OGH 8Ob570/93

OGH8Ob570/9330.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber als Vorsitzenden sowiedurch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Peter Schiemer, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** F*****, vertreten durch Dr.Alfred Haslinger ua Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Dr.L***** F*****, vertreten durch Dr.Bruno Binder ua Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterhalt (Streitwert: S 720.000,- sA; Revisionsinteresse je S 360.000,- sA), infolge Revision beider Teile gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom 24.Februar 1993, GZ R 898/92-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Waidhofen a.d. Ybbs vom 18.August 1992, GZ 1 C 1145/90-37, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die zwischen den Streitteilen 1964 geschlossene Ehe wurde l989 aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden geschieden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung ihres geschiedenen Mannes zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von S 20.000,- ab 1.10.1990; es sei ihr auf Grund ihres Alters keine eigene Erwerbstätigkeit zumutbar. Sie verfüge über kein Vermögen. Ihre drei Kinder seien nicht in der Lage, für ihren (der Klägerin) Unterhalt ausreichend zu sorgen. Der Beklagte sei hiezu jedenfalls in der Lage; ein Umstand, den dieser schließlich außer Streit stellte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens unter Hinweis auf die primäre Unterhaltspflicht der drei Kinder der Klägerin.

Zu den Vermögensverhältnissen wurde zusammenfassend festgestellt:

Der Sohn Wolfgang ist Amtstierarzt mit einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen von S 40.000,-. Er ist für seine nicht berufstätige Ehegattin sorgepflichtig, die lediglich über vernachlässigbar geringfügige Mietzinseinkünfte verfügt.

Die Tochter Annette hilft ihrem Bruder bei seiner amtstierärztlichen Tätigkeit und erhält hiefür im Jahr ein Entgelt von durchschnittlich knapp S 50.000,- brutto. Sie hat zwar ein Haus in der BRD geerbt, aus dem sie ein zu versteuerndes Einkommen von umgerechnet S 237.400,-

jährlich erzielt; diese Erbschaft ist aber mit Vermächtnissen in der Höhe von S 67.200,- jährlich belastet. Sie hat ihre Nichten adoptiert, ist für zwei von ihnen unterhaltspflichtig und muß für jede etwa S 5.000,- monatlich aufwenden.

Diese beiden Kinder der Klägerin sind zu je einem Drittel Miteigentümer eines Gutes, dessen Verkehrswert S 10 - 11 Millionen beträgt. Der durch die Bewirtschaftung des Gutes im Jahresdurchschnitt zu erzielende Ertrag, ohne Berücksichtigung der allgemeinen Betriebskosten und vor Steuerabzug, beträgt rund S 63.000,-. Bei Anrechnung der Fixkosten stünden den fiktiv errechneten Erträgnissen weit höhere fiktive Fixkosten gegenüber; diese Gegenüberstellung ergäbe einen Abgang von über S 422.000,- jährlich.

Die Tochter Maria Charlotte wohnt in einer ihrer Schwester Annette gehörenden Eigentumswohnung; sie ist geschieden und bezieht eine Pension von monatlich netto ca. S 9.100,-. Sie hat vier Kinder im Alter zwischen 14 und 27 Jahren, für die der Vater monatlich insgesamt S 11.400,- an Unterhalt bezahlt.

Die heute 68-jährige Klägerin, die teils bei ihrem Sohn und teils bei ihrer Tochter Annette wohnt, hat zur Zeit kein Einkommen und kein Vermögen; sie hat nie einen Beruf ausgeübt.

