OGH 1Ob21/93

OGH1Ob21/9321.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Renner und Dr. Gerd Höllerl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E*****, Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Horst Reitböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 54.711,20 S sA, infolge Rekurses der klagenden Partei und Revision der beklagten Partei gegen den Beschluß und das Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 26. Jänner 1993, GZ 45 R 963/92-17, womit das Verfahren in Ansehung des Schadenersatz-Teilbetrages von 2.795,10 S (Elektroabfischung) als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen sowie im übrigen das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 10. Juni 1992, GZ 3 C 1564/91f-11, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Dem Rekurs wird Folge gegeben und Punkt I) der angefochtenen Entscheidung dahin abgeändert, daß unter Entfall der entsprechenden Kostenentscheidung der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird, sodaß er nach Maßgabe wie folgt zu lauten hat:

„Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wird verworfen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.812,48 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 302,08 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.348,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 724,80 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Fischereiberechtigte im Fischereirevier der Schwarza im Bereich von R***** in Niederösterreich. Seit wann ihr Fischereirecht besteht, ist ebensowenig feststellbar wie die Tatsache, ob anläßlich der erstmaligen Erteilung des Wasserbenutzungsrechtes (1889) der (damalige) Fischereiberechtigte eine Entschädigung erhielt.

Die Kraftwerk-Gesamtanlage der beklagten Partei in R***** besteht, soweit hier relevant, aus zwei Teilen: a) aus einer Wehranlage mit Ausleitungsbauwerk aus der Schwarza, wozu für die beklagte Partei das unbefristete Wasserbenutzungsrecht zur Wasserentnahme unter der Postzahl 1482 im Wasserbuch für den Verwaltungsbezirk Neunkirchen eingetragen ist, b) aus einer Wasserkraftanlage zur Erzeugung elektrischer Energie mit einem etwa 190 m langen Oberwasserkanal (Oberwerkskanal), von dem das Wasser unmittelbar in den Kraftwerksbereich einmündet. Seit 1888 hat dieser Oberwerkskanal in dieser Form bestehende Holzuferwände, um ein Ausschwemmen des Ufers zu verhindern. Es handelt sich um eine Konstruktion von Piloten (Lärchenstämme mit einem Durchmesser von rund 15 bis 20 cm), die entlang des Ufers in Abständen von etwa 1,5 bis 2 m eingeschlagen und mit horizontal angebrachten Brettern verschalt sind. Im Wasserbuch für den Verwaltungsbezirk Neunkirchen war unter Postzahl 175 ein bis 20. März 1988 befristetes Wasserbenutzungsrecht zu Gunsten der beklagten Partei für eine Wasserkraftanlage zur Erzeugung elektrischer Energie in R***** eingetragen. Am 17. März 1987 suchte die beklagte Partei um Wiederverleihung der (befristeten) wasserrechtlichen Bewilligung für den (Weiter)Betrieb der Wasserkraftanlage an. Im darüber vor der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen abgeführten Verfahren fanden Verhandlungen am 24. April 1989, 6.Dezember 1989 und 10. September 1990 statt. Die klagende Partei als Fischereiberechtigte wurde dem Verfahren beigezogen. In der Verhandlung vom 24. April 1989 wurden Probleme der Fischerei nicht erörtert, in der Verhandlung vom 6. Dezember 1989 gab der Vertreter des Fischereirevierverbandes nur zum Unterwerkskanal eine Stellungnahme ab. Bei der Verhandlung (Lokalaugenschein) vom 10. September 1990 wurde festgestellt, „daß am Oberwerkskanal (insbesondere am rechten Ufer) und im Bereich der Wehranlage (bei der rechten bachabwärtigen Wehrwange) Instandsetzungsarbeiten durchzuführen wären, um den einwandfreien Zustand der jeweiligen Anlagen zu gewährleisten. Aus historischer Sicht müßten die Werkskanäle Bestandteile der Postzahl 1482 sein. Unter der Berücksichtigung, daß für die Wehranlage ein Verfahren gemäß § 21 a der Wasserrechtsgesetznovelle 1990 eingeleitet wird, bestehen gegen die Wiedererteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für das Wasserbenutzungsrecht Postzahl 175 auf 30 Jahre keine Einwände. Allerdings wird auf die Durchführung von lärmdämmenden Maßnahmen hingewiesen.“ Der Vertreter der Fischereiberechtigten und des Fischereirevierverbandes ersuchte ua, das Verfahren gemäß § 21 a WRG idF der Novelle 1990 hinsichtlich der Ausleitung Postzahl 1482 ehemöglichst in Angriff zu nehmen. Die geforderten Instandsetzungsarbeiten betrafen die Holzuferwände des Oberwerkskanals, die etwa alle 15 bis 20 Jahre instand zu setzen sind. Dies geschieht in der Regel abschnittsweise, nachdem das Wasser abgeleitet worden ist. Im übrigen findet eine derartige Wasserabkehr etwa jedes zweite Jahr für die Dauer von ein bis zwei Tagen statt.

