Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war ab 1.2.1985 im Unternehmen des Rupert H***** als Elektroinstallateur beschäftigt. Nach dessen Tode im Juni 1985 führte die Ehefrau Petra H***** das Unternehmen, ein Elektroinstallationsgewerbe samt Detailhandel mit Elektrowaren und Geräten, fort. Sie bestellte Franz W***** zum gewerberechtlichen Geschäftsführer, weil ihr selbst die Voraussetzungen hiezu fehlten. Da sie über die zur Führung eines solchen Betriebes notwendigen kaufmännischen Kenntnisse nicht verfügte, unterstützte sie der Kläger. Sie beschlossen gemeinsam, das Geschäft nicht aufzugeben, sondern fortzuführen. Von April 1987 bis Ende 1987 bestand zwischen dem Kläger und Petra H***** eine Lebensgemeinschaft.
Seit der Unternehmensfortführung durch die Witwe führte der Kläger sämtliche wesentlichen Gespräche mit Alt- und Neukunden, war Ansprechpartner für diese und für die Arbeiter und Angestellten des Unternehmens. Er trat ihnen gegenüber als de facto entscheidungsbefugte Person auf und beaufsichtigte und kontrollierte die Arbeiter auf den Baustellen. Zum Teil kündigte und entließ er Arbeiter auch eigenständig. Er entwarf Angebote und Kostenvoranschläge und stellte Rechnungen aus; diese Schriftstücke wurden von Petra H***** lediglich unterfertigt. Er tätigte auch selbständig Ankäufe für das Warenlager, nahm zum Teil eigenmächtig und ohne Wissen der Petra H***** Akontierungen entgegen und gewährte Preisnachlässe. 1987 kaufte die Gemeinschuldnerin ein Geschäftslokal. Für den hiezu aufgenommenen Kredit bürgte der Kläger. Das Dienstverhältnis des Klägers zur Gemeinschuldnerin endete durch Entlassung am zum 3.12.1987.
Wegen der Entlassung machte der Kläger gegen Petra H***** zu 10 Cga 1514/88 des Erstgerichtes Ansprüche geltend. In diesem Verfahren brachte der Kläger vor, daß er als Elektroinstallateur eingestellt worden sei und ab Anfang 1986 praktisch die faktische Geschäftsführung innegehabt habe. Zu seinen Aufgaben hätten der gesamte Kundenverkehr, die Erstellung von Kostenvoranschlägen und Rechnungen, sowie die Koordination und Überwachung der acht Arbeiter des Unternehmens gehört. Er sei auch maßgeblich an der Expansion des Unternehmens beteiligt gewesen.
Am 21.3.1988 schlossen der Kläger und Petra H***** in diesem Verfahren einen gerichtlichen Vergleich. Petra H***** verpflichtete sich, dem Kläger S 80.000 in acht Monatsraten a S 10.000 ab 1.5.1988 zu zahlen. Der Betrag von S 80.000 setzt sich laut Vergleich aus der Urlaubsentschädigung und der Weihnachtsremuneration 1987 in Höhe von je S 18.000, einer Abfertigung von S 36.000 und der aliquoten Sonderzahlung für 1988 von S 8.000 zusammen. Das Dientverhältnis galt mit diesem Vergleich einvernehmlich mit 2.2.1988 als gelöst.
