OGH 2Ob573/89

OGH2Ob573/8912.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik,Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der am 4.Dezember 1901 geborenen Maria S***, 1150 Wien, Mariahilferstraße 177/22, infolge Revisionsrekurses des einstweiligen Sachwalters Dr. Peter Bock, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 16.Juni 1989, GZ 44 R 396/89-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 21.April 1989, GZ 1 SW 22/86-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht bestellte Dr. Peter B***, Rechtsanwalt in Wien, zum einstweiligen Sachwalter für Maria S***, und zwar gemäß § 238 Abs 1 AußStrG zur Vertretung im Verfahren und gemäß § 238 Abs 2 AußStrG zur Besorgung dringender Vermögensangelegenheiten. Insbesondere wurde der einstweilige Sachwalter ermächtigt, die Betroffene gegenüber dem Finanzamt und anderen Behörden und Ämtern zu vertreten. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Verfahren sei auf Grund einer Mitteilung der Johanna S***, der Adoptivtochter der Betroffenen, eingeleitet worden. Die Betroffene sei persönlich gehört worden. Auf Grund der Angaben von Johanna S*** und der Wahrnehmungen des Gerichtes sei davon auszugehen, daß Maria S*** nicht in der Lage sei, ihre Vermögensangelegenheiten selbständig zu besorgen. Nach den unbedenklichen Angaben von Johanna S*** habe die Betroffene ein Haus in einer Kleingartensiedlung veräußert. An die Abwicklung des Verkaufes könne sich Maria S*** aber nicht mehr erinnern. Da in diesem Zusammenhang bereits eine Anfrage des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern vorliege, erscheine es erforderlich, einen einstweiligen Sachwalter für die Besorgung der im Spruch genannten Angelegenheiten zu bestellen. Johanna S*** habe angegeben, daß sich im Kleingarten auch Gegenstände befunden hätten, die in ihrem Eigentum standen. Dies sei offenbar beim Verkauf nicht berücksichtigt worden. Von einer Bestellung von Johanna S*** zum einstweiligen Sachwalter sei daher derzeit zur Vermeidung allfälliger Interessenkollisionen abgesehen worden. Infolge Rekurses der Betroffenen hob das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes auf. Das Rekursgericht führte aus, gemäß § 249 Abs 2 AußStrG stehe das Rechtsmittel des Rekurses gegen den Beschluß über die Bestellung des Sachwalters dem Betroffenen, seinem Vertreter und dem bestellten Sachwalter zu. Voraussetzung für die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters sei, daß das Gericht nach der Erstanhörung gemäß § 237 AußStrG zu dem Schluß komme, daß das Verfahren fortzusetzen sei. Fortzusetzen sei das Verfahren aber nur dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür gegeben seien, daß beim Betroffenen eine geistige Erkrankung vorliege, die ihn außerstande setze, alle oder einzelne seiner Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Obgleich aus den Angaben der Adoptivtochter hervorgehe, daß die Bestellung eines Sachwalters offenbar unzulässig wäre, da die Betroffene durch die Hilfe ihrer Adoptivtochter in die Lage versetzt werde, ihre Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen und im übrigen die Adoptivtochter nicht einmal das Vorliegen einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung ihrer Adoptivmutter behauptet hatte (Gedächtnisschwäche sei bei einem Menschen im Alter von über 87 Jahren wohl altersbedingt normal), habe das Erstgericht die Erstanhörung durchgeführt. Bei dieser habe die Betroffene angegeben, ihre Adoptivtochter hebe das für den Haushalt benötigte Geld vom Konto ab, während die Adoptivtochter erklärte, es bestehe ein Dauerauftrag vom Pensionskonto der Betroffenen auf ein Sparbuch und sie hebe das notwendige Geld vom Sparbuch ab. Die Höhe ihrer Pension habe die Betroffene nicht angeben können. Anläßlich der Erstanhörung sei auch zur Sprache gekommen, daß ein auf einem Unterpachtgrund befindliches und der Betroffenen gehörendes Superädifikat (Schrebergartenhäuschen) an den Kleingartenverein veräußert worden sei, die Betroffene bei der Abwicklung dieser Veräußerung von der Rechtsanwältin Dr. H*** vertreten worden und die Adoptivtochter mit der Veräußerung bzw. mit der Höhe des erzielten Ablösebetrages offensichtlich nicht einverstanden sei. Außerdem habe sie behauptet, es hätten sich in dem Superädifikat zahlreiche ihr gehörige Gegenstände befunden. Die Betroffene selbst habe erklärt, sie habe nicht mehr in Erinnerung, "daß ich etwas mit dem Garten machen wollte. Ich glaube, der Garten ist noch da". Feststellungen über den persönlichen Eindruck von der Betroffenen habe das Erstgericht nicht getroffen. Der angefochtene Beschluß sei u.a. damit begründet worden, es erscheine erforderlich, einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen, da im Zusammenhang mit der Veräußerung des Superädifikates bereits eine Anfrage des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern vorliege. Aus welchen Wahrnehmungen das Erstgericht ableite, daß davon auszugehen sei, daß die Bertoffene nicht in der Lage sei, ihre Vermögensangelegenheiten selbständig zu besorgen, bleibe unerwähnt. Das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters diene nicht dazu, dritten Personen zur Durchsetzung wirklicher oder vermeintlicher Ansprüche gegen den Betroffenen zu verhelfen. Die Adoptivtochter selbst habe anläßlich der Erstanhörung der Betroffenen angegeben, es gebe derzeit keine dringenden Angelegenheiten, die für ihre Mutter besorgt werden müßten, außer "den im Zusammenhang mit dem Schreiben des Finanzamtes notwendigen Regelungen". Das Finanzamt für Gebühren und verkehrssteuern in Wien habe die Betroffene lediglich aufgefordert, die Höhe des Verkaufserlöses für das Superädifikat bekanntzugeben und außerdem anzugeben, ob sie dieses "gegebenenfalls auch gesondert von Inventar, Außenanlagen, Kulturen etc. veräußert hätte, oder ob es sich um einen Verkauf in Bausch und Bogen gehandelt habe". Da die Betroffene, wie ihre Adoptivtochter selbst angebe, beim Verkauf des Superädifikates anwaltlich vertreten war, werde dieses Schreiben des Finanzamtes der Rechtsanwältin zur Beantwortung zu übergeben sein, ohne daß es dafür der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters bedürfe. Fraglich sei allerdings, ob die Betroffene in der Lage sei, ihr Pensionseinkommen zu verwalten, bzw. ob diesbezüglich eine ausreichende Versorgung durch die Adoptivtochter vorliege. Wenn die Betroffene anläßlich der Erstanhörung auch übereinstimmend mit der Adoptivtochter angab, letztere kümmere sich um die finanziellen Angelegenheiten, so habe doch die von der Betroffenen bevollmächtigte Rechtsanwältin Dr. Christa A. H*** in ihrem Rekurs vorgebracht, die Adoptivtochter verhalte sich äußerst lieblos gegenüber der Betroffenen, um die finanziellen Angelegenheiten kümmere sich ausschließlich deren Schwester Rosa K***, welcher eine Generalvollmacht ausgestellt worden sei und welche auch die Pension für die Betroffene beziehe. Das Erstgericht werde zunächst die Vorfrage zu lösen haben, ob nach dem persönlichen Eindruck bei der Erstanhörung Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Betroffene an einer psychischen Krankheit leide oder geistig behindert sei, bzw. ob sie infolge dieser Umstände nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten (Verwaltung der Pension) im erforderlichen Ausmaß zu besorgen. Erst wenn diese Frage bejaht werde und das Erstgericht darüber hinaus zu der Feststellung gelange, daß die erforderliche Hilfe im Rahmen der Familie nicht geleistet werde (entweder deshalb, weil sich in Wahrheit weder die Adoptivtochter noch die Schwester um die Betroffene kümmern oder dadurch, daß die beiden Genannten nur ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen, was nach der bisherigen Aktenlage durchaus nicht unwahrscheinlich wäre), werde erneut ein einstweiliger Sachwalter zur Besorgung dringender Angelegenheiten nach § 238 Abs 2 AußStrG zu bestellen sein. Daß dies infolge der offensichtlichen Gegnerschaft zwischen der Schwester und der Adoptivtochter der Betroffenen und der wechselseitigen Vorwürfe, die Betroffene auszunützen, zweckmäßigerweise eine dritte Person sein sollte, liege auf der Hand. Allerdings erfordere die Besorgung der Angelegenheiten der Betroffenen im gegenständlichen Fall nicht vorwiegend Rechtskenntnisse (§ 281 Abs 3 ABGB). Ein Verfahrnssachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG sei jedenfalls nicht zu bestellen, da die Betroffene nunmehr einen selbst gewählten Vertreter habe.

