European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E33857
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Johann E* wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt schuldig erkannt. Darnach hat er am 28. Dezember 1989 oder zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen 28. Dezember 1989 und März 1992 in Innsbruck als Beamter des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern Innsbruck, mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht auf zwangsweise Eintreibung offener Abgabenschulden zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er in 653 Fällen unrichtige Erledigungsvermerke auf Abgabenkonten anbrachte, womit er vortäuschte, Amtshilfeersuchen auf Hereinbringung von Abgaberückständen an die zuständigen Wohnsitzfinanzämter gerichtet zu haben, und diese Abgabenkonten der Einbringungsstelle mit der Anregung auf Löschung der aushaftenden Rückstände im Gesamtbetrag von insgesamt 1,368.951 S wegen Uneinbringlichkeit vorlegte.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 3, 5, 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies den Strafausspruch mit Berufung.
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Die Beschwerde verweist zwar zutreffend darauf (Z 3), daß nach der Vorschrift des § 151 Z 2 StPO die Einvernahme vom Staatsbeamten als Zeugen bei sonstiger Nichtigkeit ihrer Aussage unzulässig ist, sofern sie von der Verschwiegenheitspflicht nicht durch ihre Vorgesetzten entbunden sind und durch ihr Zeugnis das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden. Sie übersieht allerdings, daß dem Gericht bei der Anwendung der Bestimmung des § 151 Z 2 StPO ein Prüfungsrecht dahin verbleibt, ob nach dem Gegenstand der Zeugenaussage des Beamten eine Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit überhaupt (der Sache nach) in Betracht kommen kann. Dies deshalb, weil nicht alles, worüber ein Beamter als Zeuge gehört werden soll, unter das Amtsgeheimnis im Sinn des § 151 Z 2 StPO fällt, das nur Umstände und Angelegenheiten erfaßt, die dem Beamten im Dienstwege bekannt wurden und die wegen der möglichen Gefährdung von Dienstinteressen nicht veröffentlicht werden dürfen, an deren Geheimhaltung sohin der Staat ein solches Interesse hat, daß das Interesse einer geordneten Strafrechtspflege dagegen zurückzutreten hat. So fallen dienstliche Wahrnehmungen eines Beamten, über die etwa auf Grund der Anzeigepflicht nach § 84 StPO dem Strafgericht bereits Mitteilung gemacht wurde, nicht mehr unter das Amtsgeheimnis, weil ein dem Gericht bereits zur Kenntnis gebrachter Umstand folgerichtig nicht mehr nachträglich der Geheimhaltung unterliegen kann, sodaß es in diesem Fall einer Entbindung eines Beamten von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht mehr bedarf (Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr. 14, 16, 17 zu § 151). Dies trifft aber fallbezogen (Anzeige der Finanzlandesdirektion für Tirol, ON 2) hier zu, sodaß die behauptete Nichtigkeit nicht vorliegt.
Die Mängelrüge (Z 5) zeigt in keinem Punkt eine formell mangelhafte Begründung entscheidender Tasachenfeststellungen auf. Die einerseits Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandserfordernissen vermissende (insoweit sachlich Z 9 lit. a), andererseits die dazu getroffenen Feststellungen als undeutlich, unvollständig und unzureichend begründet kritisierende Beschwerdeargumentation setzt sich über die in dieser Hinsicht ‑ unter Miteinbeziehung der Verantwortung des Angeklagten ‑ detaillierten tatrichterlichen Erwägungen (US 6‑8, 10), die sowohl den wissentlichen Befugnismißbrauch als auch den damit zusammenhängenden Schädigungsvorsatz unter Mitberücksichtigung der wesentlichen Verfahrensergebnisse im Einklang mit den Denkgesetzen untermauern, hinweg und entzieht sich damit mangels Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung. Gleiches gilt für die unsubstantiierte Behauptung der Undeutlichkeit der zu den objektiven Tatbestandserfordernissen getroffenen Feststellungen.
Das Erstgericht stellte unter anderem fest, daß es der Angeklagte in den 653 inkriminierten Fällen zwar unterließ, Amtshilfeersuchen zur Einbringung von Steuerrückständen zu verfassen, dennoch aber auf den einzelnen Kontoblättern darauf hinweisende Vermerke anbrachte (was ‑ mangels Eingängen nach Ablauf einiger Monate infolge anzunehmender Erfolglosigkeit von Einbringungsversuchen ‑ ohne weitere Überprüfung zur Löschung der Abgabenschulden führen sollte ‑ US 6 iVm S 7 f, 21 f) und ‑ in seiner Eigenschaft als Leiter der Kontenführung ‑ der Aufforderung, der Einbringungsstelle infolge Uneinbringlichkeit zur Löschung geeignete Abgabenkonten namhaft zu machen, durch Vorlage der verfahrensgegenständlichen Abgabenkonten Folge leistete (US 5, 8).
