Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Beschluß zu lauten hat:
"Die Unterbringung der Maria H***** in der II.psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg in der Zeit vom 28.4.1993 bis 1.6.1993 war unzulässig."
Text
Begründung
Maria H***** wurde mit Bechluß vom 5.9.1972 wegen Geisteskrankheit beschränkt entmündigt; ihr ist derzeit eine Sachwalterin im Umfang des § 273 Abs 3 Z 3 ABGB bestellt. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 26.4.1993, 20 SW 76/87-212, wurde (von Amts wegen) Primarius Dr.Ernst Rainer (Vorstand der II. psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg) zum Kollisionskurator der Betroffenen bestellt, weil die Sachwalterin einer Zwangsbehandlung der Betroffenen nicht zugestimmt hatte. Der Kollisionskurator wurde ermächtigt, seine Zustimmung zu den für die Betroffene zur Behandlung ihrer psychischen Erkrankung notwendigen medikamentösen Behandlung, insbesondere zu Haldoldepot-Injektionen, welche erforderlichenfalls auch gegen den Willen der Betroffenen zu verabreichen sind, dem jeweils behandelnden Arzt zu erteilen. (Ergänzend dazu hielt das Rekursgericht fest, dieser Beschluß stelle fest, daß von dieser Regelung auch weiterhin jene Heilbehandlungen ausgenommen bleiben, die nach den bestehenden Bestimmungen - insbesondere bei Verzugsgefahr - auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorgenommen werden könnten, sowie jene Heilbehandlungen, die nach dem Unterbringungsgesetz in die Kompetenz des dafür zuständigen Richters fallen. Festgestellt wurde weiters, daß der dem Kollisionskurator übertragene Wirkungsbereich aus dem der Sachwalterin ausscheidet.)
Maria H***** wurde am 28.4.1993 (zufolge Einweisung durch den zuständigen Sprengelarzt) mit der Diagnose "paranoide Psychose mit Aggressionstendenz" wegen Selbst- und Fremdgefährlichkeit auf der II. psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg aufgenommen, nachdem der Kollisionskurator die Zustimmung zur Zwangsbehandlung erteilt hatte. Das erste fachärztliche Zeugnis weist darauf hin, daß die Patientin bereits häufig, zuletzt vom 6.3. bis 12.3.1992 wegen paranoider Psychose stationär aufgenommen worden sei. Auch das zweite fachärztliche Zeugnis vom 28.4.1993 geht von der Diagnose "paranoide Psychose" aus, bezeichnet die Kranke als hochgradig agitiert und aufgebracht und stellt paranoide Gedankeninhalte fest. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 3.5.1993, 35 Ub 182/93-2, wurde die Unterbringung der Maria H***** vorläufig für zulässig erklärt. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 22 UbG erklärte das Erstgericht mit Beschluß vom 12.5.1993 (ON 6 dA) die Unterbringung der Maria H***** für die Dauer von 5 Wochen, daher bis spätestens 2.6.1993, für zulässig. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Maria H***** leidet seit vielen Jahren an einer paranoiden Psychose, verbunden mit Realitätsverkennungen und wahnhaften Verfolgungsängsten. Diese bedingen ein zum Teil für die Umwelt der Patientin nur schwer zu ertragendes Verhalten. Sie wird zeitweise sehr laut und richtet verbale Attacken gegen Heimmitbewohner. Tätliche Aggressionsakte sind nicht feststellbar. Seit 1991 erfolgten auf Veranlassung des Pensionistenheimes durch den zuständigen Sprengelarzt insgesamt drei Einweisungen der Patientin in die Landesnervenklinik Salzburg. Massive paranoide Vorstellungen und Beeinträchtigungsideen führten dazu, daß Maria H***** zunehmend aggressiv und laut geworden war, sodaß Mitbewohner sich ängstigten. Die Kranke erhielt Anfang März 1992 eine Haldoldepot-Injektion; sie ist seither unbehandelt, da sie jede weitere Medikation verweigerte.
