OGH 1Ob576/93

OGH1Ob576/932.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Ingrid S*****, vertreten durch die Mutter Erika S*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Franz S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgericht vom 11. Februar 1993, GZ R 416/93-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Oberwart vom 13. Jänner 1993, GZ P 5/93-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Über Antrag der Mutter der Minderjährigen verpflichtete das Erstgericht den Vater, gemäß § 382a EO ab 8.1.1993 bis zur Beendigung des anhängigen Unterhaltsverfahrens einen vorläufigen Unterhaltsbetrag von monatlich S 1.400,-- zu bezahlen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, da gemäß § 402 Abs. 1 letzter Satz EO idF BGBl. 756/1992 ein Revisionsrekurs nicht deshalb unzulässig ist, weil das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluß zur Gänze bestätigt hat. Der infolge § 58 Abs. 1 JN mit dem Dreifachen der Jahresleistung anzusetzende Entscheidungsgegenstand übersteigt an Geld S 50.000,- -.

Vor Eingehen auf das Rechtsmittel ist zu prüfen, ob nach dem das Rekursverfahren hinsichtlich einstweiliger Verfügungen regelnden § 402 EO das Rechtsmittel zweiseitig ist:

Rechtliche Beurteilung

Daß der Beschluß nach § 382 a EO eine einstweilige Verfügung darstellt, auf die die Verweisungsnormen der §§ 402, 78 EO anzuwenden sind, wurde bereits ausgesprochen (RZ 1990/119; 8 Ob 521/91). Der Oberste Gerichtshof hat in JBl. 1989, 118 zur Frage des Anwaltszwanges darauf verwiesen, daß ein nicht aufklärbarer Wertungswiderspruch darin zu sehen wäre, daß zwecks möglichster Beschleunigung des Verfahrens die Anspruchsvoraussetzungen für einen Beschluß gemäß § 382a EO in größtmöglichem Ausmaß formalisiert und damit im Zusammenhang ausnahmsweise auch Entscheidungen zu einem als einstweilige Verfügung institutionalisierten Rechtsinstitut auf seiten des Gerichtes dem Wirkungskreis eines Rechtspflegers zugeordnet wurden, andererseits aber für die Verfahrensbeteiligten gegenüber dem außerstreitigen Verfahren über die (endgültige) Unterhaltsfeststellung strengere Formvorschriften für den schriftlichen Rekurs gelten sollten. Diese Überlegung gebiete eine teleologische Reduktion der Verweisung nach §§ 402 Abs. 2, 78 EO auf die allgemeinen Bestimmungen der ZPO über das Rechtsmittel des Rekurses in der Weise, daß § 520 Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO von der Anwendbarkeit im Verfahren nach den §§ 382a, 399a und 399b EO ausgeschlossen bleibe.

Der Oberste Gerichtshof hat auch in SZ 61/219 die Auffassung vertreten, daß die Pauschalverweisungen der §§ 402 und 78 EO im Verfahren nach § 382a EO nicht uneingeschränkt angenommen werden können, sondern eine mit den spezifischen Eigenarten dieser neuen Rechtsfigur im Einklang stehende teleologische Reduktion vorzunehmen sei. Es finde daher im Verfahren nach § 382a EO ein Kostenersatz des unterlegenen Antragstellers nicht statt. Zur Frage der Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens führte der Oberste Gerichtshof jedoch in RZ 1990/119 aus, daß diese neue Form einer einstweiligen Verfügung zwar wesensmäßig eine Angelegenheit des Verfahrens außer Streitsachen sei, allerdings bezüglich aller Verfahrensfragen die für die einstweilige Verfügung geltenden Bestimmungen der EO zur Anwendung zu gelangen hätten. Es sei daher § 521a ZPO, der unter anderem die Zustellung der Rekursschrift an den Gegner des Rekurswerbers vorsehe, uneingeschränkt anzuwenden. Dieser Ansicht vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen:

§ 382a Abs. 4 EO letzter Satz normiert, daß über den Antrag ohne Anhörung des (unterhaltspflichtigen) Elternteiles unverzüglich zu entscheiden ist. Die Regierungsvorlage (170 BlgNR 17.GP 4 ff) führt dazu aus, daß dem mj. Kind rasch zu einer vorläufigen finanziellen Lebensgrundlage verholfen werden soll. Als Ausgleich für diese Einschränkung der Rechte des Unterhaltspflichtigen seien die Bestimmungen der §§ 399a und 399b EO geschaffen worden, die die Aufhebung und Einschränkung der einstweiligen Verfügung sowohl aufgrund der Bescheinigung durch den Unterhaltsschuldner als auch von Amts wegen sowie ein vereinfachtes Rückersatzverfahren vorsehen. Diese Aufhebungsmöglichkeit könne einen Rekurs erübrigen (aaO 7).