Die von den beabsichtigten Baumaßnahmen verständigte klagende Partei nahm die Abfischung im Kanalbereich vor, bevor am 9. November 1990 die Wasserabkehr erfolgte. Bei trockenem Kanalbett konnten die Arbeiten ausgeführt werden. Ein Bagger hob „vom Land aus“ die alte Uferbefestigung heraus. Die überwiegend schadhaften und vermorschten Holzuferwände wurden ausgewechselt. An einer Stelle ging es weiters darum, einen Wasseraustritt auf die angrenzenden Wiesen bzw Gärten zu unterbinden. Dabei gelangte zur Entfernung von Anlandungen über einer Strecke von rund 30 m ein Bagger zum Einsatz. Die Baumaßnahmen, für die die beklagte Partei keine gesonderte behördliche Bewilligung einholte und die auch dazu dienen sollten, das Einsickern von Wasser in den Keller eines anschließenden Hauses abzustellen, dauerten mindestens eine Woche lang. Aufgrund des ungewöhnlichen Umfanges der Baumaßnahmen im vorliegenden Fall kam es zu einer Zerstörung des Pflanzenbewuchses im Kanalbereich. Der Oberwerkskanal hatte bis zu den Baumaßnahmen einen sehr starken Wasserpflanzenbewuchs aufgewiesen, welcher sehr günstige Lebensbedingungen für Fische und Fischnährtiere geboten hatte; auch hatte die alte Uferverbauung reichlich schöne Einstände für den Fischbestand geboten. Nach Beendigung der Bauarbeiten stellt das Kanalbett ein künstliches Gerinne dar, das keinerlei natürlichen Lebensraum für die Fische darstellt; dies bedeutet für die klagende Fischereiberechtigte einen Nachteil. Die vorteilhafte gleichmäßige Wasserführung, in dem die Höhe des Wasserspiegels konstant gehalten wird, war schon vor Durchführung der Baumaßnahmen gegeben.

Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen verlieh mit Bescheid vom 9.November 1990, Zl. 9-W-8057/44, der beklagten Partei wieder das im Wasserbuch ... eingetragene Wasserbenutzungsrecht für eine Wasserkraftanlage zur Erzeugung elektrischer Energie in R***** auf die Dauer von 30 Jahren und erteilte ihr gleichzeitig die wasserrechtliche Bewilligung für die Durchführung von Maßnahmen zur Reduzierung der Schallimmissionen, die beim Betrieb des Kraftwerkes entstehen; das Wasserbenutzungsrecht ist mit dem Eigentum der Anlage verbunden. Im Bescheid wird auf das Fischereirecht der klagenden Partei nicht Bezug genommen.

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei, gestützt auf §§ 15 und 26 Abs 2 WRG, Schadenersatz von 54.771,20 S (incl. USt) sA; 1) die Kosten der Elektroabfischung von 2.541 S ohne USt und 2) 44.250 S (erkennbar gemeint 47.250 S) ohne USt mit dem Vorbringen, durch das Ablassen des Wassers sei es zu einem wesentlichen Eingriff in die Ökologie des Gewässers und zur Vernichtung der gesamten Fauna und Flora gekommen; erst nach einer fünfjährigen Regenerationszeit sei das Gewässer dem Fischereirecht entsprechend nutzbar. An diesen Schaden sei anläßlich der Erteilung des Wassernutzungsrechtes an die beklagte Partei nicht gedacht worden, weshalb auch seinerzeit eine Entschädigung des Fischereiberechtigten unterblieben sei.