Angesichts dieser Urteilsannahmen ist es ersichtlich unerheblich und keiner Erörterung bedürftig, ob die Kontenblätter dem Leiter der Einbringungsstelle vom Beschwerdeführer persönlich oder (in seinem Auftrag) von dem in mehreren Abteilungen des Finanzamtes eingesetzten (S 126) Zeugen M* übergeben wurden und wer die nur manipulative Tätigkeit der der Dokumentation dienenden Erfassung von Kontoblättern in (vom Beschwerdeführer zumindest teilweise kontrollierten ‑ US 9) Nachweisungs‑ und Löschungslisten (S 7, 21 f, 126, 127, 155, 161) ausführte.
Keine Widersprüchlichkeit des erstgerichtlichen Ausspruchs über entscheidende Tatsachen vermag die Beschwerde ferner mit der ersichtlich aus dem angenommenen Tatzeitraum ("28. 12. 1989 oder zu einem nicht näher feststellbaren Zeitraum zwischen 28.12.1989 und März 1992") bgeleiteten Behauptung darzutun, das Erstgericht stelle einerseits fest, daß der Angeklagte nur bis zum 31. Dezember 1989 mit der "Betreuung" der Abgabenkonten beauftragt war, vertrete aber "offensichtlich" die Ansicht, daß er sich "auch nach diesem Zeitpunkt um eine ordnungsgemäße Betreuung kümmern hätte müssen". Denn abgesehen davon, daß das Erstgericht lediglich die Feststellung trifft, daß dem Angeklagten bis 31. Dezember 1989 auch die Einbringung von Steuerrückständen und die Durchführung aller Maßnahmen im Bereich der Vollstreckung mit Ausnahme der Betreibung durch den Vollstrecker oblag, während nach diesem Zeitpunkt die Zuständigkeit (bloß) für Einbringungsmaßnahmen auf die Einbringungsstelle des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern überging (US 4 f), verhinderte der Angeklagte durch die Anbringung von jeweils mit 28. Dezember 1989 (bei bis 31. Dezember 1989 nicht eingeschränktem Aufgabenbereich) datierten (seiner Verantwortung zufolge bereits vor diesem Zeitpunkt verfaßten ‑ S 71) Erledigungsvermerke, auch wenn er sie erst nach dem 1. Jänner 1990 verfaßte und damit durch Rückdatierung überdies auch seine sachliche Zuständigkeit für Einbringungsmaßnahmen vortäuschte, in jedem Fall die gebotenen Einbringungsmaßnahmen.
Mit der Behauptung, dem Angeklagten könne "bestensfalls der Vorwurf gemacht werden, daß er vergaß, die Amtshilfeersuchen zumindest teilweise fristgerecht zu verfassen", die (bloß) aufzeigen soll, daß die erstgerichtlichen Überlegungen nicht zwingend seien und auch eine andere Lösung der Beweislage möglich gewesen wäre, wird ein formeller Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht dargetan (Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr. 144, 145, 147, 149 zu § 281 Abs. 1 Z 5; ENr. 21, 22, 26 und 26 a zu § 258).
Soweit sich die Tatsachenrüge (Z 5 a) nicht überhaupt nur in einer bloßen Wiederholung einzelner Einwände zur Mängelrüge erschöpft, bekämpft sie ‑ wie schon aus der Bezugnahme auf den Zweifelsgrundsatz ersichtlich ‑ erneut lediglich die schöffengerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung, die jedoch ‑ nach wie vor ‑ einer Anfechtung vor dem Obersten Gerichtshof entzogen ist. Solcherart vermag sie keine (geschweige denn erhebliche) Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Letztlich erweist sich auch die Rechtsrüge (Z 9 lit. a), die den wissentlichen Befugnismißbrauch bestreitet, mangels Orientierung am (diese Konstatierung ausdrücklich beinhaltenden) Urteilssachverhalt als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Über die Berufung des Angeklagten wird daher das hiefür zuständige Oberlandesgericht Innsbruck zu befinden haben (§ 285 i StPO).
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