Der Beklagte bezieht ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von rund S 180.000,-. Das Vermögen des Beklagten, vorwiegend Liegenschaftsbesitz, repräsentiert einen Wert von S 30 Millionen. Sorgepflichten hat der Beklagte keine.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und begründete dies wie folgt: Der Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nach § 68 EheG zu beurteilen. Es bestehe kein Zweifel, daß die Klägerin zur Zeit nicht selbsterhaltungsfähig sei. Nach ständiger Rechtsprechung gehe die Unterhaltspflicht der Verwandten einem Unterhaltsbeitrag des geschiedenen Ehegatten vor, soweit die den Verwandten zumutbaren Unterhaltsleistungen ausreichten, um das Auskommen des nicht selbsterhaltungsfähigen Ehegatten zu sichern. Diese Voraussetzungen träfen zwar auf die Kinder Wolfgang und Annette zu. Trotz deren Leistungsfähigkeit könne es aber billig sein, dem anderen Ehegatten einen Unterhaltsbeitrag aufzuerlegen, wenn er wirtschaftlich wesentlich besser stehe als die unterhaltspflichtigen Verwandten. Das sei hier der Fall; bei einem monatlichen Nettoverdienst von rund S 180.000,- übersteige ein Unterhaltsbeitrag von S 20.000,- den Rahmen der relativen Bescheidenheit nicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, daß es dem Beklagten nur Unterhaltszahlungen von S 10.000,- auferlegte und das Mehrbegehren abwies.

In rechtlicher Hinsicht teilte es die Ansicht des Erstgerichts, daß die 68-jährige Klägerin nicht selbsterhaltungsfähig sei. Die von ihr gerichtlich verfolgten vermögensrechtlichen Ansprüche gegen ihren geschiedenen Gatten, die dieser bestreite, stellten derzeit ebensowenig ein greifbares Vermögen wie allfällige Aufteilungsansprüche nach §§ 81 ff EheG dar.

Wohl müsse im Sinn der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung der subsidiäre Charakter des Billigkeitsunterhalts nach § 68 EheG grundsätzlich gewahrt bleiben, doch dürfe dieser nicht zur absoluten Regel "hochstilisiert" werden. Der Gesetzestext sei keineswegs so eindeutig, wie der Berufungswerber behaupte, weil § 68 Abs 1 EheG in seinem Konditionalsatz die Verhältnisse des anderen Ehegatten und der unterhaltspflichtigen Verwandten erwähne, ohne eine Rangabstufung vorzunehmen und letztlich den Aspekt der Billigkeit in den Vordergrund stelle. Unter Berufung auf Zankl (in Schwimann, Komm ABGB Rz 5 zu § 68 EheG) meinte es, aus Billigkeitserwägungen könne es auch zu einer Umkehr der Subsidiarität kommen: Obwohl sich der selbsterhaltungsunfähige geschiedene Ehegatte grundsätzlich an seine Verwandten halten müsse, könne es trotz deren Leistungsfähigkeit billig sein, dem anderem Ehegatten einen Unterhaltsbeitrag aufzuerlegen, wenn er über zB nennenswerte Kapitalerträgnisse oder einen (so) großen Arbeitsverdienst verfüge, daß er wirtschaftlich wesentlich besser stehe als die unterhaltspflichtigen Verwandten des Selbsterhaltungsunfähigen. Ein Einkommens- und Vermögensvergleich in diesem Sinne falle eindeutig zu Lasten des Berufungswerbers aus, zumal bereits dessen außer Streit gestelltes durchschnittliches Monatsnettoeinkommen ein Vielfaches dessen ausmache, was alle drei Kinder der Klägerin zusammen monatlich ins Verdienen brächten.