Am 2.8.1988 wurde über das Unternehmen der Petra H***** mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien 4 S 76/88 der Konkurs eröffnet. Der Kläger meldete im Konkurs seine Forderung aus dem gerichtlichen Vergleich an, die vom Masseverwalter nicht bestritten wurde. Die beklagte Partei lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 53.467,20 sA mit Bescheid vom 27.5.1992 ab.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 19.3.1991, 12 b E Vr 2803/89, Hv 1741/89-44, wurde der Kläger als faktischer Geschäftsführer des nicht protokollierten Einzelunternehmens der Petra H***** schuldig erkannt, fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit dieses Unternehmens von 1985 bis Ende August 1987 dadurch herbeigeführt zu haben, daß er mit Einverständnis der Unternehmensinhaberin in deren Namen unverhältnismäßig Kredit benutzte und übermäßig Investitionen tätigte. Er wurde hiefür des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt und (- in Stattgebung seiner Strafberufung - ) vom Oberlandesgericht Wien rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen bedingt verurteilt.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 53.467,20 netto sA an aliquoten Sonderzahlungen 1988, Abfertigung (zwei Monatsgehälter) sowie Urlaubsentschädigung und Weihnachtsremuneration für das Jahr 1987. Petra H***** habe ihm im Laufe der Zeit wesentliche Entscheidungskompetenzen übertragen. Dies ändere jedoch nichts daran, daß er Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs 1 IESG geblieben sei. Auch aus der von April 1987 bis Ende 1987 bestehenden Lebensgemeinschaft zur Unternehmensinhaberin könne nicht geschlossen werden, daß die Tätigkeit des Klägers im Unternehmen nur eine familienhafte Mitarbeit als Lebensgefährte gewesen sei. Das Arbeitsamt sei an die Feststellung der Forderung im Konkurs gebunden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Aus dem zitierten Strafurteil gehe eindeutig hervor, daß der Kläger mit Petra H***** die gemeinsame Unternehmensweiterführung beschlossen habe und ihm dabei die faktische Geschäftsführung übertragen worden sei. Er sei an der Führung des Unternehmens maßgeblich beteiligt gewesen, so daß ihm die Arbeitnehmereigenschaft fehle.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Vom Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld seien Personen ausgeschlossen, denen die wesentlichen Merkmale eines Arbeitnehmers fehlten. Der Kläger habe einen führenden Einfluß auf die Geschäftsgebarung der Gemeinschuldnerin als de-facto-Geschäftsführer gehabt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Eine Bindung an die Feststellung der Ansprüche des Klägers im Konkurs bestehe nicht. Bei der Beurteilung von Anspruchsausschlüssen sei die Verwaltungsbehörde frei. Der Kläger sei nicht Arbeitnehmer gewesen, weil er aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und der Gemeinschuldnerin kaufmännische Handlungen, die für die Unternehmensführung maßgeblich waren, selbständig vornehmen konnte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Entscheidung des Gerichtes für die Frage, ob und welcher Anspruch gegen den Arbeitgeber vorliegt, der Entscheidung des Arbeitsamtes ohne weitere Prüfung bindend zugrundezulegen. Ob dieser Anspruch auch gesichert ist, hat hingegen die Verwaltungsbehörde zu entscheiden, hiebei aber wiederum zugrundezulegen, ob nach den anspruchsbegründenden Feststellungen des Urteils ein Anspruch vorliegt, der seiner Art nach zu den gesicherten gehört. In der Beurteilung von Anspruchsbegrenzungen und Anspruchsausschlüssen bleibt das Arbeitsamt in allen Fragen, die im gerichtlichen Verfahren (als dort nicht anspruchsbegründend) von vornherein nicht zu prüfen waren oder (mangels Einwendung) nicht geprüft wurden, frei (SZ 62/16
= RdW 1989, 310; GesRZ 1989, 221 = WBl 1989, 377; EvBl 1990/126 = WBl
1990, 271 [Liebeg 261]; EvBl 1991/6 = WBl 1990, 308; WBl 1991, 328
[Liebeg] uva). Dasselbe gilt für die Frage, ob überhaupt ein gesicherter Anspruch vorliegt (ecolex 1991, 637 = WBl 1991, 328 [Liebeg]; 9 Ob S 23/92; 9 Ob S 19/93). Auch bei einem Anerkenntnis durch den Masseverwalter hat das Arbeitsamt Anspruchsbegrenzungen und Anspruchsausschlüsse nach dem IESG selbständig zu prüfen (SZ 62/90 = ZAS 1989, 205 [G.Schima]). Auch das gilt für die Frage, ob überhaupt ein gesicherter Anspruch vorliegt.