Die beklagte Partei wendet Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil im Verfahren über die Wiederverleihung des Wassernutzungsrechtes vom Fischereiberechtigten die nachteilige Wirkung behauptet worden sei. Im übrigen habe sie nur auf Grund ihrer aus § 50 WRG resultierenden Verpflichtung Instandsetzungsarbeiten durchgeführt, weil die Holzuferwände in einem sehr schlechten Erhaltungszustand gewesen seien. Aus der Instandsetzung könne die klagende Partei keine Ansprüche ableiten, weil es bei der Erneuerung der Planken in regelmäßig kürzeren Abständen gar nicht zu einem Fischbestand gekommen wäre. Bei regelmäßiger Wasserabkehr entstünde überhaupt keine Flora und Fauna. Es handle sich überdies um ein künstliches Gewässer.

Das Erstgericht hat mit dem in das Urteil aufgenommenen Beschluß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges „abgewiesen“ - weil dem Wasserrechtsverfahren kein Entschädigungsanspruch der klagenden Partei wegen Nichtberücksichtigung von Einwendungen nach § 15 WRG zugrunde gelegen sei - und mit Zwischenurteil die Klagsforderung dem Grunde nach als zu Recht bestehend erachtet. Rechtlich ging der Erstrichter im wesentlichen davon aus, daß bei der Erteilung der Bewilligung die Behörde mit gewissen Beeinträchtigungen Dritter durch die Instandhaltung des Kraftwerks und der Befestigungsanlagen gerechnet habe. Die Behörde habe im Verfahren ausdrücklich auf notwendige Maßnahmen hingewiesen, weil offensichtlich bereits Schäden durch undichte Kanalbefestigungen eingetreten gewesen seien. Die durchgeführte Abkehr stelle zwar einen Teil des rechtmäßigen Betriebes der Kraftwerksanlage dar, sei jedoch in ihrem Ausmaß als so ungewöhnlich zu betrachten, daß die Behörde bei Erteilung des Bewilligungsbescheides nicht mit dem Eintritt eines Nachteils in diesem Umfang gerechnet habe. Der Auftrag der Behörde an die beklagte Partei zur Instandsetzung des Oberwerkskanals wiederstreite nicht dem Ersatzanspruch der klagenden Partei, denn dieser behördliche Auftrag sei nichts anderes als der ausdrückliche Hinweis der Behörde auf die Instandhaltungspflicht des Wassernutzungsberechtigten nach § 50 WRG. Die Ersatzpflicht nach § 26 Abs 2 WRG umfasse jedoch auch Schäden und Nachteile, die gerade bei diesen Instandhaltungsmaßnahmen im Rahmen des rechtmäßigen Betriebs entstehen könnten. Die Feststellung der Schadenshöhe bedürfe noch einer weiteren Beweisaufnahme.