In seiner rechtlichen Beurteilung erachtete das Erstgericht bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung zwar keine Fremdgefährdung als gegeben, wohl aber bei Unterbleiben einer Behandlung eine ernste Gefahr für die eigene Gesundheit. Wenn auch der Umstand, daß die Patientin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung den Heimplatz verlieren könnte, für sich gesehen einen Unterbringungsgrund nicht darstellen könne, stelle jedoch der Verlust des sozialen Status, wie er durch den Heimplatz zum Ausdruck komme, und der damit einhergehende Verlust an Lebensqualität und persönlicher Freiheit (nämlich durch Unterbringung in einer anderen, engeren und restriktiveren Institution) insgesamt eine erhebliche Gesundheitsverschlechterung dar. Da mit der Gesundheitsverschlechterung in absehbarer Zeit zu rechnen sei, sei auch die Ernstlichkeit der Gesundheitsgefährdung gegeben. Ein Fall des § 3 Z 2 UbG sei nicht gegeben, da der Sachverständige dargelegt habe, daß es zunächst einer stabilen medikamentösen Einstellung der Patientin bedürfe, um in der Folge außerhalb des Unterbringungsrahmens die medizinische Betreuung der Patientin gewährleisten zu können.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom Patientenanwalt gegen diesen Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Vor Eingehen in die im Rekurs des Patientenanwaltes in der Sache selbst, also hinsichtlich der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen der Unterbringung gemäß § 3 UbG ausgeführten Rechtsrüge, nahm das Rekursgericht zu der im Rekurs auch relevierten Frage der Vertretung der Kranken im erstinstanzlichen Verfahren Stellung wie folgt:
Gemäß § 14 Abs 1 UbG sei mit Aufnahme der ohne Verlangen untergebrachten Maria H***** der Patientenanwalt kraft Gesetzes deren Vertreter für das im Unterbringungsgesetz vorgesehene gerichtliche Verfahren und zur Wahrnehmung der insbesondere in den §§ 33 bis 39 UbG verankerten Rechte geworden. Dieses Vertretungsverhältnis entstehe unabhängig davon, ob der Kranke einen gesetzlichen Vertreter (zB Sachwalter) habe. Durch die Stellung des Patientenanwaltes als Vertreter des Kranken werde jedoch die Vertretungsbefugnis sonstiger Vertreter, wie etwa des Sachwalters, nicht ausgeschlossen (Kopetzki, Unterbringungsgesetz, Rz 277; RZ 1992/68). Hauptaufgabe des Patientenanwaltes sei im zu beurteilenden Fall daher die Vertretung der Maria H***** im Unterbringungsverfahren. Seine Stellung schließe die Vertretung der Kranken durch die dem Verfahren ebenfalls beigezogene Sachwalterin nicht aus. Festzustellen sei, daß der Wirkungsbereich der Sachwalterin mit dem im Zeitraum des erstinstanzlichen Verfahrens noch nicht rechtskräftigen, jedoch rechtswirksamen (§ 12 AußStrG) Beschluß vom 26.4.1993, 20 Sw 76/87-212, insoweit eingeschränkt worden sei, als es dem Kollisionskurator Primar Dr.Ernst Rainer obliege, zu veranlassen, daß - vom jeweils behandelnden Arzt der Betroffenen - seine Zustimmung zu den für die Betroffene zur Behandlung ihrer psychischen Erkrankung notwendigen medikamentösen Behandlungen, insbesondere zu Haldoldepot-Injektionen, welche erforderlichenfalls auch gegen den Willen der Betroffenen zu verabreichen seien, eingeholt werde. Die Vertretung der Kranken im Unterbringungsverfahren an sich falle daher nicht in den Wirkungsbereich des Kollisionskurators. Die Kranke sei im erstinstanzlichen Verfahren daher dem Gesetze gemäß vertreten gewesen, indem das Erstgericht dem Verfahren sowohl den Patientenanwalt als auch die Sachwalterin beigezogen habe.
