European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00134.9300000.1110.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Beschwerde des Angeklagten gegen die Erteilung einer Weisung Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Der am 14.September 1962 geborene österreichische Staatsangehörige Stephan P* wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG (A des Schuldspruches) und des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SGG (B) schuldig erkannt. Ihm wird angelastet, den bestehenden Vorschriften zuwider am 16.März 1992 ca. 1.000 Gramm Haschisch und 5 Gramm Marihuana, somit Suchtgift in einer großen Menge, aus den Niederlanden aus‑ und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt (A) sowie seit 1977 bis November 1992 in Wien und an anderen Orten wiederholt Suchtgift, und zwar Haschisch, erworben und besessen zu haben (B).
Die dagegen erhobene, ausdrücklich auf die Z 5, 9 lit. a und b sowie 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde versagt zur Gänze.
Die nominell als Mängelrüge (Z 5) erhobenen, inhaltlich jedoch Rechtsrügen (Z 9 lit. a und b; siehe Mayerhofer‑Rieder, StPO3 ENr. 15 und 16 zu § 281 Z 9 lit. b) darstellenden Beschwerdeeinwände gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG, die darauf abzielen, daß die Tat außerhalb des Geltungsbereiches der österreichischen Strafgesetze begangen worden oder die Strafbarkeit nach den österreichischen Gesetzen entfallen sei, gehen fehl.
Die Anwendung der österreichischen Strafgesetze ergibt sich aus der bereits in der Beschwerde selbst angeführten Vorschrift des § 64 Abs. 1 Z 4 StGB. Darnach werden im Ausland begangene strafbare Handlungen nach dem § 12 des SGG unabhängig von den Strafgesetzen des Tatortes nach inländischem Recht bestraft, wenn durch das Delikt österreichische Interessen verletzt worden sind oder der Täter nicht ausgeliefert werden kann.
Für die originäre österreichische Strafgewalt würde bereits das Zutreffen nur einer der beiden genannten Voraussetzungen genügen. Im vorliegenden Fall sind aber sogar beide Voraussetzungen erfüllt. Das Schöffengericht stellt nämlich (unbekämpft) fest, daß der Angeklagte die Tat in Durchführung des Planes beging, das Suchtgift nach Österreich zu bringen (S 189), woraus sich eine Verletzung österreichischer Interessen ergibt (SSt. 52/6). Der Angeklagte ist überdies österreichischer Staatsangehöriger, weshalb er nicht zur Strafverfolgung an das Ausland ausgeliefert werden kann (§ 12 Abs. 1 ARHG). Demgemäß ist die vorliegende Tat ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatortes zu bestrafen. Die Aburteilung im Ausland ist nur im Rahmen der vom Erstgericht ohnehin ausgesprochenen Strafenanrechnung (§ 66 StGB) rechtserheblich, ohne den Entfall des inländischen Strafanspruches nach sich zu ziehen.
Das vom Angeklagten ins Treffen geführte "Erledigungsprinzip" (§ 65 Abs. 4 Z 2 bis 4 StGB) ist nach der gesetzlichen Regelung nur auf Taten anzuwenden, die nicht im § 64 StGB bezeichnet sind (§ 65 Abs. 1 StGB) und bleibt somit für den vorliegenden Fall (des § 64 Abs. 1 Z 4 StGB) von vornherein ohne Bedeutung.
Ebenso verfehlt ist der Einwand (Z 10), das Erstgericht habe die Taten unrichtig subsumiert. Die von der Beschwerde in dieser Hinsicht vertretene Ansicht, der Angeklagte habe nur für versuchte Einfuhr des Suchtgiftes einzustehen, ist allein schon deswegen nicht zielführend, weil die im Rahmen eines einheitlichen Geschehens im Verlaufe eines grenzüberschreitenden Suchtgifttransportes gesetzten Ein‑ und Ausfuhrhandlungen alternative Begehungsarten eines einzigen Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG darstellen, wobei für die Deliktsvollendung die Verwirklichung einer Alternative, hier also die bereits bewirkte Ausfuhr aus den Niederlanden, genügt und ein zusätzliches Verhalten des Täters, das einer weiteren Begehungsart des Deliktes entspricht, für die Subsumtion unerheblich ist, weshalb gerichtliche Aussprüche über solche einzelnen Umstände auch gar nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbar sind (EvBl. 1985/67). Bereits auf Grund der unbekämpften Urteilsannahme über die Suchtgiftausfuhr aus den Niederlanden (womit übrigens eine vollendete Einfuhr nach Belgien feststeht, S 45) kommt somit der Frage, ob die nachfolgende Einfuhr nach Deutschland bloß versucht oder auch vollendet wurde, keinerlei Bedeutung für die rechtliche Beurteilung der Tat als vollendetes Delikt zu.
