OGH 9ObA158/93

OGH9ObA158/938.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Gerald Traxler und Olga Makomaski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers Peter S*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Heinrich Keller und Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwälte in Wien, wider die Beklagte ***** TV-Film Produktionsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Meyenburg M.C.J., Rechtsanwalt in Wien, wegen restlich S 80.389,90 s.A., infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.März 1993, GZ 32 Ra 102/92-13, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22.Jänner 1992, GZ 19 Cga 1034/90-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 5.094 (davon S 849 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten bei der Herstellung des Films ***** vom 13.11. bis 22.12.1989 und vom 2.1.bis 9.6.1990 als Set-Dekorateur/Set-Dekorator beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse von Filmschaffenden ist der Kollektivvertrag für Filmschaffende vom 24.7.1980 (im folgenden: KV) samt Zusatzkollektivvertrag vom 14.12.1989 (im folgenden: ZusatzKV) anzuwenden. Als Wochenpauschale war ein Betrag von S 17.000 brutto vereinbart. In diesem Betrag waren nach dem schriftlichen Dienstvertrag (über die Regelung des § 7 Z 1 KV, wonach das Wochenpauschale den Lohn für die wöchentliche Normalarbeitszeit bis zu 40 Stunden, je zwei Überstunden von Montag bis Freitag und bis 10 Überstunden an Samstagen enthält, hinaus) die Urlaubsabfindung und die Sonderzahlungen enthalten. Als Arbeitszeit waren 72 Wochenstunden vereinbart. Die über das wöchentliche Ausmaß von 72 Stunden geleisteten Überstunden wurden gesondert abgegolten. Vom Wochenpauschale von S 17.000 war ein Betrag von S 1.603,02 als Urlaubsabfindung gewidmet.