Bei Beurteilung der im Rekursverfahren in der Sache selbst relevierten Frage des Vorliegens der vom Erstgericht angenommenen Selbstgefährdung im Sinne des § 3 Z 1 UbG ging das Rekursgericht davon aus, daß nach herrschender Ansicht im Falle einer Selbstgefährdung das eigene Leben oder die eigene Gesundheit bedroht sein müsse. Eine Unterbringung psychisch Kranker wegen bloßer Behandlungsbedürftigkeit oder Verwahrlosungsgefahr sei daher ebensowenig zulässig, wie eine Unterbringung als "Maßnahme der Fürsorge". Einer solchen Ausweitung der Unterbringungsvoraussetzungen stehe das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl Nr 684/1988, entgegen, das die Zulässigkeit einer Einschränkung der persönlichen Freiheit von einer mit der psychischen Krankheit verbundenen Gefahr abhängig mache. Im Falle eines Kranken, der zwar dringend eine angemessene Behandlung und Betreuung benötige, sich jedoch nicht selbst gefährde, seien daher die Unterbringungsvoraussetzungen jedenfalls nicht gegeben. Die Behandlungsbedürftigkeit könne eine Unterbringung erst dann rechtfertigen, wenn sie zu einer besonders schwerwiegenden und ernstlichen Gefährdung der Gesundheit führe (Feil, Unterbringungsgesetz, 45 ff; Kopetzki, Unterbringungsgesetz, Rz 63 ff). Bei dieser Rechtslage sei - dem Erstgericht folgend - im Falle der Maria H***** aus nachstehenden Erwägungen vom Vorliegen einer Selbstgefährung auszugehen:
Der psychisch kranken Maria H***** habe es bislang ermöglicht werden können, in einem Pensionistenheim im Kreise psychisch weitgehend nicht beeinträchtigter Personen zu leben. Naturgemäß verfüge das Personal eines Pensionistenheimes nicht über Ausbildung und Erfahrungen im Umgang mit psychisch kranken Menschen. Soweit der Rekurswerber einen Zusammenhang zwischen der der Patientin gegenüber gegebenen Toleranzschwelle im Heim und der Annahme deren Selbstgefährdung als gegeben sehe, dürfe jedenfalls nicht übersehen werden, daß bei Beantwortung der Frage, ob ein Verbleib der psychisch kranken Maria H***** in der engen Gemeinschaft des Pensionistenheimes vertretbar sei, die Interessen der Mitbewohner nicht unberücksichtigt bleiben könnten. Dem Erstgericht sei zu folgen, daß es gelte, der Patientin die Möglichkeit eines Weiterverbleibes im Heim, in ihrem gewohnten sozialen Umfeld, zu sichern, um eine Dauerunterbringung in einer einem psychiatrischen Krankenhaus ähnlichen Struktur zu vermeiden. Wenn auch der Patientenanwalt die Ansicht vertrete, es stelle sich bei Maria H***** im Falle des Unterbleibens der Unterbringung lediglich die Frage der Krisenintervention und Betreuung, nicht aber die der Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt, so seien auch von Seiten des Rekurswerbers konkrete Darlegungen zu den konkreten Betreuungs- und Kriseninterventionsmöglichkeiten im Rahmen eines Pensionistenheimes unterblieben (Kopetzki, Unterbringungsgesetz, Rz 80). Jedenfalls sei davon auszugehen, daß die Betreuung psychisch Kranker eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung erfordere, die vom Personal eines Pensionistenheimes nicht erwartet werden könne. Je weniger die Betreuung der Maria H***** in der ihr gewohnten Umgebung, bedingt durch ihre psychische Erkrankung, sichergestellt werden könne, desto eher werde mit einer anderweitigen geeigneten Unterbringung und damit dem Verlust des gegebenen sozialen Umfeldes zu rechnen sein. Der Sachverständige Dr.Peter Schiner habe überzeugend ausgeführt, daß sich im Falle des Unterbleibens der Therapie das Zustandsbild der Patientin sicherlich massiv verschlechtern würde, das erlebte Wahnsystem qualvoll und die Verfolgungsängste größer werden und damit einhergehend die Toleranz der Patientin ihrer Umwelt gegenüber wie auch der Umwelt ihr gegenüber immer gering werden würde. Der Sachverständige bezeichne die Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Falle