Der Beklagte habe außer Streit gestellt, daß er auf Grund seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse den begehrten Unterhaltsbeitrag leisten könnte. Bei den meisten Entscheidungen zu § 68 EheG sei die Frage der Existenzsicherung im Vordergrund gestanden. Es erscheine jedoch - insbesondere unter den hier obwaltenden Verhältnissen - nicht gerechtfertigt, den Unterhaltsbeitrag des § 68 EheG gleichsam nach Art eines starren Sockelbetrages zu definieren, wie dies dem Berufungswerber offenbar vorschwebe ("erheblich unter S 10.000,-"). Denn die Rechtsprechung betone durchaus die Relativität der "Bescheidenheit", die wohl nur anhand eines Vergleiches mit der "Bemessungsgrundlage" eruiert werden könne. Die Judikatur (Nachweise bei Zankl aaO Rz 8) habe in der Regel Werte bis zu etwa 15 % des monatlichen Nettoeinkommens des anderen Ehegatten zugebilligt. Da der begehrte Unterhaltsbeitrag weit darunter liege, könne keine Rede davon sein, daß der Rahmen der "relativen Bescheidenheit" überschritten würde. Dennoch sei im vorliegenden Fall - entgegen der Meinung des Erstgerichtes - eine Kürzung des Begehrens auf 50 % geboten, weil die unterhaltspflichtigen Verwandten, die der Klägerin an sich das Existenzminimum gewährleisten könnten, nur kraft des angestellten Einkommens- und Vermögensvergleiches privilegiert seien und tatsächlich auch Unterhaltsleistungen (insbesondere Wohnung und Verpflegung) erbrächten.

Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zu der von ihm vertretenen, sich nur auf die oben erwähnte Lehrmeinung stützenden "Ausnahme vom Subsidiaritätsgrundsatz" sowie zur "Relativität der Bescheidenheit" noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Revisionen beider Streitteile wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinn der vollen Klagsstattgebung bzw. der vollen Klagsabweisung; beide Teile stellen hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zwar aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Die von beiden Teilen geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es sich weder mit den vermißten Tatsachenfeststellungen des Beklagten betreffend den Wert des Hauses in der BRD noch mit der in der Berufungsbeantwortung enthaltenen Beweisrüge der Klägerin betreffend die minimalen Einkünfte ihrer Kinder aus dem gemeinsamen Gut auseinandersetzen mußte, weil diesen Umständen insgesamt so geringe Bedeutung zukommt, daß sich auch bei Zugrundelegen der gewünschten Feststellungen hieraus keine anderen rechtlichen Schlußfolgerungen ableiten lassen. Die aus den ansonsten unbestritten gebliebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen abgeleiteten Schlußfolgerungen betreffen die rechtliche Beurteilung der Sache und werden im Rahmen der Rechtsrüge behandelt. Aus rechtlichen Gründen konnte auch die vom Beklagten beantragte Beischaffung der Akten betreffend weitere zwischen den Streitteilen anhängige Verfahren unterbleiben, weil die dort von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche kein für sie greifbares Vermögen darstellen; es ist im Verfahren 9 C 38/87 des Landesgerichtes Linz betreffend eine Schenkungsanfechtung erst ein Teil- und Zwischenurteil zugunsten der Klägerin ergangen, das vom Beklagten vehement bekämpft wird und derzeit ebenfalls beim Obersten Gerichtshof behängt (8 Ob 1667/93). Wenn der Beklagte auf die angebliche Belehnungsfähigkeit dieser Ansprüche hinweist, ist ihm zu erwidern, daß derartige noch so vage Ansprüche von seriösen Kreditinstituten bei realistischer Betrachtung nicht oder jedenfalls nicht zu zumutbaren Bedingungen belehnt werden, sodaß das Berufungsgericht zu Recht von einem nicht "aktuellen" Vermögensbestandteil ausgegangen ist; sollte die Klägerin in Zukunft zu bedeutendem Vermögen kommen, ist die Wiederaufrollung der Unterhaltsfrage wegen geänderter Verhältnisse jeder Zeit möglich.

Auch in der rechtlichen Beurteilung ist dem Berufungsgericht zu folgen.

1) Zweckmäßigerweise ist vorerst die Revision des Beklagten zu behandeln.

Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut des § 68 EheG allein nicht, daß bei Scheidung aus gleichteiligem Verschulden der Billigkeitsunterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehegatten nur subsidiär zustehen soll. Aus der in dieser Bestimmung enthaltenen Verweisung auf § 71 EheG ("nach § 71 unterhaltspflichtige Verwandte"), der daher zur Auslegung des § 68 EheG mitherangezogen werden muß, ergibt sich jedoch auch bei nochmaliger Überprüfung, daß die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes beizubehalten ist: Nach § 71 EheG haftet der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte grundsätzlich vor den Verwandten; besteht keine Unterhaltspflicht, haften die Verwandten nach den allgemeinen Vorschriften über die Unterhaltspflicht; im vorliegenden Fall die Kinder nach § 143 ABGB. Daraus muß wohl zwingend der Schluß gezogen werden, daß bei Scheidung nach § 68 EheG die Kinder primär haften, weil dem aus gleichteiligen Verschulden geschiedenen Ehegatten grundsätzlich kein Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Gatten zusteht, sondern ein solcher nur ausnahmsweise - aus Billigkeit - zugestanden werden kann. Es ist daher an der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung festzuhalten, daß grundsätzlich und im Regelfall der Billigkeitsunterhaltsanspruch nach § 68 EheG gegen den geschiedenen Gatten nur subsidiär zusteht, soweit keine unterhaltspflichtigen Verwandten vorhanden sind oder diese im Einzelfall keinen (oder keinen ausreichenden) Unterhalt schulden, im vorliegenden Fall also die Kinder den Unterhalt überhaupt nicht oder nur unter Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhalts - wobei ihre sonstigen Sorgepflichten mitzuberücksichtigen sind - gewähren könnten; durch die Neufassung des § 143 ABGB idF BGBl 403/1977, ist keine Änderung eingetreten (SZ 22/140; 54/140; EvBl 1989/66).

Allerdings ist der Ansicht des Berufungsgerichtes zu folgen, daß dieser Regelfall dann nicht mehr gelten kann, wenn er nicht der Billigkeit entspricht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der geschiedene Ehegatte über ein derart hohes Einkommen verfügt, das jenes der primär unterhaltspflichtigen Kinder nicht nur weit, sondern - wie hier - um ein Vielfaches übersteigt. Der Beklagte verdient mit S 180.000,- netto etwa dreimal soviel wie alle drei Kinder zusammen, die überdies - im Gegensatz zum Beklagten - noch mehrere Sorgepflichten treffen. Auch verfügt der Beklagte über unbewegliches Vermögen, das - selbst unter Zugrundelegung der von ihm begehrten weiteren Feststellungen - in etwa doppelt so groß ist, als das der Kinder zusammen. In einem solchen Ausnahmefall ist aus § 68 EheG, mit Zankl (in Schwimann, Komm ABGB Rz 5 ff zu § 68 EheG) zu folgern, daß die Alimentationspflicht des geschiedenen Gatten aus Billigkeitserwägungen nicht - oder nicht ausschließlich - subsidiär ist.

Der Höhe nach schulden die Kinder ihrer nicht selbsterhaltungsfähigen Mutter grundsätzlich Unterhalt unter Berücksichtigung ihrer (der Kinder) Lebensverhältnisse, soweit sie dadurch bei Berücksichtigung der sonstigen Sorgepflichten ihren eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährden (§ 71 Abs 1 letzter Satz EheG iVm § 143 Abs 1 und Abs 3 ABGB). Die Höhe des Anspruches richtet sich daher grundsätzlich nach den Lebensverhältnissen der Kinder und nicht des selbsterhaltungsunfähigen Elternteils (Pichler in Rummel ABGB Rz 3 zu § 143 ABGB; Zankl aaO Rz 3 zu § 71 EheG; Schlemmer in Schwimann Rz 3 zu § 143 ABGB).