Das Berufungsgericht hat das Ersturteil I) im Umfang des Ausspruches über den Ersatz eines Schadens im Ausmaß von 2.795,10 S (incl. USt) für Elektroabfischung einschließlich des diesen Anspruch betreffenden vorausgegangenen Verfahrens als nichtig aufgehoben und in diesem Umfang die Klage zurückgewiesen, weil die Kosten der Elektroabfischung bei jeder Wasserabkehr entstünden und somit einen Nachteil darstellten, mit dem bei Erteilung der Bewilligung gerechnet worden sei. Über einen dem Fischereiberechtigten zustehenden voraussehbaren Ersatzanspruch habe aber gemäß § 117 iVm § 26 Abs 2 WRG die Wasserrechtsbehörde zu entscheiden. Das Zwischenurteil wurde von der zweiten Instanz II) mit der Maßgabe bestätigt, daß es nicht das Klagebegehren, sondern den Anspruchsgrund („... den durch eine Wasserabkehr im Bereich der Wasserkraftanlage Postzahl 175 in R***** entstandenen Schaden im Fischereirecht der klagenden Partei durch Vernichtung von Fauna und Flora des Kanals zu ersetzen ...“) zu enthalten habe. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht billigte die erstgerichtlichen Feststellungen und ging rechtlich im wesentlichen davon aus, daß das Erstgericht die Haftung der beklagten Partei für die anläßlich der Wasserabkehr entstandenen Schäden ungewöhnlichen Umfangs zutreffend bejaht habe. § 26 Abs 2 WRG betreffe auch Schäden, die an Fischereirechten durch Schutz- und Regulierungsbauten iS des § 41 WRG eintreten. Wenn eine Entschädigung im wasserrechtsbehördlichen Verfahren nicht zuerkannt worden sei, weil Schäden nicht vorhergesehen worden seien oder durch nicht bescheidgemäßes und schuldhaftes Verhalten entstanden seien, fände § 26 Abs 2 WRG Anwendung. Daß die klagenden Partei keinen Rechtsanspruch auf das Vorhandensein von Fauna und Flora im Oberwerkskanal habe, ändere nichts an ihrem Anspruch, weil dennoch ihr Fischereirecht beeinträchtigt worden sei.

Der Rekurs der klagenden Partei gegen Punkt I) der Berufungsentscheidung ist berechtigt, nicht hingegen die Revision der beklagten Partei gegen Punkt II) der Berufungsentscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision der beklagten Partei:

Der Nichtigkeitsvorwurf des Rechtsmittels muß daran scheitern, daß die zweite Instanz die als „Abweisung“ bezeichnete Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges durch den Erstrichter - mit einer unten zu behandelnden Ausnahme - unanfechtbar bestätigte (§ 42 JN).

Auch die Rechtsrüge versagt: Wird durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage ... ein Fischereirecht beeinträchtigt, so haftet der Wasserberechtigte für den Ersatz des Schadens, wenn bei der Erteilung der Bewilligung mit dem Eintritte dieser nachteiligen Wirkung überhaupt nicht oder nur in einem geringeren Umfang gerechnet worden ist (§ 26 Abs 2 WRG). Die Bestimmung statuiert einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch (JBl 1991, 247 mit Anm Rummel = ecolex 1990, 604 mit Anm Wilhelm = WoBl 1990/69 = MietSlg 42.149; 1 Ob 22/88 ua; Raschauer, Wasserrecht Rz 4 zu § 26 mwN) auf Ausgleich für den Entzug von Abwehrrechten (SZ 59/129, SZ 55/16, SZ 51/114 ua). Ihre Anwendung setzt voraus, daß kumulativ folgende vier Voraussetzungen gegeben sind:

1. Der Eintritt des Schadens, etwa beim Fischereiberechtigten, muß durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb eingetreten sein. Dies ist hier der Fall. Der Hinweis der beklagten Partei auf ihre gesetzliche Pflicht zur Instandhaltung der Wasserbenutzungsanlage nach § 50 WRG geht damit fehl, weil selbst bei ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Erhaltungspflicht die Haftung bestünde.

2. Der Schaden muß beim „Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage“ eingetreten sein. Sogenannte Zubehöranlagen, wie Anlagen zur Zu- Und Ableitung des Wassers, teilen das rechtliche Schicksal der eigentlichen Wasserbenutzungsanlage, sodaß sich die Haftungsverpflichtung nach § 26 WRG auch auf die Zubehöranlage erstreckt (SZ 56/58 mwN). Beim hier zu beurteilenden Oberwerkskanal, von dem aus das Wasser direkt in das Kraftwerk fließt, als einer der Ausübung des Wasserbenutzungsrechtes unmittelbar dienenden Zubehöranlage kann das Vorliegen dieser Voraussetzung zur Anwendung des § 26 Abs 2 WRG nicht fraglich sein.

