OGH 2Ob27/93

OGH2Ob27/9311.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) *****versicherungsanstalt, *****2.) *****versicherungsanstalt *****, ***** beide vertreten durch Dr.Harry Zamponi, Dr.Josef Weixelbaum, Dr.Helmut Trenkwalder und Dr.Sebastian Mairhofer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei ***** K***** AG, ***** vertreten durch Dr.Herbert Veit, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 146.578,80 s.A. und Feststellung, infolge Revisionen der klagenden Parteien und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.Juli 1992, GZ 1 R 57/92-21, womit infolge Berufung der klagenden Parteien und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16.Jänner 1992, GZ 5 Cg 14/91-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Parteien wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der beklagten Partei teilweise Folge gegeben und die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abgeändert, daß sie insgesamt wie folgt zu lauten haben:

"1.) Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei den Betrag von S 32.877,99 samt 4 % Zinsen seit dem 22.1.1990 sowie der Zweitklägerin einen Betrag von S 40.411,31 samt 4 % Zinsen seit dem 2.9.1989 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2.) Es wird der beklagten Partei gegenüber festgestellt, daß diese den klagenden Parteien gegenüber für die von diesen an die Hinterbliebenen des am 7.7.1989 bei einem Starkstromunfall in V*****, Gemeinde H*****, verstorbenen Adolf H*****, geboren *****1953, aufgrund gesetzlicher Bestimmungen erbrachten sachlich und zeitlich kongruenten Leistungen - unter Bedachtnahme eines Eigenverschuldens des Verstorbenen von 75 % - im Ausmaß von 25 % ersatzpflichtig ist, wobei die Haftung der beklagten Partei der Höhe nach gemäß § 7 a RHPflG mit S 90.000 jährlich (insgesamt) beschränkt ist.

3.) Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Erstklägerin einen weiteren Betrag von S 32.877,99 samt 4 % Zinsen seit dem 22.1.1990 sowie der Zweitklägerin einen weiteren Betrag von

S 40.411, 31 samt 4 % Zinsen seit dem 2.9.1989 zu bezahlen, wird abgewiesen.

4.) Das Mehrbegehren, es werde der beklagten Partei gegenüber festgestellt, daß diese den klagenden Parteien gegenüber für die von diesen an die Hinterbliebenen des am 7.7.1989 bei einem Starkstromunfall in V*****, Gemeinde H*****, verstorbenen Adolf H*****, geboren *****1953, aufgrund gesetzlicher Bestimmungen erbrachten sachlich und zeitlich kongruenten Leistungen - unter Berücksichtigung eines Eigenverschuldens von 50 % im Ausmaß von weiteren 25 % ersatzpflichtig sei, weiters, die Haftung der beklagten Partei der Höhe nach mit den Haftungshöchstbeträgen des RHPflG von S 90.000,-- jährlich beziehe sich auf jede unterhaltsberechtigte Person, wird abgewiesen.

5.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die Hälfte ihrer Pauschalgebühren, das sind S 2.600,-- zu ersetzen".

Die Kosten des Berufungsverfahrens als auch die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die erstklagende Allgemeine *****versichungsanstalt und die zweitklagende *****versicherungsanstalt machen gegenüber der beklagten Partei Ansprüche geltend, die sie auf Leistungen stützen, die sie der Witwe und den beiden Waisen des bei dem Unfall vom 7.7.1989 getöteten Adolf H***** erbracht haben. Unter Einräumung eines Mitverschuldens des Getöteten von 50 % begehren die erstklagende Partei aus dem Titel Bestattungskosten und Witwen- sowie Waisenpension für die Zeit vom 7.7.1989 bis 31.12.1990 S 65.755,98, die zweitklagende Partei aus dem Titel Krankenversicherungsbeiträge und Witwen- sowie Waisenpension für die Zeit vom 7.7.1989 bis 31.12.1990 insgesamt S 80.822,62, zusammen S 146.578,60. Außerdem stellen sie entsprechende Feststellungsbegehren.

Die erstklagende Partei habe in der Zeit vom 7.7.1989 bis 31.12.1990 insgesamt S 253.027,61 für den Ersatz der Bestattungskosten und für Witwen- und Waisenpensionen, die zweitklagende Partei für Witwen- und Waisenpensionen insgesamt S 226.873,40 bezahlt. Bis zur Höhe des der Witwe und den Waisen zustehenden Unterhaltsanspruches gegenüber Adolf H***** seien die Forderungen auf die Kläger übergegangen. Nach den Deckungsfondsberechnungen ergäben sich die oben angeführten Forderungen.