des Unterbleibens der Therapie als eindeutig absehbar. Damit liege auch das Erfordernis der Ernstlichkeit im Sinne des § 3 UbG vor, womit ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes angesprochen werde. Die Gefährdung der Patientin sei zudem auch erheblich, da es zum einen darum gehe, der Patientin im Wege entsprechender Therapie das qualvolle Erleben ihres Wahnsystems zu erleichtern, zum anderen darum, ihren Verbleib innerhalb ihres gewohnten sozialen Umfeldes zu sichern. In die Entscheidungsgrundlagen sei miteinzubeziehen gewesen, daß sich bei der Patientin eine stabile medikamentöse Einstellung erreichen lassen könne, die zwar die paranoide Symptomatik kaum beseitigen werde, jedoch zu einer gewissen Distanzierung, einer wesentlichen Besserung der inneren Unruhe, der Getriebenheit und des sozialen Verhaltens führen könnte. Dem Erstgericht sei letztlich dahingehend zu folgen, daß von einer Unterbringung der Maria H***** auch in Anwendung des Subsidiaritätsgrundastzes des § 3 Z 2 UbG nicht habe abgesehen werden können. Dem Sachverständigen Dr.Peter Schiner folgend sei davon auszugehen, daß die Patientin in ihrer Krankheitsuneinsichtigkeit jegliche Behandlung ablehne, sodaß deren Behandlung und Betreuung außerhalb der Anstalt bzw im offenen Bereich der Anstalt zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung nicht habe erwogen werden können.
Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Rekursgericht mit dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Behandlungsbedürftigkeit die Unterbringung rechtfertigen könne.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Patientenanwaltes mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Unzulässigerklärung der Unterbringung abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Vorweg ist festzuhalten, daß es im vorliegenden Verfahren allein um die Frage der Zulässigkeit der Anhaltung der Patientin in der Zeit vom 28.4.1993 bis 1.6.1993 geht, und nicht um die Zulässigkeit einer Heilbehandlung in dieser Zeit. Auf die im Revisionsrekurs letztlich auch angemeldeten Bedenken gegen die Bestellung des Vorstandes der II. psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Salzburg zum Kollisionskurator war daher nicht einzugehen.
In der Sache selbst bekämpft der Patientenanwalt die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen für die Unterbringung der Patientin im Sinne des § 3 Z 1 und 2 UbG wegen einer von der Krankheit ausgehenden ernstlichen und erheblichen Gefährdung der Gesundheit der Patientin für den Fall des Unterbleibens einer Behandlung in einer geschlossenen Anstalt durch die Vorinstanzen. Der Revisionsrekurswerber verweist vorerst auf den Ausschußbericht (1202 BlgNR 17.GP 5 zu § 3 UbG bzw § 2 RV) zur Auslegung des Begriffes der "Gefährdung", wonach - aus verfassungsrechtlichen Gründen - die Unterbringung wegen einer bloßen "Behandlungsbedürftigkeit" sowie als "Maßnahme der Fürsorge" nicht zulässig sein solle, und auf mehrere dazu ergangene rekursgerichtliche Entscheidungen. Darüber hinaus habe der Oberste Gerichtshof sich auch mit der Frage der ausnahmsweisen Zulässigkeit der Unterbringung wegen Behandlungsbedürftigkeit zur Verhinderung einer besonders schweren und ernstlichen Gefährdung der Gesundheit befaßt (2 Ob 542/92; 2 Ob 600/92 und 7 Ob 610/91). Aus diesen Entscheidungen ergebe sich, daß im vorliegenden Fall die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung der Patientin nicht gegeben gewesen seien. Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß gemäß § 3 UbG in einer Anstalt nur untergebracht werden darf, wer 1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet, und 2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.
Das Vorliegen einer psychischen Krankheit sowie das Fehlen der Fremdgefährdung infolge dieser Krankheit ist im vorliegenden Fall nicht strittig.
