Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit S 6.368,64 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.041,44 Umsatzsteuer und S 120,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit 26. August 1963 als Arbeiterin und seit 1. Jänner 1969 als Angestellte bis 30.April 1992 bei der erstbeklagten Partei beschäftigt, deren persönlich haftende Gesellschafter der Zweit- und Drittbeklagte sind. Das Dienstverhältnis endete durch Kündigung der Klägerin gemäß § 23 a Abs 1 Z 1 AngG. Die Klägerin hat keine Facharbeiterausbildung. Ihre Haupttätigkeit lag vor und auch nach der auf ihr Ersuchen erfolgten Übernahme in das Angestelltenverhältnis darin, daß sie gleichartige Knöpfe zusammenzufinden hatte. Die Knöpfe kamen im Rohzustand in Schachteln mit Begleitzetteln, auf denen die Materialnummern standen. Die Klägerin mußte die Knöpfe nach Material, Muster und Farbe sortieren. Dazu standen ihr Muster- und Farbkarten zur Verfügung. Zum Glänzen mancher Knöpfe mußte die Klägerin ein maschinelles Glanzverfahren durchführen. Dabei war eine bestimmte Menge chemischer Substanzen zu mischen und die Knöpfe mit dem chemischen Zusatz in die Trommel der Maschine zu legen. Anschließend war die Trommel auszuräumen, die Knöpfe nach Farbe, Muster und Material zu sortieren.
Zu den Aufgaben der Klägerin gehörte auch das Kleben von Ösen und Ringen in die Knöpfe. Sie half beim Zählen der Knöpfe, beim Verpacken in Schachteln, sowie deren Beschriften und nähte auch Muster. Eine Endkontrolle wurde bei den Beklagten nicht durchgeführt. Die Klägerin hat außer an einer Sortiermaschine an keiner Maschine gearbeitet.
Anläßlich der Zusage, die Klägerin ins Angestelltenverhältnis zu übernehmen, wurde nicht erörtert, welcher Kollektivvertrag zur Anwendung gelangen und welche Verwendungsgruppe dem Dienstverhältnis zugrundeliegen sollte. Sie erhielt dann etwas mehr Entgelt. Nach der Verwendungsgruppe II des Kollektivvertrages für die Angestellten des Gewerbes wurde sie nie entlohnt. 1992 betrug die Entlohnung in Verwendungsgruppe I des Kollektivvetrages nach 18 Verwendungsgruppenjahren S 14.145 brutto monatlich.
Die Klägerin begehrt S 99.880 sA mit der Behauptung, daß ihre Tätigkeit zumindest während der Zeit ihres Angestelltendienstverhältnisses der der Verwendungsgruppe II des Kollektivvertrages nach 18 Verwendungsgruppenjahren entsprochen habe. Ihr stünde daher für den Zeitraum Juli 1989 bis April 1992 der begehrte Betrag als Entgeltdifferenz zu.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Anwendung des Angestelltengesetzes sei nicht unwiderruflich vereinbart worden. Die Klägerin habe nur Arbeitertätigkeiten verrichtet und könne schon deswegen nur in Verwendungsgruppe I eingestuft werden. Die Qualifikation der Tätigkeiten der Klägerin sei über einfache Hilfsarbeiten im Sinne von mechanischen schematischen Arbeiten nicht hinausgegangen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die von der Klägerin geleisteten Tätigkeiten seien nicht unter § 1 AngG zu subsumieren. Die Angestellteneigenschaft könne unabhängig vom tatsächlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses vereinbart werden; solchen Angestellten kraft Vereinbarung komme aber die Rechtsstellung als Angestellte im Sinne der Betriebsverfassung nur dann zu, wenn mit ihnen die Anwendung des Angestelltengesetzes sowie des einschlägigen Angestelltenkollektivvertrages zuzüglich einer Einstufung in der Gehaltsordnung dieses Kollektivvertrages unwiderruflich vereinbart worden sei. Die sogenannten "Ehrenangestellten" würden in der Gruppe, der sie soziologisch und nach ihrer Interessenslage angehörten, verbleiben. Die betriebsverfassungsrechtliche Differenzierung sei auch für die arbeitsrechtliche Beurteilung beachtlich. Da die Parteien mit Ausnahme des Umstandes, daß die Klägerin ab nun Angestellte sein sollte, keine weiteren Vereinbarungen getroffen hätten, gelte für sie der Kollektivvertrag für Angestellte des Gewerbes nicht. Selbst bei Anwendung dieses Kollektivvertrages seien aber die Tätigkeiten der Klägerin nicht über einfache Hilfsarbeiten im Sinne der Verwendungsgruppe I des Kollektivvertrages hinausgegangen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es komme nicht darauf an, ob das Dienstverhältnis der Klägerin als das einer "Ehrenangestellten" zu bewerten sei. Beim Vergleich der Verwendungsgruppen I und II des auf die Klägerin ohnehin angewendeten Kollektivvertrages für die Angestellten des Gewerbes seien nicht nur die Tätigkeitsmerkmale, sondern auch die Praxisvorraussetzungen gegenüberzustellen. Daraus ergebe sich aber, daß die Tätigkeit der Klägerin in die Verwendungsgruppe I einzustufen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens durch Unterlassen der Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Qualifikation der Tätigkeit der Klägerin liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Da die früher in § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG vorgesehene Neudurchführung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht in das ASGG nicht übernommen wurde gelten nunmehr Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr auch solche des Berufungsverfahrens; daher ist der im allgemeinen zivilgerichtlichen Verfahren geltende Grundsatz, daß Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden können (SZ 60/197; RZ 1989/16; SZ 62/88; RZ 1992/57 u. a.) auch in Arbeitsrechtssachen anzuwenden (SZ 62/88; Infas 1993 H 1, 25).