Das Erstgericht hat der klagenden *****versicherungsanstalt S 32.877,99 und der klagenden *****versicherungsanstalt S 40.411,31 zugesprochen und dem Feststellungsbegehren im Ausmaß von je einem Viertel stattgegeben und ausgesprochen, daß die Haftung der beklagten Partei gemäß § 7 a RHPflG mit S 90.000,-- jährlich je unterhaltsberechtigter Person beschränkt sei.

Es hat dazu nachfolgende wesentliche Feststellungen getroffen.

Zum Unfallszeitpunkt stellte Adolf H***** seinen Betonmischwagen mit einem 8 m langen Förderband zum Zweck der Reinigung direkt unter die an der Unfallstelle vorbeiführende 30.000 Volt Starkstromleitung, deren Inhaber die beklagte Partei ist. Zuvor hatte er auf einem etwa 20 bis 30 Meter von der Unfallstelle entfernten Grundstück Beton abgeladen. Um das Förderband über das Fahrzeug zu legen, muß es senkrecht aufgestellt werden. In senkrechter Stellung überragte es die Starkstromleitung um mindestens einen Meter. Zum Unfallszeitpunkt befand sich die Starkstromleitung etwa 8,7 Meter über dem Bodenniveau. Als Mindesthöhe für Leitungen dieser Art sind 6 Meter vorgeschrieben. Zum Unfallszeitpunkt war die Starkstromleitung gut sichtbar. Die Reinigung des Förderbandes wäre auch jederzeit auf einem anderen Teil der Straße oder auf der angrenzenden Wiese möglich gewesen. Adolf H***** war beim Betontransportunternehmen der Firma A***** GesmbH als Kraftfahrer beschäftigt. Er ging bei all seinen Tätigkeiten immer vorsichtig um. Er hatte das Betonmischfahrzeug mit Förderband bereits zwei Jahre hindurch gefahren und war mit der Handhabung des Gerätes bestens vertraut; er galt als Spezialist für Betontransporte unter Verwendung des Förderbandes und wurde besonders auf den Umgang mit diesem Fahrzeug eingeschult und ausgebildet. Adolf H***** wollte nach den Reinigungsarbeiten das Förderband einziehen. Dieses geriet dabei in den Nahbereich der 30.000 Volt Starkstromleitung. Adolf H*****, der in diesem Augenblick die Bedienungshebel am LKW festhielt, geriet in den Starkstromkreis und erlitt einen tödlichen Herz-Kreislaufschock. Er war für seine nicht berufstätige Ehefrau und für zwei minderjährige Kinder unterhaltspflichtig. Die Eheleute H***** hatten einen gemeinsamen PKW, der auf den Verstorbenen zugelassen war. Nunmehr ist die Ehefrau Eigentümerin des PKWs. Dieser wurde von den Ehegatten regelmäßig gemeinsam benützt, wobei im Sommer und in der trockenen Jahreszeit Adolf H***** meist mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr, bei Schlechtwetter und im Winter teilweise mit dem PKW. Der PKW stand überwiegend der Ehefrau zur Verfügung, sodaß ein Nutzungsanteil von 75 % auf sie entfällt.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß die beklagte Partei grundsätzlich als Inhaberin der Starkstromleitung schadenersatzpflichtig sei. Gemäß § 1 a RHPflG gelte § 1304 ABGB, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt habe. Es habe eine Abwägung der von der Starkstromleitung ausgehenden Betriebsgefahr und der Höhe des Mitverschuldens stattzufinden. Die von der Starkstromleitung ausgehende Betriebsgefahr sei dadurch gemindert, daß die gesetzlich vorgeschriebene Mindesthöhe überschritten worden sei. Hingegen habe Adolf H***** den LKW, mit dem er seit Jahren bestens vertraut gewesen sei und obwohl er die mit der Verwendung des Förderbandes verbundenen Gefahren im Zusammenhang mit der Starkstromleitung gekannt habe, unmittelbar unter der gut sichtbaren Stromleitung abgestellt. Es sei ihm möglich gewesen, die Reinigungsarbeiten auf einem anderen Teil des Weges durchzuführen. Sein Verhalten sei daher als äußerst sorglos anzusehen, das zwar die Gefährdungshaftung der beklagten Partei nicht zur Gänze zurückdrängen könne, aber ein Mitverschulden von 75 % bewirke.

