OGH 2Ob61/93

OGH2Ob61/9318.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien a) P*****versicherungsanstalt *****, und b) ***** U*****versicherungsanstalt, ***** beide vertreten durch Dr.Johann Buchner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei ***** Stadtwerke AG, ***** vertreten durch Dr.Karl Endl und Dr.Michael Pressl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen: zu a) S 259.818,43 s.A. und Feststellung, und zu b) S 388.015,80 s.A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22.Dezember 1992, GZ 3 R 227, 228/92-24, womit infolge Berufung sämtlicher Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 22.Juli 1992, GZ 10 Cg 276/91-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Parteien wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Verfahren zu 10 Cg 276/91 des Erstgerichtes macht die klagende P*****versicherungsanstalt gegenüber der Beklagten Ansprüche geltend, die sie auf Leistungen stützt, die sie der Witwe des bei dem Unfall vom 10.8.1988 getöteten Johann S***** erbrachte, und zwar Witwenpension für den Zeitraum vom 10.8.1988 bis 30.6.1991 in der Höhe von S 242.141,93 und Krankenversicherungsbeiträge von S 17.676,50. Im Verfahren zu 10 Cg 277/91 macht die klagende U*****versicherungsanstalt Ansprüche geltend, die sie an die Witwe und an die drei Waisen erbrachte sowie an Sachaufwand, Bestattungs- und Überführungskosten. Für die Zeit vom 10.8.1988 bis 30.6.1991 wird an Witwenrente der Betrag von S 230.268,80 begehrt und hinsichtlich der drei Waisen ausgeführt, diese hätten eine Waisenrente von S 565.104,40 erhalten. Bis zur Höhe des den Kindern zustehenden Unterhaltsanspruches gegenüber Johann S***** seien diese Forderungen auf die Klägerin übergegangen; nach der Deckungsfondsberechnung ergebe sich für die Waisen ein Deckungsfonds in der Höhe von S 127.260,--, dessen Ersatz von der Beklagten begehrt werde. Beide Parteien haben auch ein Feststellungsbegehren erhoben.

Das Erstgericht hat der klagenden P*****versicherungsanstalt S 194.863,82 und der klagenden U*****versicherungsanstalt S 291.011,85 zugesprochen und dem Feststellungsbegehren im Ausmaß von je 3/4 stattgegeben; die darüber hinausgehenden Begehren wurden abgewiesen.

Dabei wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war am 10.8.1988 Betreiberin einer 30 KV-Stromleitung im Bereich des H*****weges in H*****. An diesem Tag verlegten Bedienstete der Firma M***** & G*****, unter ihnen Johann S*****, im Auftrag der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung im Bereich dieses Weges ein Telefonkabel. An den Arbeiten waren auch der Transportunternehmer Werner E***** mit seinem LKW und sein Sohn Norbert E***** beteiligt. Am ausgefahrenen Ladekran des LKW war an einem Eisenseil die Kabelrolle befestigt, von wo das Telefonkabel, während Werner E***** mit dem LKW im Schrittempo vorwärts fuhr, abgerollt und in die Künette gelegt wurde.

Gegen 7,45 Uhr berührte der ausgefahrene Ladekran des LKW die in einer Höhe von 5,77 m über dem H*****weg führende Stromleitung. Norbert E***** wurde durch den Stromschlag weggeschleudert und verstarb später. Werner E***** stieg aus dem Führerhaus des LKW und hielt sich dabei an der Ladebordwand fest. Dadurch erlitt er einen Stromschlag und starb noch an der Unfallsstelle. Johann S*****, der sich in unmittelbarer Nähe der Baustelle befand, lief zum LKW und versuchte, mit einer Holzstange die Bedienungshebel des Ladekranes zu erreichen, um den Kran aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Da die Holzstange jedoch feucht war, erhielt er ebenfalls einen Stromschlag, wurde zu Boden geschleudert und verstarb an der Unfallsstelle.