Die Revisionswerberin übergeht bei ihren Ausführungen, daß sie nur auf ihr Ersuchen ins Angestelltenverhältnis übernommen wurde und daher eine Vereinbarung, welcher Kollektivvertrag zur Anwendung kommen und welche Verwendungsgruppe dem Dienstverhältnis zugrundegelegt werden sollte, nicht getroffen wurde und daß sie vor und nach dieser Vereinbarung dieselben manuellen Tätigkeiten, aber keine kaufmännischen Dienste verrichtete.
Die Vereinbarung der Angestellteneigenschaft führt nicht notwendig auch zur Anwendung des entsprechenden Angestelltenkollektivvertrages auf das Dienstverhältnis. Die Zuerkennung der Angestellteneigenschaft und damit die Vereinbarung der Anwendung des Angestelltengesetzes bewirkt nicht automatisch auch den Wechsel der Kollektivvertragzugehörigkeit (DRdA 1974, 271 [Klein], s. auch Schrammel "Der Angestellte ex contractu" im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, ZAS 1973, 163 ff [164]). Für Angestellte ex contractu kommt der Kollektivvertrag für die Angestellten des Gewerbes in einem einschlägigen Betrieb nur dann zur Anwendung, wenn in diesem Fall auch dies sowie die Einstufung in eine bestimmte Verwendungsgruppe unwiderruflich verreinbart wurde (Arb 9515; ZAS 1978/13; DRdA 1990/23 [Knöfler]). Beim Angestellten ex contractu ist zwischen dem Arbeitsrecht, dem Kollektivvertragsrecht, dem Betriebsverfassungsrecht und dem Sozialversicherungsrecht zu unterscheiden. Die Zuerkennung der Angestellteneigenschaft bewirkt in arbeitsrechtlicher Sicht lediglich die vertragsmäßige Behandlung als Angestellter unter Zugrundelegung des Angestelltengesetzes als Vertragsschablone (DRdA 1990/23 [Knöfler]). Da die Klägerin als Angestellte ex contractu unbestrittenermaßen bisher entsprechend der Verwendungsgruppe I des Kollektivvertrages für die Angestellten des Gewerbes entlohnt wurde und die Klägerin nicht etwa vorgebracht hat, daß die Einstufung in Verwendungsgruppe II ausdrücklich oder schlüssig vereinbart worden sei, ist sie, da sie nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Angestelltengesetzes fällt, auch dann nicht nach der Verwendungsgruppe II des Angestelltenkollektivvertrages zu entlohnen, wenn ihre Tätigkeit den dort genannten Kriterien entsprechen würde (vgl. Floretta in Floretta-Strasser, HandKommzArbVG 265; 9 ObA 245/93). Daß die der Klägerin tatsächlich gewährte Entlohnung ungünstiger gewesen wäre, als bei Anwendung des einschlägigen Arbeiterkollektivvertrages und daß damit die Erstbeklagte gegen zwingende Entlohnungsvorschriften verstoßen habe, hat die Klägerin nicht einmal behauptet.
Im übrigen ist aber auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes richtig, daß die Klägerin selbst bei (uneingeschränkt vereinbarter) Anwendung des Kollektivvertrages für die Angestellten des Gewerbes nicht in die Verwendungsgruppe II einzustufen wäre.
Für die Einstufung in eine bestimmte kollektivvertragliche Entlohnungsgruppe ist die Art der tatsächlich geleisteten Tätigkeiten entscheidend (Tutschka, HdB des österr Arbeitsrechts 117; Floretta-Spielbücher-Strasser, Arbeitsrecht**n I 187; Martinek-M. und W. Schwarz, AngG7, 63; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 215; Arb 9233, 9524, 10.313; 9 ObA 90/89, 9 ObA 12/93, 9 ObA 158/93).
Primäre Kriterien für jede Einstufung in eine Verwendungsgruppe sind die jeweiligen Tätigkeitsmerkmale. In die Verwendungsgruppe I fallen schematische oder mechanische Arbeiten, die als einfache Hilfsarbeiten zu werten sind. Die Verwendungsgruppe II erfordert hingegen einfache, nicht schematische oder mechanische Arbeiten nach gegebenen Richtlinien und genauer Arbeitsanweisung mit in der Regel kurzer Einarbeitungsdauer. Wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen diesen beiden Verwendungsgruppen ist nur das Fehlen schematischer und mechanischer Tätigkeiten in der Verwendungsgruppe
II.
Die Tätigkeit der Klägerin ging nicht über einfache, vor allem aber nicht über schematische Arbeiten hinaus. Ob dabei bestimmte Richtlinien oder Anweisungen einzuhalten waren, ist ohne Belang, weil jede unselbständige Tätigkeit - in mehr oder weniger starker Ausprägung - unter solchen Voraussetzungen zu leisten ist. Der Tätigkeitsablauf war routinemäßig und gleichförmig nach einem festen einfachen System ausgerichtet. Eine jahrelange Berufspraxis vermag am Charakteristikum der einzelnen Arbeiten als mechanische und schematische nichts zu ändern und ersetzt daher nicht die nach Verwendungsgruppe II geforderten nicht schematischen Arbeiten, bei denen eine gewisse Gestaltungsmöglichkeit im Rahmen der Richtlinien und Arbeitsanweisungen bestehen muß. Ob die Klägerin unter die im Kollektivvertrag beispielhaft aufgezählten Angestellten der Verwendungsgruppe I einzureihen wäre, ist ohne Belang, weil entscheidendes Einstufungskriterium nur die im Kollektivvertrag angeführten Tätigkeitsmerkmale sind.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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