Die Haftungshöchstgrenzen der Bestimmung des § 7 a RHPflG bezögen sich nicht auf den unmittelbar Geschädigten, sondern gälten für jeden der drei unterhaltsberechtigten Personen. Zu den fixen Haushaltskosten zählten alle Kosten, die sich durch den Tod eines Familienangehörigen nicht wesentlich änderten und Unterhaltscharakter hätten. Dazu zählten auch die Kosten der Erhaltung und des Betriebs eines Kraftfahrzeuges, wenn es zur Befriedigung aller Haushaltsangehörigen verwendet worden sei und sich die Betriebs- und Erhaltungskosten durch den Tod eines von ihnen nicht wesentlich geändert hätte. Die durch den Tod des Unterhaltsverpflichteten bewirkte Einschränkung des Benzinkostenaufwands sei als unwesentlich vernachlässigbar.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils S 50.000,-- übersteige und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Es billigte die Gewichtung des Verschuldens des Versicherten der klagenden Parteien an diesem Unfall. Einerseits sei das Verhalten des Adolf H***** keinesfalls so gravierend, daß demgegenüber die Gefährdungshaftung der beklagten Partei zur Gänze zu vernachlässigen sei, andererseits habe er die Starkstromleitung, die über einen öffentlichen Weg führe, ohne Sichtbehinderung wahrgenommen. Es habe für ihn keine Veranlassung bestanden, die Reinigungsarbeiten auf der öffentlichen Straße und insbesondere in dem durch die deutlich erkennbare Stromleitung geschaffenen Gefahrenbereich durchzuführen. Die Außerachtlassung oder Fehleinschätzung der Situation stelle grobes Verschulden des Getöteten dar. Die Schadensteilung von 3:1 zu Lasten des Versicherten der klagenden Partei sei daher nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht billigte auch die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß die Kosten der Erhaltung und des Betriebs des von Adolf H***** und seiner Gattin verwendeten PKWs zur Gänze als fixe Haushaltskosten anzusehen seien, weil sich diese durch den Wegfall eines Haushaltsangehörigen nur unwesentlich verändert hätten. Die Einsparung der PKW-Kosten könne sich nur in sehr geringem Umfang im wesentlichen nur auf die Betriebsmittel beziehen. Da die klagenden Parteien ohnehin nur geringere Betriebskosten als errechnet in Anrechnung gebracht hätten und von einer wesentlichen Veränderung der Betriebskosten nicht gesprochen werden könne, seien die gesamten Kosten der Erhaltung und des Betriebs des PKWs ohne Einschränkung als fixe Haushaltskosten zu qualifizieren. Schließlich billigte das Berufungsgericht unter Darlegung der historischen Entwicklung die Meinung, daß sich die Haftungshöchstgrenze des § 7 a RHPflG von S 90.000,-- jährlich auf jede unterhaltsberechtigte Person und nicht auf den getöteten Unterhaltspflichtigen beziehe.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage der Ersatzpflicht gegenüber Unterhaltsberechtigten nach dem Reichshaftpflichtgesetz Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.

Die klagenden Parteien bekämpfen dieses Urteil mit außerordentlicher Revision mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren unter Zugrundelegung einer Schadensteilung von 1:1 zur Gänze stattgegeben werde. Hilfsweise wird Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revision die Abweisung des Klagebegehrens.

Beide Teile beantragen, dem Rechtsmittel der Gegenseite keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich die Revision der beklagten Partei ist teilweise berechtigt.

Die klagenden Parteien vertreten die Ansicht, daß im Verhältnis zwischen der von der beklagten Partei zu vertretenden Betriebsgefahr und dem leicht sorglosen Verhalten des Getöteten eine Schadensteilung von 1:1 angemessen sei, während die beklagte Partei die Meinung vertritt, daß durch das schwere Verschulden des Getöteten die von ihr zu tragende Betriebsgefahr zur Gänze verdrängt werde.

Die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensaufteilung ist aber nicht zu beanstanden.

Auszugehen ist zunächst von der Bestimmung des § 1 a RHPflG. Danach ist der Inhaber der Anlage verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, wenn ein Unfall, der den Tod oder die Gesundheitsschädigung eines Menschen oder eine Sachbeschädigung zur Folge hat, auf die Wirkung der Elektrizität oder des Gases zurückzuführen ist. Nach Abs 3 leg cit ist die Ersatzpflicht nach Abs 1 ausgeschlossen, ...3. wenn der Schaden durch höhere Gewalt verursacht worden ist, es sei denn, daß er auf das Herabfallen von Leitungsdrähten zurückzuführen ist. Nach Abs 4 gilt § 1304 ABGB, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat.