Die klagende P*****versicherungsanstalt hat an Elisabeth S*****, die Witwe des Johann S*****, für den Zeitraum 10.8.1988 bis 30.6.1991 S 242.141,93 Witwenpension und S 17.676,50 Krankenversicherungsbeiträge bezahlt. Die klagende U*****versicherungsanstalt hat für diesen Zeitraum eine Witwenpension von S 230.268,80 und Waisenrenten für die drei mj. Kinder des Johann S***** von mehr als 127.260,-- S geleistet. Ferner hat sie einen Bestattungskostenbeitrag von S 25.760,-- und Überführungskosten von S 4.727,-- bezahlt. Beide Versicherungen erbringen weiterhin Pensions- bzw. Rentenleistungen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Unfall sei nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen. Johann S***** treffe jedoch ein Mitverschulden an dem Unfall, welches mit 1/4 zu bewerten sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung und sprach der klagenden P*****versicherungsanstalt S 109.620,-- s.A. und der klagenden U*****versicherungsanstalt S 174.245,25 s.A. zu. Den beiden Feststellungsbegehren wurde unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Getöteten von 1/4 Folge gegeben, jedoch beschränkt auf die Höchstbeträge von S 90.000,-- gemäß § 7a RHPflG und S 450.000,-- gemäß § 7b Abs.1 und 2 RHPflG. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes im Verfahren zu 10 Cg 276/91 insgesamt S 50.000,-- übersteige, desgleichen im Verfahren zu 10 Cg 277/91 hinsichtlich der Ansprüche jedes der drei Waisen; die ordentliche Revision wurde nicht für zulässig erklärt.

Das Berufungsgericht teilte in rechtlicher Hinsicht die Meinung des Erstgerichtes, es liege keine höhere Gewalt vor, auch die Schadensteilung von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten wurde nicht beanstandet. Im übrigen führte es aber aus, daß gemäß § 7a RHPflG in der zur Unfallszeit geltenden Fassung der Elektrizitätsunternehmer für Ansprüche der Hinterbliebenen wegen entgangenen Unterhaltes nur bis zu einer Jahresrente von 90.000,-- S hafte. Dies gelte pro getöteter Person, auch wenn diese mehreren Personen unterhaltspflichtig war. Der Leistungszeitraum, für den die Klägerinnen Ersatz begehren, betrage 2,9 Jahre, der Haftungsfonds für alle ihre Ansprüche somit S 261.000,--. Aus diesem seien die geltend gemachten Ansprüche der klagenden P*****versicherung von S 259.818,43 und die Ansprüche der klagenden U*****versicherung für Witwenrente und Waisenrenten von insgesamt S 357.528,80 anteilsmäßig zu befriedigen. Die Bestattungs- und Überführungskosten seien hievon auszunehmen, weil für sie keine Haftungshöchstgrenzen bestünden. Der P*****versicherung seien demnach 42 % des Haftungsfonds zuzusprechen, das seien S 109.620,--, der U*****versicherung hingegen 58 %, das seien S 151.380,--. Diese Beträge seien in Anwendung des Quotenvorrechts ungekürzt zuzusprechen, weil sie niedriger seien als 3/4 der geltend gemachten Forderungen. Ferner gebührten der U*****versicherung 3/4 der Bestattungs- und Überführungskosten von S 30.487,--, sohin S 22.865,25. Eine Anwendung des Quotenvorrechts sei hier nicht möglich, weil nicht behauptet und bewiesen worden sei, daß die tatsächlichen Begräbnis- und Überführungskosten höher gewesen seien, als die von der U*****versicherung geleisteten Zahlungen.

Die von den beklagten Parteien gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluß vom 8.7.1993 zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien bekämpfen diese Entscheidung mit außerordentlicher Revision insoweit, als das Berufungsgericht die Haftung der beklagten Partei mit S 90.000,-- jährlich gemäß § 7a RHPflG beschränkte.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist zulässig, weil zur Frage, ob die Haftungshöchstbeträge des § 7a RHPflG pro getöteter Person oder pro Unterhaltsberechtigtem gelten, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliegt, sodaß die Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO gegeben sind.