3. Der Schaden muß an einem der in § 26 Abs 2 WRG genannten Schutzgüter eingetreten sein, wozu auch ausdrücklich das Fischereirecht zählt. Der Fischereiberechtigte ist Inhaber eines selbständigen dinglichen Rechtes (JBl 1991, 247; SZ 59/200, SZ 56/11 ua; Spielbüchler in Rummel2 Rz 4 zu § 383 ABGB). Das Fischereirecht der klagenden Partei im Oberwerkskanal wurde von der beklagten Partei im Verfahren erster Instanz nicht substantiiert bestritten, die Feststellung des Erstgerichtes, daß die klagenden Partei Fischereiberechtigte sei nicht bekämpft.

Der Regelung des § 26 Abs 2 WRG liegt ein Prioritätsprinzip zugrunde (SZ 59/129; Koziol, österr. Haftpflichtrecht2 II 333). Die Beschränkung für Bauwerke, die im Zeitpunkt der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung schon bestanden haben müssen, fehlt beim Fischereirecht, da Fischereirechte bei Einräumung des Wasserbenutzungsrechtes immer schon jemandem zustanden, der beeinträchtigte Fischereiberechtigte ist daher bei Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung stets voll zu entschädigen. Darauf, wann der derzeit Fischereiberechtigte sein Recht erwarb, kommt es nicht an (SZ 59/129). Die Frage, ob sich die zweite Instanz in diesem Punkt zu Unrecht auf das Neuerungsverbot berufen hat, stellt sich damit nicht mehr.

4. Letzte Voraussetzung ist, daß mit dem Schadenseintritt bei der Bewilligung nicht oder nur in einem geringeren Umfang gerechnet wurde. Die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Wasserrechtsbehörde mit nachteiligen Wirkungen „gerechnet“ hat, ist nicht abstrakt, sondern konkret im Hinblick auf die betroffenen Geschädigten zu beantworten (SZ 53/11 = EvBl 1981/9; SZ 31/97 = EvBl 1958/303 zu § 27 Abs 2 WRG 1934; Raschauer aaO Rz 8 zu § 26 WRG). Wurde ein Wasserbenutzungsrecht bewilligt, aber ein Bescheid über die Einräumung von Zwangsrechten und die Entschädigung bis zum Eintritt des konkreten Schadens nicht erlassen, ist rechtlich davon auszugehen, daß die Behörde mit dem Eintritt eines solchen Schadens nicht gerechnet hat (SZ 55/66; Raschauer aaO Rz 8 zu § 26 WRG). Inwiefern die Wasserrechtsbehörde bei der Erteilung der Bewilligung tatsächlich mit nachteiligen Wirkungen „gerechnet“ hat, ergibt sich zunächst aus dem Spruch des Bewilligungsbescheides in Verbindung mit den bewilligten Projektunterlagen, subsidiär aus der Begründung des Bescheides, letztlich aus den Verhandlungsprotokollen (Raschauer aaO Rz 8 zu § 26 WRG). Weder dem Spruch des Bescheides der Wasserrechtsbehörde vom 9. November 1990, Zl. 9-W-8057/44, noch seiner Begründung noch den Protokollen über die vorausgehenden Verhandlungen ist zu entnehmen, daß mit Schäden des Fischereiberechtigten durch die Elektrofischung oder durch die notwendigen Instandsetzungsarbeiten an den Holzuferwänden des Oberwerkskanals „gerechnet“, das heißt der Eintritt eines Schadens für den Fischereiberechtigten angenommen worden wäre. Daß der Fischereiberechtigte im wasserrechtsbehördlichen Verfahren keine Einwendung gegen die (Wieder)Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung erhoben haben, nimmt ihnen nicht das Recht, bei dennoch aufgetretenen Schäden den Ersatz ihres Schadens nach § 26 Abs 2 WRG zu begehren (1 Ob 22/88, 1 Ob 16/87). Gleiches hat zu gelten, wenn sie im wasserrechtsbehördlichen Verfahren keine Maßnahmen zum Schutz der Fischerei (§ 15 Abs 1 WRG idF der WRG-Novelle 1990) begehrt haben.