Zweck dieser den Elektrizitätsunternehmen auferlegten Verursachungs- oder Gefährdungshaftung ist der Schutz der Allgemeinheit vor den mit den Wirkungen der Elektrizität verbundenen großen Gefahren. Dieser Schutz soll aber nur ausnahmsweise entfallen, wenn ein Elementarereignis oder eine ihm gleichkommende Handlung und somit eine derartige Außergewöhnlichkeit des Ereignisses vorliegt, daß es nicht zu jenen Gefahren der Elektrizität führenden Anlagen gerechnet werden kann, die mit dem Betrieb typischerweise verbunden sind (EvBl 1984/156 = ZVR 1985/132). Dies bedeutet, daß ein Haftungsausschluß nur unter bestimmten eingeschränkten Voraussetzungen angenommen werden kann, so etwa dann, wenn sich der Geschädigte durch außergewöhnliche Handlungen bewußt selbst gefährdet und daher nach Sinn und Zweck der Haftungsnormen eine Gefährdungshaftung ausscheidet (Handeln auf eigene Gefahr, Koziol Haftpflichtrecht II2, 421). So hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß bei Alleinverschulden des Verletzten der Haftungsgrund des § 1 RHPflG versagt (JBl 1958, 178, vgl Koziol Haftpflichtrecht I2, 256). Entgegen der Rechtsmeinung der beklagten Partei ist aber der dort entschiedene Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil sich die dort Verletzten über die ihnen ausdrücklich erteilten Aufträge, einen bestimmten Mast nicht zu besteigen und über ihre eigenen Bedenken über die Gefährlichkeit ihres Tuns hinweggesetzt haben. Der erkennende Senat ist wie die Vorinstanzen der Ansicht, daß das Verschulden des bei dem Unfall Getöteten keinesfalls so gravierend ist, daß es einen Haftungsausschluß der beklagten Partei bewirken könnte.

Auch die Verschuldensaufteilung durch die Vorinstanzen ist zu billigen. Die Revision der klagenden Parteien wertet das Verhalten des Getöteten als leicht fahrlässig, das lediglich zu einer Haftungsaufteilung von 1:1 führe; es sei geradezu typisch für Unfälle, die an einem Arbeitsplatz auftreten können.

Auch hier ist den Ausführungen des Berufungsgerichtes zu folgen. Es trifft zwar zu, daß die Grenzen zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit fließen. Grob fahrlässig handelt aber, wer etwas unbeachtet ließ, was im gegebenen Fall jedem leicht, bei geringster Aufmerksamkeit, einleuchten mußte und leicht beachtet werden konnte (SZ 56/166; RZ 1989/69); wenn einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden, die nach den besonderen Verhältnissen und nach der beruflichen Erfahrung erwartet werden konnten und deren Vollziehung leicht möglich war (st RSpr ZVR 1984/326). Adolf H***** wurde während seiner Ausbildung für die Bedienung des Betonmischfahrzeuges auf die damit verbundenen Gefahren hingewiesen. Er mußte so wie jedermann mit der von einem acht Meter langen Förderband ausgehenden Gefahr insbesondere in Verbindung mit einer in unmittelbarer Nähe vorbeiführenden Hochspannungsleitung rechnen. Für ihn bestand auch keine unmittelbare Veranlassung, die Reinigung des Betonmischfahrzeuges gerade in der Nähe der gut erkennbaren Hochspannungsleitung durchzuführen. Sein Verhalten muß daher als äußerst leichtsinnig beurteilt werden und steht der in der Revision angestrebten Verschuldensaufteilung entgegen.

