OGH 8Ob635/93

OGH8Ob635/9318.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der H***** H*****, wegen Bestellung eines einstweiligen Sachwalters infolge außerordentlichen Rekurses der Betroffenen, angeblich vertreten durch ihren Neffen E***** E*****, dieser vertreten durch Dr.Roland Gabl und Dr.Josef Kogler, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 13.Mai 1993, GZ 18 R 287/93-21, mit dem der Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Lembach vom 10. Februar 1993, GZ SW 7/92-13, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die Durchführung eines Verfahrens zum Zwecke des Versuches der Beseitigung des Vertretungsmangels im Sinn der §§ 6, 7 ZPO aufgetragen.

Text

Begründung

Die Schwester und die ehemalige Nachbarin regten am 29.9.1992 die Bestellung eines Sachwalters für H***** H***** an, weil diese seit Mai 1992 sehr verkalkt sei und daher die Gefahr einer Veräußerung von Vermögensteilen, insbesondere eines Hauses in Niederkappl bestehe. Bei der Erstanhörung gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, daß das Sachwalterschaftsverfahren fortzusetzen sei, weil die Betroffene nicht in der Lage sei, Rechtsgeschäfte abzuwickeln bzw. entsprechende rechtserzeugende Willenserklärungen abzugeben.

Mit Beschluß vom 17.10.1992 wurde die ehemalige Nachbarin zum Verfahrenssachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG und auch zum einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs 2 AußStrG für alle Rechtsgeschäfte der Betroffenen bestellt.

Mit Schriftsatz vom 21.10.1992 trat der durch einen Rechtsanwalt vertretene Neffe der Betroffenen E***** E***** als ihr Vertreter auf und sprach sich im wesentlichen gegen die Bestellung eines Sachwalters aus. Der Eingabe war die Kopie einer am 21.8.1992 eigenhändig geschriebenen schwer lesbaren Vollmacht der Betroffenen für den Neffen angeschlossen, welche folgenden Wortlaut hat:

"Ich, H***** H***** will, daß sich mein Neffe E***** E***** um meine finanziellen und persönlichen Angelegenheiten sowie um mein Haus in Niederkappel 22 kümmert und ich erteile ihm den Auftrag alles so zu richten, wie er es für notwendig hält.

Die Schlüssel vom Haus soll er an sich nehmen.

Lembach am 21.8.1992.

H***** H*****"

Am 3.11.1992 beantragte die ehemalige Nachbarin, sie als einstweiligen Sachwalter zu entheben und an ihrer Stelle, einen Rechtsanwalt zu bestellen, weil die Betroffene auf Grund zu klärender Rechtsangelegenheiten hinsichtlich ihres Vermögens eines rechtskundigen Vertreters bedürfe.

Das Erstgericht entschied gemäß diesem Antrag.

Gegen diesen Beschluß richtete sich der Rekurs des Neffen als Vertreter der Betroffenen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß als nichtig bzw. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, in eventu dem Erstgericht nach Aufhebung des Beschlusses die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Das Rekursgericht wies den Rekurs als unzulässig zurück und sprach aus, daß ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Im Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters stehe das Rechtsmittel des Rekurses dem Betroffenen, seinem Vertreter und dem bestellten Sachwalter zu. Zwar sei die Rechtsmittelbefugnis des Betroffenen durch Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nicht eingeschränkt, der gegenständliche Rekurs sei aber nicht von der Betroffenen selbst, sondern von ihrem Neffen in Namen der Betroffenen erhoben worden. Die Vertretungsbefugnis des namens einer Partei Einschreitenden sei eine allgemeine Prozeßvoraussetzung, deren Fehlen bzw. Mangel in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen sei. Der Neffe sei weder gesetzlicher Vertreter noch habe er eine Bevollmächtigung im Sinne einer gewillkürten Vertretung in sinngemäßer Anwendung des § 30 Abs 1 ZPO dargetan. Die Vorlage einer bloßen Kopie einer Vollmachtsurkunde könne das formelle Erfordernis einer rechtsgültigen Bevollmächtigung nicht erfüllen. Darüber hinaus sei dem Inhalte der am 21.8.1992 abgegebenen Erklärung der Betroffenen keine Bevollmächtigung ihres Neffen zur Vertretung in einem Sachwalterschaftsverfahren zu entnehmen. Diese Ermächtigung erschöpfe sich in einer allgemeinen Betreuung bezüglich der finanziellen und persönlichen Angelegenheiten, inhaltlich liege aber weder eine Generalvollmacht noch eine Prozeßvollmacht vor, sodaß ein Verbesserungsverfahren (bloß wegen der Kopie) nicht in Betracht komme.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Rekurs der durch ihren Neffen vertretenen Betroffenen, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben, hilfsweise den Beschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und diesem die Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen. Der außerordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung der Rechtsfrage abhänge, ob eine iSd § 2 AußStrG nötige Vollmacht vorliege, wozu oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Das Außerstreitgericht hat die Vollmacht von Personen, die nicht im eigenen Namen handeln, gemäß § 2 Abs 2 Z 3 AußStrG genau zu prüfen. Die Bevollmächtigten müssen sich dem Gericht gegenüber durch eine unbedenkliche, zu diesem Geschäft ermächtigende Vollmacht ausweisen; können sie dies nicht, so begründet der Mangel Nichtigkeit des Verfahrens, soweit die nachträgliche Genehmigung durch den angeblich Vertretenen nicht zu erzielen ist; hiefür gelten die Grundsätze für die Prozeßbevollmächtigung und bei Vorliegen ihres Mangels die Vorschriften über deren Sanierbarkeit (EvBl 1975/110; 1977/150; JBl 1987, 258 ua).