Bei den bedrohten Rechtsgütern im Sinne des § 3 Z 1 UbG muß es sich um das Leben oder die Gesundheit handeln. Es entspricht der Lehre und Rechtsprechung, daß die Unterbringung psychisch Kranker wegen "bloßer Behandlungsbedürftigkeit oder Verwahrlosungsgefahr" ebensowenig zulässig ist wie eine Unterbringung als "Maßnahme der Fürsorge". Die Behandlungsbedürftigkeit kann aber eine Unterbringung dann rechtfertigen, wenn das Unterbleiben einer Behandlung zu einer "besonders schweren und ernstlichen Gefährdung der Gesundheit" führt (Kopetzki, UbG, Rz 63; 2 Ob 542/92; 2 Ob 600/92; 7 Ob 610/91).
Das Erstgericht erblickte die für den Fall des Unterbleibens einer Behandlung gegebene ernste Gefahr für die eigene Gesundheit der Patientin in dem befürchteten Verlust des sozialen Status der Patientin, wie er durch den Heimplatz zum Ausdruck komme und in dem damit einhergehenden Verlust an Lebensqualität und persönlicher Freiheit. Das Gericht zweiter Instanz leitete die Annahme einer besonders schweren und ernstlichen Gefährdung der Gesundheit der Patientin aus dem Umstand ab, daß sich im Fall des Unterbleibens der Therapie das Zustandsbild der Patientin massiv verschlechtern würde, das erlebte Wahnsystem qualvoll und die Befolgungsängste größer werden würden und damit die Toleranz der Patientin ihrer Umwelt gegenüber wie auch der Umwelt ihr gegenüber immer geringer werden würde. Die Gefährdung der Patientin sei zudem auch erheblich, weil es zum einen darum gehe, der Patientin im Wege entsprechender Therapie das qualvolle Erleben ihres Wahnsystems zu erleichtern, zum andern aber auch darum, ihren Verbleib innerhalb ihres gewohnten sozialen Umfelds zu sichern. Das Berufungsgericht erachtete es daher für notwendig, in die Entscheidungsgrundlage auch den Umstand einzubeziehen, daß sich bei der Patientin eine stabile medikamentöse Einstellung erreichen lassen könne, die zwar die paranoide Symptomatik kaum beseitigen werde, jedoch zu einer gewissen Distanzierung, einer wesentlichen Besserung der inneren Unruhe, der Getriebenheit und des sozialen Verhaltens führen könnte.
Beide Vorinstanzen meinten, der Patientin die Möglichkeit eines Weiterverbleibens im Heim, in ihrem gewohnten sozialen Umfeld, sichern zu müssen, um eine "Dauerunterbringung in einer einem psychiatrischen Krankenhaus ähnlichen Struktur zu vermeiden". Dieser Argumentation liegen folgende Verfahrensergebnisse zugrunde: Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige Dr.Peter Schiner erachtete es im Rahmen der von ihm erstellten Prognose dem Wohl der Patientin abträglich, wenn sie - mangels Möglichkeit, im Heim zu verbleiben - in einer "dann einem psychiatrischen Krankenhaus viel ähnlicheren Struktur" (AS 21), bzw in Einrichtungen, die enger und strenger sind und sich mehr psychiatrischen Versorgungsinstituten nähern (AS 39) untergebracht werden müßte. In der mündlichen Verhandlung vom 12.Mai 1993 erklärte Prim.Dr.Rainer, daß ein Verlust des Heimplatzes der Patientin mit einem sozialen Absturz gleichbedeutend wäre, weil sie "praktisch dann keine andere Bleibe" habe und auch das soziale Umfeld die psychische Gesundheit eines Menschen bestimme und dieser soziale Ausstieg im Zusammenhang mit der Psychose für die Patientin eine erhebliche Gesundheitsgefährdung darstellen würde (AS 31).