Letztlich versagt auch der gegen den Schuldspruch nach dem § 16 Abs. 1 SGG (B) gerichtete Beschwerdehinweis auf die gesetzlich angeordnete Subsidiarität dieser Strafbestimmung gegenüber jener des § 12 SGG. Für eine derartige rechtliche Konsequenz wäre Tatidentität erforderlich. Der Urteilsinhalt läßt aber klar erkennen, daß die zu A und B des Schuldspruches bezeichneten Suchtgifte jeweils voneinander verschiedene Tatobjekte waren und die im Schuldspruch laut Punkt B erfaßten Vorgänge mit dem dem Angeklagten zur Last liegenden Verbrechen nach dem § 12 Abs. 1 SGG laut Punkt A keinerlei sachverhaltsmäßige Gemeinsamkeiten hatten. Die Strafbestimmung des § 16 Abs. 1 SGG wurde daher zu Recht für die Subsumtion dieser Tat herangezogen.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Der im Gerichtstag vom Verteidiger vorgetragenen Anregung, im Sinne des § 290 Abs. 1 StPO wegen Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO (Verjährung der Urteilstat B) vorzugehen, konnte nicht nähergetreten werden. Nach den (wohlbegründeten, sh. das einschränkungslose Geständnis des Angeklagten in diese Richtung S 175 und 176) Urteilsfeststellungen liegt der Strafaufhebungsgrund der Verjährung nicht vor.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 12 Abs. 1 SGG unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe, wobei ein Strafteil von neun Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Als erschwerend wertete es dabei das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen sowie die Menge des Suchtgiftes, als mildernd das Geständnis, die Sicherstellung des Suchtgiftes und eine gewisse Suchtgiftergebenheit des Angeklagten.
Zugleich mit dem Urteil wurde dem Angeklagten "für den Fall der Rechtskraft des Urteils die Weisung erteilt, einen Nachweis seiner Drogenfreiheit erstmals binnen zwei Monaten und in der Folge halbjährlich während der Dauer der Probezeit unaufgefordert dem Gericht nachzuweisen, widrigenfalls die bedingte Strafnachsicht widerrufen wird" (S 177).
Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Ziel einer Strafmilderung bzw. der Gewährung bedingter Nachsicht nach dem § 43 Abs. 1 StGB. Überdies wird damit der als Beschwerde zu wertende Antrag verbunden, die erteilte Weisung aufzuheben oder "abzumildern".
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Wenn auch die Einfuhr des Suchtgiftes nach der Bundesrepublik Deutschland durch das Einschreiten der Zollbehörden unterbunden werden konnte, ist das dem Angeklagten angelastete Delikt durch die Vollendung der Ausfuhr aus den Niederlanden nicht im Versuchsstadium geblieben. Der Umstand, daß das Suchtgift nicht dem beabsichtigten Zweck (Sicherung des Eigenbedarfes für längere Zeit, S 189) zugeführt werden konnte, ist durch die Wertung der Sicherstellung als mildernd ausreichend berücksichtigt worden. Auch das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen wurde berechtigterweise als erschwerend angenommen.
Wenn auch die hier in Rede stehende Menge des Suchtgiftes noch nicht als besonderer Erschwerungsgrund gewertet werden kann, ist die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe (auch im Hinblick auf seine Verurteilung durch das Amtsgericht Aachen als Schöffengericht) nicht überhöht. Da bereits in der Vergangenheit bedingte Strafnachsicht und bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug den Rückfall des Angeklagten in strafbares Verhalten nicht zu verhindern vermochten, liegen die Voraussetzungen für die bedingte Nachsicht der gesamten Strafe nicht vor. Infolge Anrechnung der ausländischen (Vor‑)Haft gemäß dem § 66 StGB gefährdet die Anwendung des § 43 a Abs. 3 StGB auch nicht die derzeitige soziale Integration des Angeklagten, von der auch das Erstgericht ausgegangen ist (S 193).
Auch der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein.
Mit Recht wendet sich der Angeklagte jedoch gegen die ihm erteilte Weisung. Abgesehen davon, daß das Erstgericht keine Begründung für diese Entscheidung gegeben hat, ist die Erteilung einer Weisung, innerhalb der Probezeit den Nachweis der Drogenfreiheit zu erbringen, inhaltlich als Auftrag zu verstehen, innerhalb der Probezeit keine (gleichartige) neue strafbare Handlung zu begehen. Eine solche Weisung entspricht jedoch nicht der Zielsetzung der §§ 50 ff StGB und ist unzulässig (Leukauf‑Steininger, Komm.3 § 51 RN 6). Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben.
Dem Erstgericht bleibt es freilich unbenommen, dem Angeklagten auch noch im Verlauf der Probezeit eine dem Gesetz entsprechende Weisung zu erteilen (Leukauf‑Steininger, Komm.3, § 50 RN 7).
Die Kostenentscheidung findet ihre Begründung in der angeführten Gesetzesstelle.
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