Das Rechtsmittel der klagenden Parteien ist aber nicht berechtigt.

Die klagenden Parteien vertreten die Ansicht, die historische Entwicklung des RHPflG zeige, daß auf die Unterhaltspflicht bzw. Ersatzpflicht zu einem Dritten und nicht zu Dritten Bezug genommen werde. Es sei daher der Schluß zu ziehen, daß der Gesetzgeber bei der Festlegung der Haftungshöchstgrenze nicht die Beschränkung der Haftung für einen Unterhaltsverpflichteten gegenüber mehreren Unterhaltsberechtigten im Auge hatte, sondern die Beschränkung der Unterhaltsansprüche jedes einzelnen Unterhaltsberechtigten. Zu beachten sei auch, daß § 7b RHPflG ausdrücklich festlege, daß die Haftungssumme mit 750.000,-- S begrenzt sei, auch wenn aufgrund desselben Ereignisses mehrere Personen Entschädigungsleistungen zu erhalten hätten. Aus der ausdrücklichen Regelung der strittigen Frage im § 7b RHPflG sei der Umkehrschluß zu ziehen, daß die Haftungshöchstgrenze des § 7a RHPflG sich nicht auf alle Unterhaltsberechtigten beziehe.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden:

Es entspricht der einhelligen Lehre, daß die Haftungshöchstbeträge des § 7a RHPflG für jeden einzelnen Verletzten bzw. Getöteten gelten; war ein Getöteter mehreren Dritten kraft Gesetzes unterhaltspflichtig, so müssen sich diese den Höchstbetrag teilen (Friese, KommzRHPflG, 224; Biermann, Das Reichshaftpflichtgesetz2, 233; Koziol, Haftpflichtrecht II2, 424 f; Aicher, Rechtsfragen der öffentlichen Energieversorgung, 201). Gegen diese einhellige Ansicht der Lehre, der sich auch der erkennende Senat anschließt, vermag die Revision keine stichhaltigen Argumente vorzubringen. Aus dem Umstand, daß § 7b RHPflG ausdrücklich regelt, daß die Haftungssumme mit 750.000,-- S begrenzt ist, auch wenn aufgrund desselben Ereignisses mehreren Personen Entschädigungsleistungen zu erbringen sind, kann keinesfalls der Umkehrschluß gezogen werden, daß sich die Haftungshöchstgrenze des § 7a RHPflG auf jeweils einen Unterhaltsberechtigten bezieht. Vielmehr ist es charakteristisch, für Gefährdungstatbestände Haftungshöchstgrenzen festzulegen, um auf diese Weise dem Haftpflichtigen von vornherein eine Abschätzung seines Haftungsrisikos zu ermöglichen. Der Gesetzeszweck der Regelung des § 7a RHPflG ist sohin ident mit jenem des § 7b RHPflG, sodaß aus der etwas anderen Formulierung des § 7b RHPflG nicht ein Umkehrschluß auf die Regelung des § 7a RHPflG gezogen werden kann. Vielmehr gebietet die gleiche Interessenlage auch eine gleiche Auslegung und somit eine Festlegung der Haftungshöchstgrenze pro Verletzten bzw. Getöteten.

Unzutreffend ist schließlich auch die in der Revision vertretene Ansicht, das Berufungsgericht habe bei der Ermittlung des Haftungsfonds übersehen, daß klagsgegenständlich auch das erste Halbjahr 1991 sei. Der klagsgegenständliche Zeitraum vom 10.8.1988 bis 30.6.1991 entspricht vielmehr 2,9 Jahren, somit jener Zeitspanne, die das Berufungsgericht der Berechnung des Haftungsfonds zugrundegelegt hat.

Der unberechtigten Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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