Es liegt im Wesen des Fischereirechtes, daß es allen Schwankungen unterworfen ist, die sich durch natürliche Veränderungen des Wasserlaufes ergeben (SZ 51/160). Schäden des Fischereiberechtigten durch die Errichtung von Schutz- und Regulierungsbauten (§ 41 WRG) sind dagegen infolge analoger Anwendung nach § 26 Abs 2 WRG zu entschädigen (JBl 1993, 653; SZ 55/189 = EvBl 1983/56; 1 Ob 22/88). Gleiches hat für Wasserabkehren des Wasserbenutzungsberechtigten zu gelten, auch dabei eintretende Schäden des Fischereiberechtigten sind nach § 26 Abs 2 WRG zu entschädigen, sofern die sonstigen Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegen. Auch Raschauer (aaO Rz 8 lit a) zu § 26 WRG) nennt einen vergleichbaren Fall: Die Wasserrechtsbehörde habe anläßlich der Bewilligung einer Wehranlage zu prüfen, inwiefern es durch die periodisch erforderlichen Wasserreinigungen zu einem Fischsterben kommen könne. Spreche die Wasserrechtsbehörde dem Fischereiberechtigten im Bewilligungsbescheid in dieser Hinsicht (somit zB nicht im Hinblick auf Schäden während der Bauphase) - aus welchen Gründen immer (der Schaden habe als unmöglich, unwahrscheinlich oder geringfügig gegolten, wegen eines Irrtums des Sachverständigen, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, wegen Amtsmißbrauches) - keine Entschädigung zu, dann sei im Fall eines durch die Wehrreinigung dennoch verursachten Fischsterbens ein Fall der Haftung nach § 26 Abs 2 WRG gegeben.

Von den hier geltend gemachten Schäden sind sowohl die Kosten der Elektrofischung als auch die Verringerung des Fischertrages (vgl SZ 55/189 bei Verringerung des Fischertrags durch eine Flußlaufverkürzung) ersatzfähige positive Schäden. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Zum Rekurs der klagenden Partei:

Gemäß § 26 Abs 6 WRG sind Schadenersatzansprüche nach § 26 Abs 1 bis 3 leg.cit. im ordentlichen Rechtswege geltend zu machen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an (SZ 64/57 mwN, SZ 62/108, SZ 58/156 uva). Danach richtet sich, ob ein privatrechtlicher Anspruch iS des § 1 JN erhoben wird, über den die Zivilgerichte - hier im streitigen Verfahren - zu entscheiden haben (SZ 64/57, SZ 58/156 uva; Fasching I 62 f und Lehrbuch2 Rz 101). Diese Grundsätze gelten auch für im Wasserrecht begründete Schadenersatzansprüche nach § 26 WRG (1 Ob 37/78). Zur Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges kommt es auch hier auf den Inhalt der Klagebehauptung bzw des Antrages an, ob nämlich das Begehren als schadenersatzrechtliches vom ordentlichen Gericht oder als entschädigungsrechtliches von der Wasserrechtsbehörde zu behandeln ist. Ersteres ist jedenfalls der Fall, wenn in der Klagserzählung das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 26 Abs 2 WRG behauptet wird (1 Ob 37/78; Raschauer aaO Rz 2 zu § 26 WRG). Wird dagegen der Ersatz von Schäden geltend gemacht, in Ansehung der die Verwaltungsbehörde im Bewilligungsverfahren ein Entschädigungsbegehren ausdrücklich oder schlüssig (1 Ob 16/87; Raschauer aaO Rz 2 zu § 26 WRG) abgewiesen hat, kann das Gericht nur nach Maßgabe des § 117 Abs 4 WRG (sukzessive Kompetenz) angerufen werden. Im vorliegenden Fall hat die Wasserrechtsbehörde weder ausdrücklich noch schlüssig über die hier zu beurteilenden Entschädigungsbegehren der klagenden Partei entschieden.

Daher ist der Revision nicht Folge zu geben, wohl aber dem Rekurs. Die Kostenentscheidungen fußen auf §§ 41, 50 ZPO.

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