Im Verfahren 10 Cga 1514/88 des Erstgerichtes, das schließlich mit einem Vergleich endete, war die Frage, ob der Kläger auch noch nach der gemeinsamen Weiterführung des Geschäftes Arbeitnehmer der Petra H***** war, nicht zu prüfen, da beide Parteien dieses Verfahrens auch für die Zeit ihrer Lebensgemeinschaft von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen sind. Gegen die vollstreckbaren Ansprüche des Klägers aus dem Vergleich hätte aber der Masseverwalter allein mit der Begründung, daß zwischen dem Kläger und Petra H***** kein Arbeitsverhältnis, sondern etwa ein gesellschaftsähnliches Verhältnis vorliege, nicht erfolgreich Widerspruch gemäß § 110 Abs 2 KO erheben können. Aus dem Umstand, daß der Anspruch des Klägers im Konkurs festgestellt worden ist, ergibt sich daher nicht, daß die beklagte Partei bei ihrer Entscheidung zugrundezulegen hatte, daß der Kläger Arbeitnehmer war. Das Arbeitsamt war vielmehr berechtigt, die Frage, ob der Kläger Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs 1 IESG war, selbständig zu prüfen.
Das Insolvenzentgeltsicherungsgesetz (IESG) ist gemäß § 1 Abs 1 leg cit nur auf Arbeitnehmer (ehemalige Arbeitnehmer und ihre Hinterbliebenen sowie die Rechtsnachfolger von Todes wegen dieser Personen (= Anspruchsberechtigte) anzuwenden (446 BlgNR 15.GP 5; EvBl 1992/104). Das IESG stellt dabei auf den Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsvertragsrechtes ab (Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2, 43 f mwN). Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist nach dem ausdrücklich oder schlüssig vereinbarten Vertragsinhalt zu beurteilen. Entscheidend für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist die Unterworfenheit des Arbeitnehmers unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, die sich in organisatorischer Gebundenheit, besonders bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle und im weitgehenden Ausschluß der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers äußert (Martinek-M. und W.Schwarz, AngG7, 43 f mwN; Mayer-Maly/Marhold, Österr.Arbeitsrecht I 44; Floretta-Spielbüchler-Strasser, ArbR3I 36 f; Arb 9879, 9885; ZfVB 1986/195; Arb 10.529).
Daß der Kläger ursprünglich Arbeitnehmer war, ist unstrittig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde jedoch mit der Vereinbarung der späteren Lebensgefährten, das Geschäft wegen des Todes des früheren Unternehmensinhabers nicht aufzugeben, sondern gemeinsam weiterzuführen, spätestens mit der Übernahme wesentlicher Unternehmerfunktionen durch den Kläger beendet. Die Vereinbarung der beiden Partner ist im Zweifel als Gesellschaftsvertrag zu deuten. Es ist zwar selbst im Falle der Mitwirkungen des Ehegatten im Erwerb des anderen nicht ausgeschlossen, daß zwischen den Ehegatten ein Dienstverhältnis begründet (bzw fortgeführt) wird (vgl § 100 ABGB), so daß eine solche Vertragsgestaltung im vorliegenden Fall, in dem der Kläger Arbeitnehmer des Ehemannes seiner späteren Partnerin und Lebensgefährtin war, umso eher in Betracht gekommen wäre. Auch kann einem Partner (Lebensgefährten) vom anderen die gesamte Geschäftsführung auch im Rahmen der Begründung eines Dienstverhältnisses als (leitender) Arbeitnehmer übertragen werden. Das setzt aber voraus, daß sich der andere Partner wesentliche Arbeitgeberfuntkionen vorbehält.