Der Kläger war mit der Vorbereitung und dem Aufbau der Dekoration bzw. der Überwachung dieser Arbeiten, zum Teil auch mit der Planung und dem Entwurf sowie beim Um-, Ab- und Aufbau der jeweils erforderlichen Dekorationen bzw. der Überwachung der Bautrupps beschäftigt. Leiter der Abteilung war Mag. Thomas R***** (Art Direktor), der dem Kläger gegenüber weisungsbefugt war. Dieser war für die Konzeption der optischen Gestaltung des Films verantwortlich und hatte auch mit dem Regisseur die Abnahme der Dekorationen vorzunehmen. Eine Stufe über dem Kläger stand Peter M*****, obwohl es in den Arbeitsgebieten Überschneidungen gab und manchmal beide gleichwertige Tätigkeiten auch in Fragen der künstlerischen Konzeption, allerdings nach Absprache mit Mag.R***** durchführten. Beide waren mit Arbeiten befaßt, die über den Aufgabenbereich eines Architekten-Assistenten hinausgingen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten S 107.687,52 brutto s.A. für geleistete Überstundenentgelte. Hilfsweise stützte er sein Begehren (teilweise) auch auf den Anspruch auf Urlaubsentschädigung, da es sich um ein zusammenhängendes Dienstverhältnis gehandelt habe. Über das weitere Begehren des Klägers in Höhe von S 34.000,-- brutto s.A. (Wochenpauschale vom 9.6. bis 24.6.1990) ist ein Teilanerkenntnisurteil ergangen. Bei den Überstunden handle es sich um 60 Wochenstunden übersteigende Arbeitszeiten, da 60 Stunden durch das Wochenpauschale von S 17.000 brutto abgegolten gewesen seien. Auch die über die 72. Wochenstunde hinausgehenden Überstunden habe der Kläger bezahlt erhalten. S 17.000 brutto seien für 72 Wochenstunden zudem eine unterkollektivvertragliche Entlohnung, weil der Kläger nach seiner Tätigkeit nicht wie ein Architekt-Assistent, sondern wie ein Kostümbildner zu entlohnen gewesen wäre.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Vom 13.11.bis 22.12.1989 habe der Kläger über die 72 pauschal entlohnten Wochenstunden hinaus keine Überstunden geleistet. Ab 2.1.1990 seien die Überstunden bezahlt worden. Im übrigen seien Überstunden aus dem ersten Dienstverhältnis gemäß § 26 KV verfallen. Der Kläger sei nicht unterkollektivvertraglich entlohnt worden.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte mit Endurteil schuldig, dem Kläger S 27.297,62 brutto an Urlaubsentschädigung für das als durchgehend anzusehende Dienstverhältnis vom 13.11.1989 bis 24.6.1990 zu zahlen und wies das Mehrbegehren auf Überstundenentgelt von S 80.389,90 brutto s.A. ab. Ein Anspruch auf Überstundenentgelt bestehe nicht, weil das Wochenpauschale 72 Wochenstunden umfaßt habe und darüber hinausgehende Überstunden bezahlt wurden. Werde das vom Kläger genannte Wochenpauschale des Kostümbildners von S 10.265 (für 60 Wochenstunden ohne Urlaubsabfindung und Sonderzahlungen) vergleichsweise als kollektivvertraglicher Mindestlohn herangezogen, dann ergebe der Vergleich mit dem Wochenpauschale des Klägers, daß er unterkollektivvertraglich entlohnt wurde. Die Pauschale eines Kostümbildners könne aber nicht ohne weiteres als Maßstab für die Entlohnung des Klägers herangezogen werden, weil er einem eigenverantwortlichen Kostümbildner in Anbetracht der Verschiedenartigkeit der Aufgaben und des geringeren Grades der Verantwortung nicht gleichzusetzen sei. Der Kläger sei nicht eigenverantwortlich tätig gewesen; er habe sich vielmehr mit seinem Vorgesetzten ins Einvernehmen setzen und dessen Zustimmung oder Weisung einholen müssen. Als mögliche Richtlinie für die Einstufung des Klägers könne der Lohn des Architekten-Assistenten (Wochenpauschale S 7.535,-) vergleichsweise herangezogen werden. Da das Entgelt des Klägers bedeutend über dem Wochenpauschale des Architekten-Assistenten lag, habe die Beklagte ohnehin berücksichtigt, daß er qualifizierter tätig war. Sein Entgelt sei somit innerhalb der kollektivvertraglichen Ansätze vereinbart worden und in einem Bereich gelegen, der nur mehr vom kollektivvertraglichen Entgelt der Tonmeister, Kameraleute, Regisseure und Produktionsleiter überstiegen werde. Eine Position, die mit diesen Verwendungen vergleichbar wäre, habe aber der Kläger nicht eingenommen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Für die Bestimmung des Entgelts seien Gesetz, Kollektivvertrag, Satzung, Dienstvertrag, Arbeitsordnung, nachgiebiges Gesetz, Ortsüblichkeit und Angemessenheit entscheidend. Nur mangels wirksamer Entgeltvereinbarung gelte ein angemessenes Entgelt als bedungen. Der Kläger sei mit einem Wochenpauschale von S 17.000 als Abgeltung für eine 72-stündige Arbeitsleistung einverstanden gewesen. Eine Pauschalvereinbarung, die die Zahl der zu leistenden Überstunden festlege, sei zulässig, wenn damit die vereinbarten Überstunden vollständig abgegolten werden und das Entgelt für die Normalarbeitszeit nicht niedriger ist als der kollektivvertragliche Mindestlohn. Der Kläger sei in keine der im Kollektivvertrag vorgesehenen Entlohnungsgruppen einzuordnen, weil für seine Tätigkeit keine Entlohnungsgruppe bestehe. Es fehle daher mangels eines kollektivvertraglichen Mindestlohnes an einem Maßstab zur Beurteilung der Zulässigkeit des vereinbarten Entgelts. Mangels eines kollektivvertraglichen Entgelts sei eine freie Vereinbarung möglich, die ihre Grenze erst in § 879 Abs 1 und 2 Z 4 ABGB finde. Über dieser Grenze sei die Entgeltvereinbarung gültig, auch wenn das vereinbarte Entgelt im Einzelfall nicht angemessen sein sollte. Der Mindestlohn des Kostümbildners könne daher für den Kläger nicht vergleichsweise herangezogen werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn mangels einer individuellen Vereinbarung ein ortsübliches oder angemessenes Entgelt im Sinne des § 1152 ABGB zu ermitteln wäre. Mangels eines kollektivvertraglichen Mindestlohnes sei auch § 7 Abs 3 KV, der bestimme, daß die aliquoten Anteile des Urlaubszuschusses, der Weihnachtsremuneration und der Urlaubsabfindung im Wochenpauschale nicht enthalten sind, nicht anwendbar. Werde vereinbart, daß die anteiligen Sonderzahlungen im Wochenpauschale enthalten sind, könne die für den Arbeitnehmer (gegenüber § 7 Abs 3 KV) günstigere Regelung dadurch ermittelt werden, daß vom tatsächlich vereinbarten Wochenpauschale die Sonderzahlungen abgezogen werden und der so ermittelte Betrag dem kollektivvertraglichen Mindestlohn gegenübergestellt wird. Ein solcher Vergleich sei aber im Falle des Klägers nicht möglich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß ihm ein weiterer Betrag von S 80.389,90 brutto zugesprochen werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Für die Einstufung in eine bestimmte Entlohnungsgruppe ist die Art der tatsächlich geleisteten Tätigkeiten entscheidend (Tutschka, Handbuch des österreichischen Arbeitsrechts, 117;

Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht**n I 187;

Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7, 63, Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 215; Arb 9233, 9524, 10.313; 9 Ob A 90/89, 9 Ob A 12/93 uva).

Der Kläger war bei einem Filmherstellungsunternehmen als Set-Dekorateur beschäftigt. Da sich der persönliche Geltungsbereich des Kollektivvertrages für die Filmschaffenden auf alle im Filmherstellungsunternehmen beschäftigten Filmschaffenden, insbesondere auf jene, die im Mindestgagentarif enthalten sind, erstreckt (§ 1 lit b und c KV; Punkt I Z 2 und 3 ZusatzKV), fiel die Tätigkeit des Klägers unabhängig davon, ob es für seinen Verwendungsbereich eine Entlohnungsgruppe gibt, in den persönlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrages und des Zusatzkollektivvertrages für Filmschaffende. Aus der Formulierung des fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches des KV ("alle" ..., "insbesondere ......") ergibt sich somit deutlich, daß nicht nur die im Mindestgagentarif aufgezählten Filmschaffenden erfaßt sind. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kommt daher auch § 7 Punkt 3 KV zur Anwendung. Für den Set-Dekorateur enthielt der Mindestgagentarif des Kollektivvertrages allerdings keine Lohngruppe. Gibt es im Kollektivvertrag keine der Tätigkeit des Dienstnehmers entsprechende Entlohnungsgruppe, dann ist als Vergleichsmaßstab die Mindestgage jener Entlohnungsgruppe heranzuziehen, deren Tätigkeitsbild inhaltlich und nach der Hierarchie im Unternehmen der Tätigkeit des Dienstnehmers am ehesten entspricht.

Der Kläger war mit der Vorbereitung und dem Aufbau der Dekoration und der Überwachung dieser Arbeiten, zum Teil auch mit der Planung und dem Entwurf (auch der künstlerische Konzeption) sowie dem Um-, Ab- und Aufbau der erforderlichen Dekorationen und der Überwachung des Bautrupps befaßt, so daß seine Tätigkeit teilweise mit der eines Architekten verglichen werden kann. Die Aufgaben des Klägers lagen über dem Aufgabenbereich eines Architekt-Assistenten (Wochenpauschale gemäß § 7 KV: S 7.535). Andererseits war er dem Leiter einer Abteilung (= Art Direktor) und einem weiteren Mitbediensteten (M*****) weisungsmäßig unterstellt, wenn auch dieser und der Kläger manchmal gleichwertige Tätigkeiten verrichteten.