Aus § 68 EheG ergibt sich hinsichtlich der Höhe des dem nicht selbsterhaltungsfähigen Gatten zuzubilligenden Beitrages nur, daß es sich eben um einen Beitrag handelt und er sich somit deutlich von einer Unterhaltsleistung, wie sie nach § 66 EheG zu leisten wäre, unterscheiden muß. Es darf sich nur um einen "relativ bescheidenen Beitrag" handeln, der den Gegebenheiten des Falles anzupassen ist. Er kann - wie in vielen entschiedenen Fällen, in denen der geschiedene Gatte selbst über ein relativ geringes Einkommen verfügte -, auch unter dem Existenzminimum liegen; er kann aber auch - weil es eben ein Billigkeitsunterhalt ist - über diesem liegen und somit - entgegen der Meinung des Revisionswerbers - auch die Höhe des Richtsatzes der Ausgleichszulage überschreiten, wenn dies nach den Gegebenenheiten des Falles, nämlich des exorbitant hohen Einkommens des geschiedenen Ehegatten, der Billigkeit entspricht, weil es sich bei diesem Beitrag immer noch um einen "relativ bescheidenen Teil" des dem geschiedenen Gatten nach § 66 EheG zuzusprechenden Unterhalts handeln würde. § 68 EheG ist nur aus der der Ehe nachwirkenden gegenseitigen Sorge- und Beistandspflicht zu erklären. Ihr entspricht es nicht, der aus gleichteiligem Verschulden geschiedenen, vermögenslosen und nicht selbsterhaltungsfähigen Gattin bei einem ganz besonderen Wohlstand des geschiedenen Gatten nur den allernotwendigsten Lebensunterhalt (existenzsichernden Sockelbetrag) zuzubilligen; diese Ansicht vertretenden Entscheidungen von unterinstanzlichen Gerichten kann bei den vorliegenden Einkommensverhältnissen des Beklagten nicht gefolgt werden.

Zu prüfen bleibt noch, ob es der Billigkeit entspricht, diesen Betrag dem im Verhältnis zu den Kindern ganz wesentlich vermögenderen geschiedenen Ehegatten zur Gänze anzulasten, oder ob auch die Kinder als Ausfluß ihrer an sich primären Unterhaltspflicht einen Teil zu tragen haben. Auch dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Im vorliegenden Fall könnten die Kinder zusammen (- und tun dies insbesondere durch Gewährung von Quartier und Kost auch -) ihrer Mutter Unterhaltsleistungen jedenfalls in der notwendigen Mindesthöhe (oder auch etwas darüber) erbringen, ohne ihren eigenen angemessenen Unterhalt und den der Personen, für die sie sorgepflichtig sind, zu gefährden. Der Beklagte kann dies allerdings wesentlich leichter und ohne jegliche Einschränkung seinerseits. In diesem Fall scheint es dem Obersten Gerichtshof mit dem Berufungsgericht billig, den Beklagten zur Leistung nur eines Teiles des begehrten Unterhaltes zu verpflichten, weil die primär haftenden Kinder jedenfalls den unbedingt notwendigen Unterhalt gewähren könnten und nur wegen des angestellten Einkommens- und Vermögensvergleichs mit dem Beklagten privilegiert sind. Die Entscheidung des Berufungsgerichts - Zuspruch nur der Hälfte des begehrten Betrages - ist daher zu billigen.

Zu den weiteren Einwänden des Beklagten ist noch zu bemerken:

Nach § 68 EheG kann es nur darauf ankommen, ob die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden wurde, aber nicht ausgesprochen wurde, daß einen Teil das überwiegende Verschulden trifft; es geht nicht an, im Unterhaltsverfahren nochmals die Frage des Verschuldens aufzurollen und zu prüfen, ob nicht den unterhaltsbegehrenden Ehegatten doch ein etwas größerer Vorwurf am Scheitern der Ehe zu machen ist. Hat dieser Unterschied nicht dazu ausgereicht, daß er spruchmäßig seinen Niederschlag in einem überwiegenden Verschuldensausspruch gefunden hat, hat es auch für die Frage des Unterhalts beim gleichteiligen Verschulden zu bleiben.