Nach der Rechtsprechung sind unter "fixen Haushaltskosten" alle Kosten der Haushaltsführung zu verstehen, die sich durch den Wegfall des Verstorbenen in ihrer Höhe nicht wesentlich ändern und Unterhaltscharakter haben. Danach können auch die gesamten Kosten der Erhaltung und des Betriebes - ohne Einschränkung auf die sogenannten Generalunkosten, wie Kfz-Steuer und Haftpflichtversicherungsprämie - als fixe Haushaltskosten qualifiziert werden, dies unter der Voraussetzung, daß das Fahrzeug tatsächlich uneingeschränkt zur Befriedigung der Bedürfnisse aller Haushaltsangehörigen verwendet wurde und daß sich die Betriebs- und Erhaltungskosten durch den Wegfall eines von ihnen nicht wesentlich ändern. Wurde etwa das Fahrzeug überwiegend für Geschäftszwecke des Ehemannes und nur gelegentlich für Ausflugsfahrten der Familie verwendet, können nach dem Wegfall des Ehemannes und damit nach Beendigung der Benützung für seine Geschäftszwecke nicht mehr die gesamten Betriebskosten als fixe Haushaltskosten berücksichtigt werden (vgl ZVR 1980/71, ZVR 1990/87). Bei dem hier zu beurteilenden Fall ist zu berücksichtigen, daß der PKW überwiegend von der Ehefrau und nur zu einem geringen Teil vom verstorbenen Ehemann benützt wurde und daß ohnehin ein die tatsächlichen Betriebskosten nicht erreichender Betrag geltend gemacht und in der Folge außer Streit gestellt wurde. Es bestehen daher im Ergebnis im Sinne des § 273 ZPO keine Bedenken dagegen, die außer Streit gestellten Betriebskosten des PKWs als fixe Haushaltskosten zu qualifizieren.

Berechtigung kommt der Revision der beklagten Partei insoweit zu, als sie die Haftung mit S 90.000 jährlich pro Unterhaltsberechtigtem bekämpft.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß nach der historischen Entwicklung des RHPflG auf die Unterhalts- bzw Ersatzpflicht zu einem Dritten und nicht zu Dritten Bezug genommen werde. Der Gesetzgeber habe bei Festlegung der Haftungshöchstgrenze nicht die Beschränkung der Haftung für einen Unterhaltsverpflichteten gegenüber mehreren Unterhaltsberechtigten im Auge gehabt, sondern die Beschränkung der Unterhaltsansprüche jedes einzelnen Unterhaltsberechtigten. Nach der Bestimmung des § 7 b RHPflG sei die Haftungssumme mit S 750.000,-- begrenzt, auch wenn aufgrund desselben Ereignisses mehrere Personen Entschädigungsleistungen zu erhalten hätten. Daraus sei der Schluß zu ziehen, daß die Haftungshöchstgrenze des § 7 a RHPflG sich nicht auf alle Unterhaltsberechtigten beziehe.

Es entspricht aber einhelliger Lehre, daß die Haftungshöchstbeträge des § 7 a RHPflG für jeden einzelnen Verletzten bzw Getöteten gelten. War ein Getöteter mehreren Dritten kraft Gesetzes unterhaltspflichtig, so müssen sich diese den Höchstbetrag teilen (Friese, KommzRHPflG, 224; Biermann, das Reichshaftpflichtgesetz2, 233; Koziol, Haftpflichtrecht II2 424f; Aicher, Rechtsfragen der öffentlichen Energieversorgung, 201; 2 Ob 61/93). Aus dem Umstand, daß § 7 b RHPflG ausdrücklich regelt, daß die Haftungssumme mit S 750.000,-- begrenzt ist, auch wenn aufgrund desselben Ereignisses mehreren Personen Entschädigungsleistungen zu erbringen sind, kann nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß sich die Haftungshöchstgrenze des § 7 a RHPflG auf jeweils einen Unterhaltsberechtigten bezieht. Vielmehr ist es charakteristisch, für Gefährdungstatbestände Haftungshöchstgrenzen festzulegen, um auf diese Weise dem Haftpflichtigen von vornherein eine Abschätzung des Haftungsrisikos zu ermöglichen. Der Gesetzeszweck der Regelung des § 7 a RHPflG ist sohin ident mit jenem des § 7 b RHPflG, sodaß aus der etwas anderen Formulierung des § 7 b RHPflG nicht ein Umkehrschluß auf die Regelung des § 7 a RHPflG gezogen werden kann. Die gleiche Interessenlage gebietet daher auch die gleiche Auslegung und somit eine Festlegung der Haftungshöchstgrenzen pro Verletztem bzw Getötetem (2 Ob 61/93).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, daß die klagenden Parteien insgesamt mit etwa der Hälfte ihres Begehrens durchgedrungen sind. Die Verfahrenskosten waren daher mit Ausnahme der Verpflichtung der beklagten Partei zum Ersatz der halben Pauschalkosten erster Instanz gegenseitig aufzuheben. Die Entscheidung über die Haftungsbegrenzung hat keinen besonderen Prozeßaufwand verursacht (§ 43 Abs 2 ZPO) und konnte bei der Kostenentscheidung außer Betracht bleiben.

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