Gemäß § 1008 ABGB ist ua für das Anhängigmachen von Prozessen eine besondere, auf diese Gattung der Geschäfte lautende Vollmacht erforderlich, sofern nicht ohnedies im konkreten Fall Prozeßvollmacht gemäß § 30 f ZPO erteilt wurde; eine allgemeine, wenn auch unbeschränkte Vollmacht reicht hiezu nicht aus (Stanzl in Klang2 IV/1, 812; Ehrenzweig AT 277 f; Strasser in Rummel ABGB I2 Rz 11 ff, 17 zu §§ 1006-1008; HS 10.168 ua).

Dem Rekursgericht ist zuzugestehen, daß die von der Betroffenen erteilte, im außerordentlichen Revisionsrekurs nun im Original vorgelegte, "allgemein" gefaßte Vollmacht die Gattung "Prozeßführung" nicht nennt und aus ihr auch nicht entnommen werden kann, daß die nunmehr Betroffene ihren Neffen auch als gewillkürten Vertreter im außerstreitigen Verfahren, insbesondere im nun anhängigen Sachwalterschaftsbestellungsverfahren Vollmacht erteile. Das Rekursgericht hat rechtsirrig gemeint, daß ein Verbesserungsverfahren nicht in Betracht komme.

Da, wie erwähnt, die Grundsätze der Prozeßbevollmächtigung auch für das Außerstreitverfahren gelten, muß gemäß §§ 6, 7 ZPO vorerst versucht werden, den aufgezeigten Mangel der Vollmacht zu beseitigen.

Es ist deshalb der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Klärung der Frage aufzutragen, ob die Betroffene ihren Neffen auch mit der Vertretung im Sachwalterschaftsbestellungsverfahren nach § 238 Abs 1 AußStrG betrauen will (zur Unterscheidung des Verfahrenssachwalters nach § 238 Abs 1 AußStrG und des einstweiligen Sachwalters nach Abs 2 leg cit siehe Pichler, JBl 1984,230; Maurer, Sachwalterschaftsrecht in der Praxis 121; Gitschthaler, ÖJZ 1990, 762): Wenn das Gericht nach der Erstanhörung der Betroffenen zur Ansicht kommt, daß das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters fortzusetzen ist, hat es gemäß § 238 Abs 1 AußStrG zwingend für einen Rechtsbeistand der Betroffenen in diesem Verfahren zu sorgen, obwohl diese im Sachwalterschaftsbestellungsverfahren in ihren Rechtshandlungen nicht beschränkt ist und daher selbst vor Gericht agieren kann. Hat sie wie im vorliegenden Verfahren keinen gesetzlichen oder - zur Vertretung in diesem Verfahren mit gültiger Vollmacht ausgestatteten - selbst gewählten Vertreter, so hat ihr das Gericht, wie es auch hier geschehen ist, einen Verfahrenssachwalter für dieses Verfahren zu bestellen. Die Vertretungsmacht dieses Verfahrenssachwalters für das Sachwalterschaftsbestellungsverfahren erlischt aber nach § 238 Abs 1 letzter Satz AußStrG, sobald die Betroffene die Bevollmächtigung eines selbstgewählten Vertreters mitteilt. Hieraus folgt, daß für die Zwecke der Vertretung im Sachwalterschaftsbestellungsverfahren auch eine Person, die im übrigen keine gültigen Vollmachten mehr teilen kann, noch einen Vertreter bevollmächtigen kann, zumindest soweit ihr nicht völlig die Vernunft fehlt und sie den Zweck der Vollmachtserteilung noch erkennen kann (2 Ob 573/89-NRSp 1990/5 ua; Maurer aaO 118; Gitschthaler aaO 763 mwN zum Meinungsstand).

Sollte der Mangel der Vollmacht zur Vertretung im Sachwalterschaftsbestellungsverfahren, um den es hier ausschließlich geht, nicht beseitigt werden können, ist der durch ihren Neffen erhobene Rekurs endgültig in analoger Anwendung des § 7 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

Sollte dieser Mangel jedoch beseitigt werden können, wird das Rekursgericht über den Rekurs sachlich zu entscheiden haben; dabei wird allerdings - sollte sich die Notwendigkeit zur Bestellung eines Sachwalters bestätigen - bei der dann zu bestellenden Person darauf zu achten sein wird, daß es zu keiner Kollision der Interessen der Betroffenen und des Sachwalters kommen kann, sodaß - soweit dies der bisherigen Aktenlage zu entnehmen ist - jedenfalls die Bestellung des Neffen ausscheidet.

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