Eine aus diesen Umständen abgeleitete Gefährdung der Gesundheit der Patientin erfüllt aber nicht den im Gesetz normierten Gefährdungsbegriff. Denn § 3 Z 1 UbG fordert - wenngleich die Zulässigkeit der Unterbringung nach dem letztlich Gesetz gewordenen Wortlaut dieser Bestimmung zur Voraussetzung hat, daß die Selbst- oder Fremdgefährdung "im Zusammenhang" mit einer psychischen Erkrankung steht - das Vorliegen eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen der Krankheit und der drohenden Schädigung. Dies ergibt sich eindeutig aus den Gesetzesmaterialien: Nach der Regierungsvorlage (§ 2 Z 1) sollte die Aufnahme von Personen in den geschlossenen Bereich einer Krankenanstalt - so wie nach dem bisherigen § 49 Abs 1 KAG - zur Voraussetzung haben, daß sie an einer psychischen Krankheit leiden "und deshalb" ihr Leben .... gefährden. Der vom Justizausschuß im Sinne des nunmehrigen Wortlautes des § 3 Z 1 UbG vorgenommenen textlichen Änderung lag die Befürchtung zugrunde, die Regierungsvorlage ("und deshalb") könnte zu der - unrichtigen - Auslegung verleiten, das Gsetz gehe davon aus, daß eine psychische Erkrankung regelmäßig zu einer Gefährdung des Kranken oder seiner Umwelt führe. Der Justizausschuß wollte daher verdeutlichen, daß es auf den im Einzelfall gegebenen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der dadurch verursachten Gefahr ankommt (AB 1202 BlgNR 17.GP 5 Sp 1 zu § 3 UbG bzw § 2 RV). Daraus folgt, daß der Justizausschuß nicht die Absicht hatte, mit der vorgeschlagenen textlichen Änderung das in der Regierungsvorlage vorgesehene Erfordernis eines direkten Zusammenhanges zwischen Krankheit und Schädigung (RV 464 BlgNR 17.GP 20, Erl zum bes. Teil zu § 2 Z 1) zu beseitigen (vgl Kopetzki, aaO, Rz 69 zu § 3 UbG). Dem entsprechend hat der Oberste Gerichtshof auch schon zum Ausdruck gebracht, daß die Schädigung direkt aus der Krankheit drohen muß und daß es auf den im Einzelfall gegebenen Zusammenhang zwischen Erkrankung und der damit verbundenen Gefahr ankommt (7 Ob 610/91; 4 Ob 513, 514/93). Muß somit die Gesundheitsgefährdung der Patientin unmittelbar aus der Krankheit drohen, so läßt sich die Gefahr, die sich aus dem infolge ihres krankheitsbedingten Verhaltens befürchteten Verlust ihres sozialen Umfeldes ergeben könnte, als jedenfalls bloß indirekte Folge der Krankheit nicht unter den Gefährdungsbegriff des § 3 Z 1 UbG subsumieren. Es ist daher nicht möglich, der Patientin den Verbleib innerhalb ihres gewohnten sozialen Umfeldes im Wege einer im Rahmen der Unterbringung gemäß § 3 UbG vorzunehmenden Behandlung zu sichern.
Insoweit die Vorisntanzen die Gefährdung der Patientin aus dem Bestreben abzuleiten versuchen, der Patientin durch eine entsprechende Therapie das qualvolle Erleben ihres Wahnsystems zu erleichtern, übersehen sie, daß jener Zustand, der durch das unbehandelte Fortbestehen der psychischen Erkrankung eintritt, für sich genommen keine hinreichende "Selbstgefährdung" iS des § 3 UbG darstellt (Kopetzki, aaO, Rz 64; 2 Ob 542/92).
Die von den Vorinstanzen festgestellte Behandlungsbedürftigkeit der Patientin rechtfertigte daher nicht die Unterbringung der Patientin in der II.psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg. Damit erweist sich aber der Revisionsrekurs als berechtigt, weshalb ihm Folge gegeben werden mußte und die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne der Feststellung der Unzulässigkeit der tatsächlich vorgenommenen Unterbringung abzuändern waren, zumal auch noch nach Beendigung einer vorgenommenen Anhaltung - die Unterbringung der Patientin wurde mit 1.6.1993 aufgehoben - ein rechtliches Interesse an der Feststellung besteht, ob die Unterbringung zu Recht erfolgt ist (EvBl 1993/33 uva).
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