Vergleicht man die Rangordnung in der Abteilung, so stand der Art Direktor als Leiter der Abteilung und Produktionsdesigner über M***** und dem Kläger. Der Art Direktor war der Produktionsleitung und dem Regisseur verantwortlich. Da der Kläger Aufgaben erfüllte, deren Bedeutung über denen eines Architekt-Assistenten lag, konnte sein kollektivvertragliches Wochenpauschale nur zwischen dem Mindestgagentarif des Produktionsleiters (Wochenpauschale S 15.669) und des Architekt-Aissistenten (Wochenpauschale S 7.535) liegen.

Im vorliegenden Fall erübrigt sich eine genaue Einordnung des Klägers in das kollektivvertragliche Entlohnungsgruppenschema. Die Entlohnungsgruppen des Produktionsdesigners, der Architekt war und dessen Stellung am ehesten dem Produktionsleiter entspricht, wie auch jene der Kameramänner, Schwenker, der Synchronregie, der Tonmeister, Maskenbildner, Tonassistenten, Standfotografen kommen von vornherein nicht in Frage. Auch die Tätigkeit des Kostümbildners ist mit der des Klägers nicht artverwandt. Als höchste vergleichbare Entlohnungsgruppe käme daher die des Produktionsleiters 2) mit einem Wochenpauschale von S 9.431 (das gemäß § 7 Z 1 KV 40 Normalstunden zuzüglich 10 Stunden mit einem Zuschlag von 100 % und 10 Stunden mit einem Zuschlag von 50 % umfaßt und daher 75 Normalstunden entspricht) in Betracht. Das Wochenpauschale für 40 Stunden beträgt S 5.029,87. Werden die Arbeitsstunden des Klägers unter der günstigsten Annahme, daß alle geltend gemachten Überstunden einen Zuschlag von 100 % rechtfertigen, auf Normalstunden umgerechnet, so ergeben sich 99 Normalstunden (72 = 40 Normalstunden plus 22 Stunden mit 100 % Zuschlag plus 10 Stunden mit 50 % Zuschlag). Die Wochengage des Klägers enthält nach der Vereinbarung die Urlaubsabfindung für 72 Wochenstunden und die Sonderzahlungen. Ohne Urlaubsabfindung in Höhe von 10,41 % der Wochengage (§ 17 KV) ergeben sich S 15.397,16, und nach weiterem Abzug der in der Wochengage enthaltenen Sonderzahlungen S 13.299,87. Daraus errechnet sich für 40 Wochenstunden ein Lohn von S 5.373,68, der über der kollektivvertraglichen Mindestgage der höchsten, für den Kläger in Betracht kommenden Lohngruppe liegt.

Eine Vereinbarung, daß mit den laufenden Bezügen alle durch Mehrarbeit entstandenen Ansprüche abgegolten sind, ist dann zulässig, wenn das laufende Einkommen höher als das kollektivvertragliche Mindestentgelt zuzüglich der für die tatsächlich geleisteten Überstunden gebührenden Vergütung ist (Cerny, Arbeitszeitrecht**2, 98 f; Grillberger, AZG 82 f mwN; SozM I C 895; Arb 10.451; DRdA 1991, 55).

Gleiches gilt auch für ein Pauschale, das nicht nur Mehrleistungen, sondern auch die Urlaubsabfindung und die Sonderzahlungen umfaßt, wenn das laufende Einkommen höher ist als das kollektivvertragliche Mindestentgelt zuzüglich der Überstundenvergütung, der Urlaubsabfindung und der Sonderzahlungsanteile. Diese Voraussetzungen trafen auf das Einkommen des Klägers jedenfalls zu.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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