OGH 11Os174/93

OGH11Os174/9326.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. November 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager und Dr. Schindler als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wimmer als Schriftführer in der bei dem Landesgericht St. Pölten zum AZ 13 Vr 595/92 anhängigen Strafsache gegen Harry Franz K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Harry Franz K***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien, vom 15. Oktober 1993, GZ 13 Vr 535/93-127, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Harry Franz K***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Begründung

Gegen Harry Franz K***** ist beim Landesgericht St. Pölten ein Strafverfahren wegen des Verdachtes des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB anhängig.

Nach dem Inhalt der zufolge Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 15. Oktober 1993, AZ 25 Bs 428, 429/93 (GZ 13 Vr 535/92-127 des Landesgerichtes St. Pölten) rechtskräftigen Anklageschrift liegt (unter anderem) Harry Franz K***** zur Last, Bernd H***** in der Zeit von April bis zum 18. Juni 1981 in St. Pölten durch Vortäuschung einer gewinnbringenden Geschäftsbeteiligung zur Gewährung eines Darlehens von 2 Mio S (Schaden: 1,819.503,89 S), am 22. August 1991 in Wien-Auhof durch die wahrheitswidrige Behauptung einer Geschäftsbeteiligung mit hoher Gewinnausschüttung nach cirka vier Wochen zur Übergabe eines Bargeldbetrages von 252.500 US-Dollar (Schaden: 3,215.875 S) und ihn im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Klaus Rützinger am 12. September 1991 in St. Pölten durch die wahrheitswidrige Behauptung der Beteiligung an einem gewinnbringenden Devisengeschäft zur Übergabe eines Bargeldbetrages von 414.000 US-Dollar (Schaden ca 5,058.850 S) verleitet zu haben.

Harry Franz K***** befand sich ursprünglich ab dem 4. Juni 1992 in Untersuchungshaft, die mit 1. Oktober 1992 zur Verbüßung einer 20-monatigen Freiheitsstrafe auf Grund des Urteils des Landesgerichtes Eisenstadt vom 3. März 1992, GZ 8 E Vr 755/91-41 - unter Anrechnung der im genannten und im gegenständlichen Verfahren erlittenen Vorhaft vom 28. September 1991 bis zum 3. März 1992 und vom 2. Juni 1992 bis zum 16. September 1992 - unterbrochen wurde. Mit Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten vom 13. September 1993, GZ 13 Vr 595/92-98, wurde über Harry Franz K*****gemäß dem § 180 Abs 1 Z 1 und Z 3 lit b StPO die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr und der Gefahr der neuerlichen Tatbegehung, beginnend mit 14. September 1993, 19.55 Uhr (also im Anschluß an den Strafvollzug) neuerlich verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluß entschied das Oberlandesgericht Wien über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den seine Enthaftung ablehnenden Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes St. Pölten vom 22. September 1993 (ON 109) der Sache nach abschlägig, indem es anläßlich der Behandlung des Anklageeinspruchs des Beschuldigten (§ 214 Abs 2 StPO) der Anklage Folge gab und die Fortsetzung der über ihn verhängten Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und lit b StPO anordnete.