Das hat jedoch Petra H***** nicht getan. Der Kläger hat vielmehr aufgrund des mit seiner Partnerin gemeinsam gefaßten Beschlusses, das Unternehmen weiterzuführen, nach und nach alle wesentlichen Aufgaben der Unternehmensleitung selbständig übernommen. Seit der gemeinsamen Unternehmensfortführung führte der Kläger sämtliche wichtigen Gespräche mit Alt- und Neukunden. Er trat sowohl im Verhältnis zu den Kunden als auch den Dienstnehmern des Unternehmens als entscheidungsbefugte Person auf und beaufsichtigte die Arbeiter; er sprach Kündigungen und Entlassungen aus, entwarf Angebote und Kostenvoranschläge, erstellte Rechnungen und tätigte auch selbständig Einkäufe für das Warenlager, gewährte Preisnachlässe und nahm Anzahlungen ohne Wissen der Petra H***** entgegen. Diese zog sich, wie aus dem zitierten Strafurteil hervorgeht, aus dem Geschäft immer mehr zurück und überließ dem Kläger de-facto wesentliche Entscheidungskompetenzen. Anläßlich des Erwerbs eines neuen Geschäftslokales durch Petra H***** hat der Kläger auch die Bürgschaft für einen Kredit in Höhe von S 600.000 übernommen.
Damit überwiegt aber die Ausübung von Arbeitgeberfunktionen durch den Kläger derart, daß seine Arbeitnehmereigenschaft auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden kann, daß ihm das bisherige Entgelt weitergezahlt wurde und Petra H***** schließlich seine "Entlassung" ausgesprochen hat. Das Gesamtbild des Zusammenwirkens der beiden Partner und späteren Lebensgefährten spricht vielmehr gegen das Weiterbestehen eines Arbeitsverhältnisses des Klägers. Aus einer gewissen zeitlichen Gebundenheit des Klägers läßt sich schon deshalb kein anderes Ergebnis ableiten, weil sich eine gewisse Regelmäßigkeit der Tätigkeit schon aus der ordnungsgemäßen Ausübung der Leitungsfunktionen unter Beachtung zahlreicher Geschäftstermine ergibt.
Der Kläger war daher in dem - seine strittigen Ansprüche betreffenden Zeitraum (1987/1988) nicht mehr Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs 1
IESG.
Auch die Abfertigung gebührt dem Kläger nicht, obwohl er während eines Teiles der Zeit, die für den Erwerb des Anspruches erforderlich war (1.2.1985 mit Unterbrechungen bis längstens 1986), Arbeitnehmer war. Da er im maßgeblichen Zeitraum nur mehr Unternehmertätigkeiten verrichtete, kann er sich nicht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß dienstzeitabhängige Ansprüche unter Berücksichtigung der Gesamtzeit der Unternehmenszugehörigkeit zu ermitteln und sodann eine Aliquotierung entsprechend der Dauer der Zeiträume vorzunehmen sei, während der die Vorausssetzungen der Arbeitnehmereigenschaft nicht vorlagen, berufen. Der Oberste Gerichtshof ist im übrigen dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Berücksichtigung von Arbeitnehmerzeiten und Geschäftsführerzeiten nach § 1 Abs 6 Z 2 IESG nicht gefolgt (RdW 1990, 54).
§ 1 Abs 6 Z 2 IESG kommt hier schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der Kläger nicht Mitglied des Organs einer juristischen Person war, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, da Petra H***** ein im Firmenbuch nicht eingetragenes Einzelunternehmen (offenbar als Minderkaufmann) betrieb. Auf die Frage, ob auf faktische Geschäftsführer einer juristischen Person § 1 Abs 6 Z 2 IESG sinngemäß zur Anwendung kommt (verneinend ZfVB 1987/1305; VwGH 87/11/0285 vom 15.11.1988 veröffentlicht in ARD 4165/15/90), braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung ist in § 77 Abs 2 lit b ASGG begründet.
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