach den Entscheidungen 8 Ob 579/93 und 1 Ob 576/93 für die Einseitigkeit des Rekursverfahrens sprechenden Argumente waren bei der Annahme des Rechtsmittels noch nicht publik); der Sachwalter hat jedoch von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sodaß auch die Frage der Anwendbarkeit des § 521a ZPO in einem Provisorialverfahren nach §§ 382a ff EO (§ 402 Abs 1 EO) auf sich beruhen kann.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist teils unzulässig, teils zulässig und berechtigt.
Beim Beschluß, mit dem einem Minderjährigen gemäß § 382a EO ein vorläufiger Unterhalt bewilligt wurde, handelt es sich um eine einstweilige Verfügung, die gemäß §§ 402 Abs 2, 78 EO den Anfechtungsbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO unterliegt (ÖA 1992, 92). Der Revisionsrekurs ist daher nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle unzulässig, wenn der Wert des Gegenstandes einer solchen Entscheidung S 50.000,- nicht übersteigt (vgl EvBl 1991/113). Gleiches hat für alle sonstigen in einem Provisorialverfahren ergangenen Beschlüsse zu gelten, da § 402 Abs 2 EO insoweit keine Unterscheidung trifft. Vor allem die Entscheidung über einen Einschränkung- oder Aufhebungsantrag soll, wie sich aus § 402 Abs 1 EO ergibt, nicht anders behandelt werden als die Entscheidung über den Sicherungsantrag selbst.
Dementsprechend ist der Revisionsrekurs unzulässig, soweit er die Abweisung des Aufhebungsantrages hinsichtlich der Minderjährigen Katrin bekämpft. Durch § 58 Abs 1 JN ist nämlich (iVm § 14 Abs 2 Z 1 AußStrG) mit der dreifachen Jahresleistung des gewährten vorläufigen Unterhalts zwingend ein Wert des Entscheidungsgegenstandes vorgegeben, der S 50.000,- nicht übersteigt (vgl 8 Ob 579/93). Es muß dem pflichtgemäßen Ermessen des Erstgerichtes überlassen bleiben, ob es in den Pflegschaftsakten einen Anlaß für die amtswegige Aufhebung der einstweiligen Verfügung auch in Ansehung der Minderjährigen Katrin findet (siehe dazu 170 der BlgNR XVII.GP, 6 ua). Das unzulässige Rechtsmittel versperrt dem Obersten Gerichtshof einen solchen Weg.
Was die beiden anderen Minderjährigen betrifft, wurde vom Rekursgericht, auf dessen zutreffende Rechtsausführungen zu den Möglichkeiten einer Einschränkung oder Aufhebung einer nach § 382a EO ergangenen einstweiligen Verfügung bei gelungener Gegenbescheinigung mangelnder Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ansonsten verwiesen werden kann (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO), nicht beachtet, daß Gründe gegen die Auferlegung vorläufiger Unterhaltsleistungen nach § 382a EO gemäß § 399a Abs 3 EO auch rückwirkend geltend gemacht werden können, ja sogar von Amts wegen wahrzunehmen sind (ÖA 1992, 92). Diese Möglichkeit wurde vom Gesetzgeber bewußt vorgesehen, weil die Aufhebung oder Einschränkung auf Gründen beruhen kann, die bereits bei der Bewilligung der einstweiligen Verfügung vorgelegen sind, und dieser Rechtsbehelf ein Ausgleich dafür ist, daß der Gegner nicht angehört worden ist (170 der BlgNR XVII.GP,7).
Folgerichtig wären, da die Revisionsrekurswerberin glaubhaft machte, sich schon im Jahr 1991 durch die Meldung beim Arbeitsamt sowie durch zahlreiche persönliche Bewerbungen um eine Erwerbstätigkeit bemüht zu haben, die zugunsten der Minderjährigen Stefanie und Martin ergangenen einstweiligen Verfügungen rückwirkend, d.h. von Anfang an, aufzuheben gewesen (vgl 170 der Beilagen, aaO). Der Oberste Gerichtshof hatte allerdings im Rahmen der Anfechtungserklärung und des Abänderungsantrages der Revisionsrekurswerberin zu bleiben.
Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
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