Es erweist sich somit, daß der Gesetzgeber im Interesse der raschen Verfahrensabwicklung bewußt ein einseitiges erstinstanzliches Verfahren geschaffen hat, dessen Nachteile für den Unterhaltspflichtigen durch die auch rückwirkend geltend zu machenden (8 Ob 521/91) Einschränkungs- und Aufhebungsmöglichkeiten wettgemacht wurden. Zudem wurde durch die Schaffung der Bestimmungen der §§ 399a und 399b EO das mögliche Rechtsschutzdefizit eines bloß einseitigen Rechtsmittels beseitigt. Es wäre mit dieser Zielsetzung des Gesetzgebers nicht vereinbar, wollte man an der Zweiseitigkeit des exekutionsrechtlichen Rechtsmittelverfahrens festhalten, da dadurch eine nicht gewünschte Verzögerung des gesamten Unterhaltsverfahrens herbeigeführt würde. Es ist daher § 402 Abs. 1 EO teleologisch dahin zu reduzieren, daß die im § 521a ZPO angeordnete Zweiseitigkeit im Rechtsmittelverfahren über Beschlüsse gemäß § 382a EO nicht gilt (8 Ob 579/93).

Dem Rekurs des Vaters kommt Berechtigung nicht zu.

Die grundsätzliche Geltung der exekutionsrechtlichen Verfahrensbestimmungen bedingt unter anderem die Anwendbarkeit des § 389 Abs. 1 EO. Nach dieser Gesetzesstelle hat die gefährdete Partei bei Stellung des Antrages auf Erlassung einstweiliger Verfügungen die von ihr begehrte Verfügung, die Zeit, für welche sie in Antrag gebracht wird sowie den von ihr behaupteten oder ihr bereits zuerkannten Anspruch genau zu bezeichnen und die den Antrag begründenden Tatsachen im einzelnen wahrheitsgemäß darzulegen. Für den Antrag auf Gewährung vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO folgt daraus, daß in ihm sowohl der begehrte Unterhalt ziffernmäßig bestimmt bezeichnet als auch ein Sachverhalt behauptet werden muß, aus dem sich der Anspruch schlüssig ableiten läßt. Das Erfordernis der ziffernmäßigen Bezeichnung ergibt sich daraus, daß der im § 382a Abs. 2 EO erwähnte Grundbetrag der Familienbeihilfe nur eine Höchstgrenze darstellt, dies es keinesfalls ausschließt, daß - etwa bei geringerer Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen - auch die Gewährung vorläufigen Unterhalts in geringerer Höhe verlangt werden kann. Die Notwendigkeit der Behauptung eines den geltend gemachten Anspruch rechtfertigenden Sachverhaltes im Antrag folgt aus § 382a Abs. 4 EO, wonach das Vorbringen des Minderjährigen - soweit sich aus dem ihn betreffenden Pflegschaftsakt nichts anderes ergibt - für wahr zu halten ist. Gerade diese Wahrheitsfiktion erfordert ein entsprechendes Sachverhaltsvorbringen im Antrag, weil ohne dieses die daraus zu ziehende rechtliche Schlußfolgerung, ob nämlich die behaupteten Tatsachen den geltend gemachten Unterhaltsanspruch rechtfertigen, nicht gezogen werden kann (SZ 61/219). Der gegenteiligen Ansicht Konecnys in „Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung“, 109, welcher zwar ebenfalls ein schlüssiges Tatsachenvorbringen, jedoch keine Bezifferung des Unterhaltsbegehrens verlangt, da der im Außerstreitverfahren geltende Grundsatz des gelockerten Bestimmtheitserfordernisses nicht verlorengehen dürfe, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen, da - wie bereits dargelegt - sich das Verfahren nach § 382a EO grundsätzlich nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung zu richten hat.

Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers kann dem Antrag der Minderjährigen der anspruchsbegründende Sachverhalt noch mit ausreichender Sicherheit entnommen werden. Da sie einen monatlichen Unterhalt von S 4.000,-- begehrt, ist der Schluß zulässig, daß im Provisorialverfahren der Zuspruch des dort möglichen Höchstbetrages von S 1.400,-- beantragt wird. Das Vorbringen, der Unterhaltspflichtige betreibe eine 42 ha große Landwirtschaft, erlaubt bei Unterstellung der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung die Annahme eines die Leistung des Provisorialunterhalts ermöglichenden Einkommens, zumal der Rekurswerber selbst in seinem Rechtsmittel zugesteht, den Unterhalt auf ein Konto einzuzahlen und die Minderjährige derzeit tatsächlich S 2.000,-- monatlich erhält (AS 31).

Die geltend gemachte Nichtigkeit des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO liegt nicht vor, da - wie bereits dargestellt - gemäß § 382a Abs 4 EO über den Antrag ohne Anhörung des (unterhaltspflichtigen) Elternteiles unverzüglich zu entscheiden ist. Auch ein Begründungsmangel der Entscheidung zweiter Instanz ist bei dieser Sachlage nicht zu erkennen.

Es war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

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