Gegen den Beschluß des Reursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des einstweiligen Sachwalters aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (vgl. RZ 1987/50 ua.), aber nicht berechtigt.

Unter dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens bringt der Rechtsmittelwerber vor, das Rekursgericht habe sich nicht mit der Frage befaßt, ob die Betroffene in der Lage war, für die Erhebung des Rekurses gegen den Beschluß des Erstgerichtes rechtsgültig eine Vollmacht zu erteilen. Die Zweifel des Rekursgerichtes, ob die Betroffene in der Lage sei, ihr Pensionseinkommen zu verwalten, berechtigten auch zu Zweifeln, ob sie derzeit in der Lage sei, eine Vollmacht rechtsgültig zu erteilen und Zweck und Umfang der Vollmachtserteilung zu verstehen. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Wohl ist auch seit der Geltung des Sachwaltergesetzes Voraussetzung für die Erteilung einer gültigen Vollmacht durch den vom Sachwalterschaftsverfahren Betroffenen an einen selbstgewählten Vertreter, daß der Betroffene bei der Vollmachtserteilung fähig ist, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmachten zu erkennen. Bei offenkundiger Unfähigkeit, dies zu erkennen, wäre die Bevollmächtigung unwirksam (Gamerith, NZ 1988, 69 mwN; 8 Ob 550/87 ua.). Nach dem Akteninhalt kann aber entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses von einer offenkundigen Unfähigkeit der Betroffenen, bei der Vollmachtserteilung den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen, nicht ausgegangen werden. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrns liegt daher nicht vor.