Der Beklagte argumentiert, der Klägerin könne schon deshalb kein höherer als der existenzsichernde Mindestunterhalt S 7.000,- bis S 8.000,- (- er denkt offenbar hier an einen Betrag in der Höhe des Richtsatzes der Ausgleichszulage -) zuerkannt werden, weil sie mit diesem Betrag auch das Auslangen finden müßte, wenn sie ein eigenes Einkommen oder eigene Pensionsleistungen in dieser Höhe erhielte; sie wäre nämlich dann als selbsterhaltungsfähig anzusehen, und damit nach § 68 EheG ein Billigkeitsunterhalt ausgeschlossen; es könne nicht rechtens sein, daß ihr dann, wenn sie über kein eigenes Einkommen verfüge, ein höherer Anspruch zustehe.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Selbsterhaltungsfähigkeit kein absoluter, sondern ein dehnbarer Begriff ist. Die Klägerin, die bis zu ihrer Scheidung auf Grund des unverhältnismäßig hohen Einkommens des Beklagten und seines sonstigen Millionenvermögens einen Lebensstandard weit über den bescheidenen Verhältnissen einer Ausgleichsrentnerin hatte, kann, auch wenn ihr - etwa aus einer Weiterversicherung - solche bescheidene eigene Pensionsansprüche zustünden, nicht auf diese beschränkt und damit als selbsterhaltungsfähig angesehen werden. Sie wäre bei einem plötzlich so geringen Einkommen gehalten, ihre gesamten bisherigen Lebensumstände radikal zu verändern und zB genötigt, aus ihrem bisherigen oder einem vergleichbarem Heim in eine Substandardwohnung oder in ein Untermietzimmer zu ziehen. Zu so einer derart gravierenden Veränderung ihres Lebens wäre sie voraussichtlich kaum in der Lage und daher - im Hinblick auf ihre früheren Lebensverhältnisse - auch mit so geringen Einkünften nur äußerst schwer im Stande zu leben, sodaß ihre - insofern subjektiv zu sehende - Selbsterhaltungsfähigkeit zu verneinen wäre. Auch wenn sie durch die Scheidung aus gleichteiligem Verschulden ihren Anspruch verloren hat, an den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des geschiedenen Gatten angemessen zu partizipieren, widerspricht es eben der Billigkeit, sie auf mehr als bescheidene Einkünfte zu beschränken. Auch in einem solchen, hier nicht vorliegenden Fall, der nur zur Entkräftung des Einwandes des Beklagten zu erörtern ist, müßte der Klägerin unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihres geschiedenen Gatten, der schließlich das Scheitern der Ehe im selben Ausmaß mitverschuldet hat, nach § 68 EheG aus Billigkeitsgründen ein relativ bescheidener Unterhaltsbeitrag, wenn auch ein noch geringerer als einer völlig einkommens- und vermögenslosen Gattin zugebilligt werden. Es widerspräche den schon erwähnten Nachwirkungen der ehelichen Sorge- und Beistandspflicht, wollte man die geschiedene Gattin in einem solchen Fall auf ein Einkommen in der Höhe des Richtsatzes der Ausgleichszulage verweisen.

2.) Die Klägerin ist mit ihrer Revision auf die Ausführungen zur Revision des Beklagten zu verweisen; aus ihnen ergibt sich, daß ihren Kindern ein Beitrag ihrem Unterhalt ohne Gefährdung des eigenen Unterhalts zugemutet werden kann, so daß es der Billigkeit entspricht, daß es teilweise bei der gesetzlich vorgesehenen primären Unterhaltspflicht der Kinder verbleibt und ihr der geschiedene Gatte nur den Restbetrag zu gewähren hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO; beide Revisionen mit gleichem Streitwert blieben erfolglos, die Kosten der Revisionsbeantwortungen waren daher gegenseitig aufzuheben.

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