OGH 14Os159/93

OGH14Os159/9330.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.November 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas B***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Mai 1993, GZ 5 c Vr 978/93-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Angeklagten und der Verteidigerin Mag.Scheed, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas B***** (I.) des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen (II.) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und (III.) des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

(zu I) von Jänner 1992 bis zum 17.Feber 1992 als Vertragsbediensteter der Österreichischen Post, mithin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat am Recht auf Einziehung von Geldbeträgen über Auftrag und auf bestimmungsgemäße Weiterleitung dieser Beträge (sowie auch die betroffenen Postkunden an letzterem Recht - vgl. US 7) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes (als dessen Organ) in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er in vier Angriffen Geldbeträge in der Gesamthöhe von 8.542,70 S (richtig: 8.572,70 S), die er von Empfängern von Nachnahmesendungen erhalten hatte, für sich behielt und für eigene Zwecke verwendete;

(zu II) am 26.Juni 1993 (richtig: 1991) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der G*****bank Aktiengesellschaft durch Täuschung über Tatsachen, indem er als zahlungswilliger und zahlungsfähiger Kreditnehmer auftrat, zu einer Handlung, nämlich zur Auszahlung eines Kredites in der Höhe von 130.000 S verleitet, welche die genannte Bank um diesen (25.000 S übersteigenden) Betrag am Vermögen schädigte;

(zu III) im Jänner 1992 eine fremde bewegliche Sache, nämlich zwei Kraftfahrzeug-Kennzeichentafeln W 71836 C in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, dem Milotan S***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Nur die beiden erstbezeichneten Schuldsprüche (Punkt I und II) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Nicht berechtigt ist zunächst die gegen den Schuldspruch laut Punkt I des Urteilssatzes gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer eine Tatbeurteilung (bloß) als Vergehen der Veruntreuung nach § 133 (Abs. 1) StGB mit der Argumentation anstrebt, daß die Zueignung fremder Gelder durch Postbedienstete keine Organhandlung (im Namen des Bundes) darstelle. Zu den Aufgaben des Postzustellers bei Besorgung des zur Hoheitsverwaltung zählenden Geldverkehrs der Post (§ 13 PostG) gehört indes ua auch die Einziehung von Geldbeträgen durch Nachnahme (§§ 264 f PostO). Die hoheitsverwaltungsrechtliche Tätigkeit des Zustellers ist dabei mit der Zustellung der Poststücke an die Empfänger gegen Entrichtung der Nachnahmebeträge keineswegs beendet. Ebensowenig sind seine weiteren Aufgaben auf die bloße Verwahrung dieser Geldbeträge beschränkt; der Zusteller wirkt vielmehr auch noch an (der ersten Phase) der anschließenden Beförderung der vereinnahmten Beträge durch Überbringung an das Abgabepostamt zur ordnungsgemäßen postalischen Weiterleitung an die Auftraggeber (Absender) mit. Die pflichtwidrige Vornahme oder (das Gleichwertigkeitserfordernis des § 2 StGB erfüllende) Unterlassung dieser Tätigkeit stellt daher - anders als in den in der Beschwerde zitierten Fällen eines bloß zur Verladung von Paketen in Transportmittel befugten Paketverladers der Post (EvBl. 1983/44), bzw. der Übernahme von Geldbeträgen zur Einzahlung im Rahmen des privatwirtschaftlichen Postscheckverkehrs der Postsparkasse durch einen als deren Erfüllungsgehilfe tätig werdenden Zusteller (EvBl. 1987/52) oder der bloßen Ausnützung einer durch die amtliche Tätigkeit geschaffenen faktischen Gelegenheit zum Griff in die Amtskasse (JBl. 1987, 735) - einen Mißbrauch der Befugnis zu einer Organhandlung dar (SSt. 54/33; 9 Os 193/85 ua). Der vom Beschwerdeführer (unter Berufung auf Bertel im WK, Nachhang zu § 302 StGB Rz 4) vertretenen Auffassung schließlich, die Zueignung fremder Gelder durch Postbedienstete sei keinesfalls dem § 302 StGB zu unterstellen, ist entgegenzuhalten, daß die Verwirklichung eines allgemein strafbaren Tatbestandes (insbesondere des Vermögensstrafrechtes) im Rahmen des pflichtwidrigen Organverhaltens keineswegs generell die Anwendung des § 302 StGB auszuschließen vermag (Leukauf-Steininger Komm.3 § 302 RN 27, 46, 50; siehe auch JAB zum StRÄG 1987 359 BlgNR 17 GP, 24 f).

Es versagt aber auch die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit. a), mit welcher der Beschwerdeführer zum Schuldspruch wegen Betruges ausreichende Feststellungen darüber vermißt, daß er "im Zeitpunkt der vermeintlichen Täuschungshandlung ernsthaft damit gerechnet hätte, die Kreditraten nicht bedienen zu können". Mit diesem Einwand wird nämlich die Frage nach der Zahlungswilligkeit des Angeklagten, deren Vortäuschung ihm das Erstgericht (beim Betrug) gleichfalls zur Last legt, gar nicht berührt. Schon das vorsätzliche Erwecken des falschen Eindrucks der Zahlungswilligkeit beim vertraglichen Eingehen von Zahlungsverpflichtungen (wie hier der Darlehensaufnahme) allein stellt aber bereits eine im Sinn des § 146 StGB tatbestandsmäßige Täuschung der Vertragspartner dar. Die Feststellung des Fehlens (auch) der Zahlungswilligkeit des Angeklagten leitete das Schöffengericht daraus ab, daß er auch schon vor seinem ("freiwilligen") Eintritt in den (schlechter dotierten) Postdienst die ersten beiden Kreditraten ungeachtet seines damaligen höheren Einkommens als Kellner nicht bezahlt hat (US 6, 8, 9). Auch der Schuldspruch wegen Betruges erfolgte demnach frei von Rechtsirrtum.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 302 Abs. 1 StGB zu zehn Monaten Freiheitsstrafe, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zwei Vergehen und die Wiederholung der Tathandlungen beim Amtsmißbrauch als erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Wandel, das "teilweise vollständig abgelegte, teilweise tatsächlich abgelegte" Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung als mildernd.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Strafherabsetzung (auf drei Monate Freiheitsstrafe) anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Angesichts der mehrfachen Tatwiederholung beim Amtsmißbrauch durch pflichtwidrige Verletzung der ihm als Zusteller obliegenden Amtsgeschäfte kann von einem als Milderungsgrund reklamierten Handeln aus Unbesonnenheit keine Rede sein. Ebensowenig schlägt die mittlerweile erfolgte Zurückstellung des (mit dem erlisteten Darlehen angeschafften) PKW an die Vorbehaltseigentümerin (G*****-Bank) zum Vorteil des Berufungswerbers aus. Selbst unter Berücksichtigung der behaupteten Bereitschaft zur weiteren Schadensgutmachung besteht nach Lage des Falles kein Anlaß, die von den Tatrichtern tatschuldadäquat ausgemessene Freiheitsstrafe zugunsten des Angeklagten zu korrigieren. Damit erledigt sich auch das (der Sache nach weitere) Begehren auf Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB.

Über die Rechtsmittel des Angeklagten war somit spruchgemäß zu erkennen.

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