Unter dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bringt der Rechtsmittelwerber vor, das Rekursgericht vermeinte zunächst, das Erstgericht habe das Verfahren nach der Erstanhörung zu Unrecht fortgesetzt. Dem sei entgegenzuhalten, daß das Gesetz zur Beurteilung der Frage, ob begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung und somit für die Fortsetzung des Verfahrens gegeben sind, keine Regelung enthalte. Das Erstgericht habe von seinem Ermessen in rechtsrichtiger Weise Gebrauch gemacht. Anläßlich der Erstanhörung sei die Betroffene nicht in der Lage gewesen, über ihre Vermögensangelegenheiten richtig und vollständig Auskunft zu geben. Ob dies lediglich auf eine - das Wohl der Betroffenen nicht näher

gefährdende - Gedächtnisschwäche oder eine senile Demenz zurückzuführen sei, habe das Erstgericht anläßlich der Erstanhörung nicht zu klären gehabt, zumal es sich bei dieser Frage um eine Sachverständigenfrage handle. Wenn die Betroffene einerseits den bereits veräußerten Kleingarten noch als ihr Vermögen betrachte, andererseits daher auch nicht wahrnehmen könne, über einen Erlös aus der Veräußerung des Gartens zu verfügen, sei eine Gefährdung der Angelegenheiten der Betroffenen nicht auszuschließen und das Verfahren daher fortzusetzen. Die vom Rekursgericht geforderte Klärung, ob die Betroffene an einer psychischen Krankheit leide oder geistig behindert sei, respektive ob sie infolge dieser Umstände nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß wahrzunehmen, sei der (noch abzuhaltenden) mündlichen Verhandlung im Sinne der §§ 239 ff. AußStrG vorbehalten. Auf Grund der Ergebnisse dieser Verhandlung werde ein Sachwalter zu bestellen oder wenn das Gericht zum Ergebnis gelange, daß ein Sachwalter nicht zu bestellen sei, das Verfahren mit Beschluß einzustellen sein. Das Erstgericht habe auch zutreffend die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG vorgenommen.

Auch diesen Ausführungen kommt keine Berechtigung zu. Gemäß § 236 AußStrG ist das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person nach § 273 ABGB einzuleiten, wenn sie selbst die Bestellung eines Sachwalters beantragt oder, etwa auf Grund einer Mitteilung über die Schutzbedürftigkeit einer behinderten Person, begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer solchen Bestellung vorliegen. Die bloße Behauptung der Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung ist hingegen nicht hinreichend; die Anhaltspunkte müssen konkret und begründet sein; sie haben sich sowohl auf die psychische Krankheit oder geistige Behinderung als auch auf die Notwendigkeit der Sachwalterbestellung zum Schutz der betreffenden Person zu beziehen. Fehlen solche Anhaltspunkte, ist ein Verfahren nach § 236 AußStrG nicht einzuleiten (vgl. Maurer, Sachwalterrecht, 112).

Das vorliegende Verfahren wurde von Amts wegen über Anregung der Adoptivtochter der Betroffenen, Johanna S***, eingeleitet. Diese brachte vor, ihre Adoptivmutter leide nach einem Schlaganfall im September 1988 zunehmend an Gedächtnisschwäche und wäre mangels Betreuung durch die Adoptivtochter ein Pflegefall. Diese führe mit Zustimmung der Betroffenen deren finanzielle Angelegenheiten. Das Vorliegen einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung - abgesehen von einer bei einem über 87 Jahre alten Menschen wohl altersbedingten Gedächtnisschwäche - hat die Adoptivtochter nicht einmal behauptet und auch der Erstrichter hat eine solche anläßlich der Anhörung gemäß § 237 AußStrG nicht festgestellt. Der Erstrichter hat auch in keiner Weise dargelegt, aus welchen Wahrnehmungen er abgeleitet habe, daß die Betroffene nicht in der Lage sei, ihre Vermögensangelegenheiten selbst zu besorgen. Zutreffend hat daher das Rekursgericht ausgeführt, das Erstgericht werde zunächst die Vorfrage zu lösen haben, ob nach dem persönlichen Eindruck bei der Erstanhörung Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Betroffene an einer psychischen Krankheit leide oder geistig behindert sei bzw. ob sie infolge dieser Umstände nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen. Nur für den Fall der Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Einleitung des Verfahrens nach § 236 AußStrG kann nämlich eine Fortsetzung des Verfahrens im Sinn des § 238 AußStrG in Betracht kommen und die Anordnung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen erfolgen.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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