Das wesentliche Argument der dagegen rechtzeitig erhobenen Grundrechtsbeschwerde, wonach zufolge der damit verbundenen Abweichungen vom Vollzug der Strafhaft die Zeit der in Unterbrechung der Untersuchungshaft gemäß dem § 180 Abs 4 StPO verbüßten Strafhaft bei der Frage der Zulässigkeit der Dauer der Untersuchungshaft mitzuberücksichtigen sei, trifft - wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach erkannt hat (siehe 14 Os 95/93, 14 Os 133/93 uam) - nicht zu. Da unter den Voraussetzungen des § 180 Abs 4 StPO die Untersuchungshaft, die (ua) nicht verhängt oder aufrecht erhalten werden darf, wenn die Haftzwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaft erreicht werden können, aufzuheben ist (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 12, Foregger-Serini-Kodek5 Anm III jeweils zu § 180 StPO), sodaß ab ihrer Aufhebung keine Untersuchungshaft vorliegt, fehlt es in diesen Fällen ab Einleitung des Strafvollzuges (oder der Verhängung der Haft anderer Art) an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Fristbestimmung des § 193 StPO. Es begann daher vorliegend die aktuelle (sechsmonatige) Haftfrist erst nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe, also mit 14. September 1993 zu laufen. Auch die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang am Rande angeführte Problematik der nachträglichen Verurteilung nach dem § 31 Abs 1 StGB vermag an dem Charakter dieser Strafhaft nichts zu ändern, weswegen allen auf dieser unzutreffenden Prämisse des Fortbestandes des Untersuchungshaft aufbauenden Argumenten der Beschwerde, so nämlich dem behaupteten Verstoß gegen die Verpflichtung sämtlicher am Strafverfahren beteiligter Behörden, darauf hinzuwirken, daß die Haft so kurz wie möglich dauere (§ 193 Abs 1 StPO), der behaupteten Überschreitung der Zulässigkeit der Dauer der Untersuchungshaft (§ 193 Abs 3 StPO), aber auch dem Problem der Verhältnismäßigkeit gemäß dem § 193 Abs 2 StPO der Boden entzogen ist.

Den das Vorliegen eines dringenden Tatverdachtes bestreitenden Einwendungen genügt es zu erwidern, daß dieser Verdacht in der Vorentscheidung der Ratskammer manifestiert und vom Oberlandesgericht Wien im angefochtenen Beschluß mit bezug auf die Verantwortung der beiden Angeklagten ausreichend begründet wurde. Auch nach der vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Prüfung im Lichte der in der Anklageschrift (auf Grund der Ergebnisse des Vorverfahrens) angeführten Umstände vermögen die von der Beschwerde vorgetragenen, nicht näher substantiierten Argumente den im § 180 Abs 1 StPO verlangten höheren Grad an Wahrscheinlichkeit, daß der Beschwerdeführer die ihm angelasteten Straftaten begangen habe, angesichts der belastenden Angaben des Bernd H***** nicht zu entkräften. Die Beurteilung der von der Beschwerde in Frage gestellten Glaubwürdigkeit der Aussage dieses Zeugen muß aber zufolge der Prozeßgrundsätze der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit dem erkennenden Gericht vorbehalten bleiben.

Die Ausführungen des Oberlandesgerichtes Wien zum Vorliegen des Haftgrundes der Gefahr der neuerlichen Tatbegehung stellen mit dem Hinweis auf das Vorleben des Angeklagten und die ihm im gegenständlichen Verfahren zur Last liegenden wiederholten gleichartigen strafbaren Handlungen mit Schadensbeträgen von mehreren Millionen Schilling auch jene bestimmten Tatsachen dar, die auf die akute Gefahr abermaliger Begehung derartiger Vermögensstraftaten hinweisen; Umstände also, die in ihrer Gesamtheit eine ausreichende Grundlage für den in Rede stehenden Haftgrund bilden und im Sinn der diesbezüglichen Ausführungen des Oberlandesgerichtes Wien auch eine Abwendung der Haft durch gelindere Mittel nicht möglich machen, weil dadurch - im Gegensatz zur Beschwerdeauffassung - die Haftzwecke nicht sichergestellt werden könnten. Da demnach der Haftgrund der Gefahr der neuerlichen Tatbegehung im angefochtenen Beschluß mit Recht bejaht wurde, bedurfte es keiner Prüfung des weiters angenommenen Haftgrundes der Fluchtgefahr. Unter Zugrundelegung der - ausgehend von der Anklageschrift - aktuellen Strafdrohung (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) sind bei der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft Überlegungen zur Frage der Verhältnismäßigkeit gemäß dem § 193 Abs 2 StPO noch nicht nahegelegt.

Da sohin durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien keine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit des Beschwerdeführers stattgefunden hat (§ 2 Abs 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten zu unterbleiben.

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